Am Server-based Computing (SBC) scheiden sich die Geister: Während die einen Administratoren auf zentral verwaltete Client-Architekturen schwören, setzen die anderen lieber auf die Leistungsfähigkeit flexibler "fetter" Client-Computer. Während heute auf der Serverseite die Desktop-Virtualisierung neue Möglichkeiten bietet, sorgen mobile Thin Clients (TCs) wie der X90 XPE von Wyse auf der Client-Seite für mehr Flexibilität.
Längst hat sich SBC mit Windows Server 2008, Citrix Xenapp oder Zusätzen wie Netman von H+H als effizient nutzbare Technik etabliert: Vorbei sind die Zeiten, in denen nur geringe Farbtiefen, langsame Performance und mangelnde Integration von Peripheriegeräten den sinnvollen Einsatz von Terminalservices unter Windows schmälerten. Zudem schickt sich derzeit die serverseitige Virtualisierung von Clients (Virtual Desktop Infrastructure, VDI) an, sich neben dem SBC als weitere Möglichkeit zentralisierter Ressourcenbereitstellung zu etablieren. Citrix liefert hierzu Xendesktop, Vmware VDM (Virtual Desktop Manager), Microsoft setzt hier auf MED-V (ehemals Kidaro).
Entsprechend verändert sich das Gewand der zugehörigen Endgeräte, der Thin Clients (TCs). TC-Spezialist Wyse hat mit dem X90 XPE ein auf Windows XP Embedded basierendes "Thin" - also festplattenloses - Notebook im Programm, das in puncto Design und Komfort den Vergleich zu gängigen Standard-Laptops nicht zu scheuen braucht. Mit gerade einmal 297 x 210 x 34,5 Millimetern bei einem Gewicht von rund 1,75 Kilogramm mit eingesetztem Standardakku überragt das X90 die aktuellen Netbooks nur um wenige Millimeter. Im Vergleich zu den neuen Zweit-Laptops bietet das X90 mit 1280×800 Pixel auf einem 12,1 Zoll Widescreen WXGA TFT LCD jedoch eine klassische Auflösung. Das Display des X90 ist auch bei sehr engen Sichtwinkeln erfreulich gut lesbar.
Mit einem VIA-C7-M-Prozessor mit 1200 MHz liefert Wyse den X90 mit einer für TCs leistungsstarken CPU aus. Subjektiv betrachtet vergeht die Zeit zwischen Einschalten und Nutzbarkeit des Desktops mit 37 Sekunden sehr zügig, und auch beim TC-Betrieb mit Windows Server 2003 und Windows Server 2008 entstand im Test nie das Gefühl, dass beispielsweise der TC den Bildschirmaufbau ausbremst. Als Grafik-Controller arbeitet der VIA-Chrom9-HC-IGP-Chipsatz des Mainboards. Arbeitsspeicher wie auch Flash-Speicher verfügen jeweils über 512 MByte Kapazität, was für das TC-Aufgabenfeld absolut ausreicht.
Die Verarbeitung des Geräts mit grauem Kunststoffgehäuse ist sehr gut, die Verbindung zwischen Basiseinheit mit der Tastatur und dem Display stabil. Das Schreiben auf der gerade einmal 275 x 105 mm großen Tastatur im deutschsprachigen Layout geht gut von der Hand. Obwohl kaum Anschlaggeräusche wahrnehmbar sind, bietet die Tastatur einen angenehmen Anschlag. Als Mausersatz dient ein Touchpad, das Doppelklicks angenehmerweise direkt im Berührungsfeld akzeptiert.
Zu Peripheriegeräten zeigt sich der X90 kontaktfreudig: Drei USB-2.0-Ports, ein 15-poliger D-SUB-VGA-Anschluss für externe Monitore und zwei 3,5-mm-Klinkenstecker für Mikrofon und Lautsprecher stehen zur Verfügung. Beim CD/DVD-Schacht hingegen handelt es sich - getreu dem SBC-Prinzips zentralisierter Kontrolle - nur um einen Kunststoff-Dummy. Für etwaige Erweiterung steht ein PCI-E-Slot bereit. Netzzugang erhält das dünne Notebook mit einer Fast-Ethernet- und einer integrierten 802.11b/g-WLAN-Karte. Dank integrierten Soundsystems und zweier Stereolautsprecher im Gehäuse bleibt das X90 bei Audioinformationen nicht stumm.
Nach dem Einschalten gibt das Gerät den Blick auf einen aufgeräumten Windows-XP-Desktop frei. Die erste Software, die sich automatisch nach dem Betriebssystem in den Vordergrund drängt, ist das Programm Neutron. Die Freeware holt sich automatisch von verschiedenen Time-Servern im Internet die korrekten Zeitdaten. Dies setzt natürlich - wie jeder TC-Einsatz - eine funktionierende Netzwerkverbindung voraus. Via Kabel ans Netz angeschlossen ermittelt der X90 automatisch per DHCP-Lease die entsprechenden Informationen, via WLAN ist zunächst die von Windows bekannte Konfiguration für die SSID und den Netzwerkschlüssel vorzunehmen. Auch ohne die Verwendung einer speziellen Konfigurationssoftware merkt sich das X90 einmal eingegebene Informationen für den WLAN-Zugriff. Andere Änderungen, beispielsweise das Abspeichern von Verbindungsdaten für einen ICA/RDP-Client oder das Umstellen des Desktop-Hintergrundbilds, werden zunächst bei einem Neustart automatisch verworfen. Gerade das Entfernen der Verbindungsdaten für die Terminalverbindung macht die Verwendung einer Managementsoftware zwingend erforderlich. Wird die WLAN-Karte erst nachträglich über den Ein/Aus-Schalter eingeschaltet, kann das System keine Verbindung mit dem Funknetz herstellen.
