Funktionsspektrum der Stromschaltleisten wächst

Verteilen, schalten, sichern, messen

7. März 2006, 23:00 Uhr | Dr. Christian Pätz/jos Dr. Christian Pätz verantwortet als Leiter des Produktmanagements und Produktmarketings die weltweite Strategie von Raritan.

Stromschaltleisten sind heute längst mehr als "dumme" Ein-/Ausschalter. Mit einer Ethernet-Schnittstelle versehen gehören sie längst zur Managementinfrastruktur im Rechenzentrum und kooperieren mit dem KVM-Konzept.

Jeder Rechner, jeder Router und auch sonst nahezu jede Komponente im Serverschrank braucht
Strom. Unterbrechungsfreie Stromversorgungen und Notstromaggregate sorgen dafür, dass der für das
Leben der Technik notwendige "Saft" immer und ununterbrochen zur Verfügung steht. Während ein
Großteil der Strominfrastruktur in den Verantwortungsbereich der Gebäudetechnik fällt, muss sich
der Systemadministrator immer mehr mit der Stromzuführung innerhalb des Rack-Systems beschäftigen.
Schlechte Stromverkabelung ist nicht selten der Grund für Betriebsstörungen, zu hoher
Stromverbrauch wird verstärkt zum Kostenfaktor.

Stand der Technik und Einordnung

Professionelle zertifizierte und stabile Stromverteiler mit zusätzlicher Intelligenz haben daher
in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Kaum noch ein Administrator betreibt seine
Anlagen mit einfachen Steckdosenleisten vom Möbeldiscounter für 3,50 Euro. Professionelle
Stromverteilprodukte kosten abhängig von der Anzahl der Steckdosen zwischen wenigen Hundert bis
über Tausend Euro. Dafür bieten die hochwertigen Stromverteiler auch deutlich mehr zusätzliche
Leistungsmerkmale, von der Ein-/Ausschaltbarkeit der Steckdosen über die messtechnische Überwachung
des Stroms inklusive Spannung und Frequenz bis hin zur Anschlussmöglichkeit externer Sensoren für
Temperatur, Feuchtigkeit oder Alarm. Grundsätzlich lassen sich zwei Versionen von
Stromschaltleisten unterscheiden: Passive Leisten (PDUs, Power Distribution Units) verteilen Strom
ohne zusätzliche Funktionen, während aktive Leisten (PCUs, Power Control Units) zusätzliche
Funktionen wie Schalten und Messen bieten. Abgesehen von Sonderbauformen haben sich am Markt für
PCUs und PDUs zwei grundsätzliche Gehäuseformen herausgebildet:

Rackmount: Dabei wird eine Stromschaltleiste wie ein 1HE- oder 2HE-Server quer
in das Rack-System geschraubt. Die Stromanschlüsse befinden sich auf der Rückseite. Typisch sind
vier oder acht Steckdosen – im Englischen Recepticles. Mehr als acht Dosen benötigen im Allgemeinen
zwei oder mehr Höheneinheiten im Schrank.

Powerstrip: Ein langes aber schmales Gehäuse ist auf der Rückseite des Racks
vertikal positioniert. Es ist keine Höheneinheit im Rack verbaut – daher heißt diese Lösung meist
Zero U. Die Stromanschlüsse sind über die gesamte Höhe des Racks verteilt, was die Verwendung
kürzerer Netzkabel ermöglicht.

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal für PDU/PCUs ist die Anzahl der Anschlussdosen. Während die
Rackmount-Geräte meist vier oder acht Anschlüsse aufweisen, sind die Powerstrips mit acht, zwölf,
20 oder sogar 24 Anschlüssen lieferbar. Je nach Ausführung sind 10A-, 20A- oder sogar 30A-Versionen
erhältlich, wobei sich der angegebene Maximalstrom stets auf die Gesamtstromaufnahme aller an die
PDU/PCU angeschlossenen Verbraucher bezieht. Sehr hohe Amperezahlen sind häufig mit mehreren
voneinander unabhängigen Anschlussblöcken realisiert, um die Vorgaben hinsichtlich Strombelastung
bei den Anschlusskabeln einzuhalten

Um die PCUs steuern zu können, kommt entweder eine serielle Schnittstelle oder immer häufiger
eine Ethernet-Schnittstelle mit integriertem Webserver zum Einsatz. Da letztere immer noch
vergleichsweise teuer sind, bieten Hersteller häufig die Möglichkeit, mehrere seriell steuerbare
PCUs über eine Ethernet-gesteuerte PCU kaskadiert zu verschalten. Die Ethernet-Schnittstelle bietet
gegenüber dem seriellen Pendant einige zusätzliche Zugriffsmöglichkeiten, die über die beiden
Schnittstellen gemeinsame Kommandozeile hinausgeht. Überwachung und Benachrichtigung per SNMP oder
SMTP (E-Mail) gehören dazu genauso wie bequem nutzbare und übersichtlich gestaltete Diagramme oder
Histogramme mit der Visualisierung von Schaltzuständen und Messwerten.

