Blue Coat, Anbieter von WAN-Optimierungsgeräten und Sicherheits-Gateways, hat angekündigt, den bekannten Spezialisten für WAN-Optimierung und Verkehrskontrolle Packeteer für 268 Millionen Dollar zu übernehmen. Die Akquisition soll im Laufe des zweiten Quartals abgeschlossen sein. Mit der Übernahme erweitert Blue Coat sein Portfolio von Beschleunigungs- und Optimierungstechniken sowie -produkten und erheblich die Kundenbasis sowie den Vertriebskanal.
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Software-Client für WAN-Optimierung und Zugriffssicherheit
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Test Blue Coat SG 510 und SG 200: WAN-Bandbreite besser nutzen
Blue Coat ist unter den Anbietern von WAN-Beschleunigern (WAN Optimization Controllers, WOCs) ein Sonderfall, da das Unternehmen gleich stark im Security- wie im Beschleunigungsumfeld verankert ist: Ein Geschäftsbereich des Anbieters - dessen Logo nicht umsonst einer stilisierten US-Polizeimarke ähnelt - ist der sichere Fernzugang zu Daten und Applikationen; der zweite Geschäftsbereich rankt sich um die Proxy-SG-Appliance-Familie. Diese Appliances widmen sich unter der Überschrift "Mach5" der Optimierung des Fernzugriffs via WAN: Sie vereinen die fünf Funktionen Bandbreitenmanagement, Protokolloptimierung, Byte- und Objekt-Caching sowie Kompression. Dafür nutzen die Geräte eine Full-Proxy-Architektur. Übernahmekandidat Packeteer wiederum kommt ursprünglich aus dem Qualtiy-of-Service- und Bandbreitenmanagement: Mit der Packetshaper-Produktfamilie ist Packeteer bekannt und praktisch zum Referenzwert der QoS-Kontrolle und des applikationsbezogenen Traffic-Shapings geworden. Allerdings hatte sich Packeteer sehr lange auf diese Disziplinen beschränkt. Der Hersteller verschlief den Trend, auf die WAN-Beschleunigungsgeräte immer mehr zusätzliche Funktionen zu packen, die bis dato separaten Geräten vorbehalten waren. Dazu zählen etwa die Kompression oder das Byte-Level-Caching zur Beschleunigung von File-Transfers. Deshalb wurde Packeteer vor einigen Jahren von innovativen Anbietern wie Riverbed, Expand und Peribit (heute ein Geschäftsbereich von Juniper) technisch gesehen überholt. Eben solche Multifunktionsgeräte à la Expand, Juniper und Riverbed - sowie von Blue Coat, Cisco, Citrix und diversen weiteren Anbietern - sind heute unter der Bezeichnung WOC oder WAN-Beschleuniger zusammengefasst und haben dedizierte Einzelgeräte praktisch verdrängt.
Zwar hat Packeteer vor zwei Jahren reagiert und via Übernahme von Tacit Networks ebenfalls WOC-Funktionalität und -Lösungen ins Portfolio integriert. Erst vor einem Jahr allerdings brachte Packeteer dann die Appliance namens Ishaper heraus, die Funktionen von Packetshaper und Tacit zusammenführt. Zu diesem Zeitpunkt hatten andere Anbieter, vor allem Riverbed, den ehemaligen Marktführer im WAN aber schon abgehängt. Entsprechend war Packeteer bereits seit einiger Zeit als Übernahmekandidat im Gespräch, wenngleich der Aufsichtsrat noch Anfang April eine Übernahme durch Elliot Associates abgelehnt hat.
Blue Coat verfolgt mit der Übernahme von Packeteer mehrere Ziele: Erstens will der Anbieter die Packeteer-Funktionalität auf seine Proxy-SG-Appliances aufspielen. "Wir werden beginnen, die Packeteer-Techniken aggressiv in unsere eigenen zu integrieren, um weiter am nächsten kritischen Layer oberhalb des Routers zu arbeiten", wird Blue-Coat-Chef Brian Nesmith in der Pressemitteilung zitiert. Das Analystenhaus Gartner hatte in seinem aktuellen Magic-Quadrant-Report über den WOC-Markt vom Dezember 2007 noch den Umfang der Reporting- und Monitoring-Fähigkeiten der SG-Familie bemängelt - hier ist der Packeteer-Zukauf eine smarte und sehr sinnvolle Ergänzung, bietet Packeteer doch das marktweit beste Feature-Set in puncto granularer QoS-Kontrolle, Anwendungssidentifikation und Traffic-Monitoring und -Reporting. Ein gewisses Hindernis für die Integration könnte darstellen, dass Blue Coat für SG ein eigenes Betriebssystem nutzt und somit zusätzliche Funktionen erst portieren muss.
Auch die Umsätze mit Verkauf und Wartung der verbreiteten Packetshaper-Geräte waren ein Akquisitionsgrund. Nigel Hawthorn, Vice President International Marketing bei Blue Coat, betonte im Gespräch mit LANline, man wolle Vertrieb und Support für die Packetshapers als Standalone-Produkte noch bis mindestens 2009 aufrechterhalten.
Durch die Akquisition vergrößert Blue Coat zudem die Kundenbasis und den Vertriebskanal erheblich: Immerhin brachte Packeteer rund 10.000 Kunden und 50.000 verkaufte Geräte mit an den Verhandlungstisch. Blue Coat gibt an, bislang 40.000 Appliances ausgeliefert zu haben - allerdings zählen zu den Kunden des Anbieters eben auch zahlreiche Käufer von Security-Geräten. So gesteht Nigel Hawthorn zu, dass die 1400 zusätzlichen Channel-Partner den Vertriebskanal für Blue Coat um wichtiges Know-how bereichern werden, kommen doch viele Blue-Coat-Partner aus dem Sicherheitsumfeld, während die Packeteer-Partner ihre Kernkompetenzen in der Verbesserung des Applikationsverhaltens besitzen. Des Weiteren besteht für Blue Coat neben den Merger-üblichen "Synergien" - Kostenersparnissen durch Konsolidierung und Personalabbau - auch ein deutliches Cross-Selling-, also Quervermarktungspotenzial, da das Blue-Coat- und das Packeteer-Portfolio nur zum Teil Überschneidungen aufweisen. So geht Packeteers Ishaper schon weit in Richtung der von Gartner geforderten Branch Office Box (BOB, Universalgerät für Filialen). Dadurch kann Blue Coat im BOB-Bereich nun ebenfalls eine Option anbieten. Mit Skyx hat Packeteer zudem ein Gerät für die Beschleunigung von Satellitenverbindungen im Portfolio. Umgekehrt bietet Blue Coat zum Beispiel einen WOC-Software-Client, und auch die SG-Geräte sowie die Security-Appliances können häufig eine sinnvolle Ergänzung zum Packetshaper darstellen.
LANline/Dr. Wilhelm Greiner