An Client-Software ist auf dem Testgerät der Citrix-ICA-Client in der Version 10.200.2650 mit 256-Bit-SSL-Verschlüsselung, der aktuelle Microsoft-RDP-Client 6.0 und Ericom Powerterm Interconnect 9.1 für traditionelle Terminals zu finden. Auf dem Desktop selbst liegen bei Werksauslieferung der aktuelle Internet Explorer 7 in englischer Sprache, die Citrix Program Neighborhood und der RDP-Client in der Standard- und Span-Remote-Ausprägung. Der Vmware-VDM-Client für den Zugriff auf einen virtualisierten Desktop ist nur im Startmenü zu finden. Dieses macht einen wohlsortierten Eindruck, da die Mehrzahl an Einstellungsmöglichkeiten für den X90 bewusst entfernt wurden.
Ein Zugriff auf das Dateisystem, den Task-Manager oder die Registry ist in der Rolle des Benutzers nicht möglich - alle Änderungen werden, wie erwähnt, beim Neustart verworfen, sofern der Administrator nicht den entsprechenden Schutz per Verwaltungssoftware deaktiviert hat. Nicht einmal ein Hilfsprogramm wie der Taschenrechner steht für den Desktop des TCs zur Verfügung. Mit Ausnahme des Webzugriffs über den Internet Explorer ist die Parametrierung von Wyse so gewählt, dass Programme stets in einer Terminalsitzung genutzt werden müssen.
Der Windows Media Player 11 mit den Standard-Codecs ist trotz geringen Arbeitsspeichers durchaus in der Lage, einige der MPEG/WMV-Testdateien abzuspielen. Zuweilen erscheint ein Dialogfeld, das auf den zu geringen Arbeitsspeicher hinweist. Da dieser Dialog beim Schließen sofort wieder erscheint, sollte man ihn bei der Betrachtung von Filmen mit dem X90 einfach zur Seite schieben.
Für die Fernwartung bietet sich der automatisch aktivierte Win-VNC-Serverdienst dafür an. Der Zugriff erfordert ein Passwort. Wird von einem Administrationsgerät eine Vince-Sitzung auf den X90 gestartet, so bleibt dem dortigen Benutzer eine Minute Zeit, die Anfrage abzubrechen oder Programme zu schließen, die der Support-Mitarbeiter nicht einsehen soll. Wird die Anforderung über das Vince-Dialogfenster weder angenommen noch abgelehnt, so erhält der Administrator automatisch nach 60 Sekunden die Genehmigung für den Zugriff.
Der Vorteil der Thin Clients gegenüber einem Standard-PC liegt nicht so sehr in der günstigeren Anschaffung, sondern in der geringeren Anfälligkeit gegen unerwünschte Änderungen. Als Verwaltungssoftware liefert Wyse über das Internet den Wyse Device Manager 4.7 aus. Ohne eine zusätzliche kostenpflichtige Workgroup-Lizenz sind einige Möglichkeiten der Software wie beispielsweise das Schnüren von Konfigurationspaketen nicht benutzbar.
Ansonsten bietet WDM alle für die TC-Verwaltung gebräuchlichen Funktionen. Neben dem Ein- und Ausschalten per Wake on LAN (WOL) und der zentralen Speicherung und Modifikation von Einstellungen ist dies in erster Linie die Verteilung von Updates. Der Zusatzbefehl "Execute Command" funktioniert mit Windows XPe leider nicht, und WDM verlangt nach einem englischen Windows und einem englischen Microsoft SQL Server.
Der Wyse X90 ist ein solide verarbeiteter und optisch ansprechender Thin Client im Laptop-Gewand. Die angegebene Akkulaufzeit von rund vier Betriebsstunden konnten wir im Test verifizieren, sie ist für die meisten Fälle mehr als ausreichend. Als Mängel festzuhalten bleiben der stete Sprachwechsel zwischen deutschem XPe und englischen Terminalprogrammen sowie die Unfähigkeit des Systems, auf eine nachträglich aktivierte WLAN-Karte korrekt zu reagieren. Der Listenpreis für die betrachtete Konfiguration liegt bei rund 645 Euro. In der Variante mit Smart-Card-Leser und eingebauter Bluetooth-2.0- Schnittstelle kommen zirka 75 Euro hinzu, für die Workgroup-Lizenz der Verwaltungssoftware nochmals 29,75 Euro. Angesichts günstiger Notebooks mit SSD-Speicher ließen sich mit den Verwaltungsmöglichkeiten der Windows-Welt ähnliche zentralisierte Ansätze verwirklichen, TCs wie der X90 bieten hingegen bereits "ab Werk" speziell auf SBC und VDI ausgelegte mobile Endgeräte.
Info: Wyse Tel.: 01805/997311 Web: www.wyse.de