Zwischen PCUs und KVM-Switches (Keyboard, Video, Mouse) besteht eine gewisse Verwandschaft, da
beide Gerätekategorien Schnittstellen von Servern kontrollieren und verstärkt zum Remote-Management
von Rechnern dienen. Es liegt daher nahe, PCUs gleich mit über die Nutzerschnittstelle eines
KVM-Switches zu konfigurieren und zu schalten, um dem Anwender die Möglichkeit zu geben, den
Server, den er aktuell auf seinem Display sieht, auch gleich ein- und ausschalten zu können oder
bei Bedarf ein Reset auszulösen. Führende KVM-Switch-Hersteller bieten eine solche Integration in
ihren KVM-Switches an, entweder für eigene Geräte oder für Geräte von ausgewählten
Fremdherstellern. Die Verbindung zwischen beiden Geräten ist dabei in der Regel über die serielle
Schnittstelle realisiert. Bei der Lösung von Raritan können etwa die auf Kategorie-5 Technik
beruhenden Produkte der Dominion-Serie über spezielle Adaptermodule direkt an den Schnittstellen
zum Rechner mehrere PCUs schalten, ohne dass sich die Anzahl der steuerbaren Rechner reduziert.

Marktübersicht

PCUs und PDUs sind Zubehör und werden entweder zusammen mit der Infrastruktur oder zusammen mit
dem IT-Equipment verkauft. Den Gesamtumsatz für Geräte dieser Art schätzen Experten weltweit auf
rund 150 bis 200 Millionen Dollar. Einige US-amerikanische Spezialanbieter wie Baytech, Servertech,
Dataprobe, Spektrum Control dominieren den Markt mit ihrer Eigenmarke oder mit OEM-Angeboten. Die
großen Markenhersteller von Servern (IBM, HP, Fujitsu-Siemens), die Hersteller von
19-Zoll-Schranktechnik (Rittal, Knürr, Schroff) sowie KVM-Switch-Spezialisten (Avocent, Raritan)
haben eigene oder als OEM lizenzierte PDU/PCUs im Angebot.

Hersteller von unterbrechungsfreien Stromversorgungen, in erster Linie APC, aber auch kleinere
Anbieter wie Tripp Lite oder Liebert bieten meist eine größere Produktbreite an PCUs an, die auch
in die Steuerung der unterbrechungsfreien Stromversorgungen dieser Hersteller integriert sind.

Nennenswert sind weiterhin einige kleinere Hersteller mit europäischer Bedeutung wie Leunig (D),
Neol (F), Infratec (D) oder Aphel (UK). Interessanterweise haben die taiwanesischen OEM-Hersteller
diese Produktkategorie noch nicht für sich entdeckt, was sich aber in den kommenden Quartalen
ändern dürfte. Viele der genannten Anbieter von Stromschaltleisten erwirtschaften ihren Hauptumsatz
allerdings nicht im Bereich der Rechenzentren, sondern in vertikalen Märkten wie Militär,
Telekommunikation oder Lichttechnik.

Aktuelle und künftige Entwicklungen

Stromschaltleisten haben sich in den letzten Jahren bereits von der reinen Stromverteilerschiene
zu multifunktionalen Steuereinheiten entwickelt, und es ist zu erwarten, dass sich dieser Trend
fortsetzt. Mit dem breiteren Einsatz der PCUs erhöhen sich die Anforderungen an Sicherheit,
Schnittstellen und Konfigurierbarkeit. Die derzeit meist proprietären Kommandozeilen auf der
seriellen oder Ethernet-Schnittstelle weichen standardisierten skriptfähigen Schnittstellen. Ein
Beispiel dafür bietet die Spezifikation der SMASH (Systems Management Architecture for Server
Hardware) Arbeitsgruppe innerhalb des Industriekonsortiums DMTF (Distributed Management Taskforce),
eines Zusammenschlusses nahezu aller Anbieter von professioneller IT-Elektronik. Deren SMASH/CLP
genannte Kommandozeilenspezifikation entstand ursprünglich zur Remote-Administration von Servern,
bietet aber aufgrund ihrer Flexibilität und des Einsatzes von XML als standardisierte
Beschreibungssprache enorme Vorteile auch als Steuerschnittstelle für immer intelligenter werdende
PCUs.

IPMI (Intelligent Plattform Management Interface), ebenfalls zur Fernadministration von Servern
entworfen und mittlerweile von allen namhaften Serverherstellern unterstützt, findet immer mehr
Verbreitung im IT-Markt und dürfte in absehbarer Zeit auch als Steuerschnittstelle für PCUs im
Angebot sein. Beide Schnittstellen bieten den Vorteil, dass Client-Software von Drittanbietern
nutzbar wird und eine Scripting-Schnittstelle zur Automation von Abläufen existiert. Gerade in
größeren Installationen ist das Konfigurieren und Steuern über grafische Weboberflächen nicht mehr
effizient und der Bedarf an skriptfähigen Schnittstellen enorm.

Verbesserungsbedarf besteht auch hinsichtlich der Sicherheit der PCUs. Immerhin ermöglicht ein
Zugriff auf die PCU das Abschalten mitunter unternehmenskritischer Rechner. Dies kann nicht nur zur
Unterbrechung von Arbeitsabläufen sondern durch das "harte" Abschalten der Stromzufuhr
gegebenenfalls auch zur Zerstörung oder "Verklemmung" von empfindlichen Speichermedien führen. Eine
Verschlüsselung der Kommunikation über moderne und als hinreichend sicher anerkannte
Codierverfahren sowie eine sichere Authentifikation der Geräte über Zertifikate sollten zu den
Standardfunktionen moderner PCUs gehören. Auch die Verwaltung und Authentifizierung von Nutzern
sowie die Zuordnung von Rechten beschränkt auf bestimmte Steckdosen vermisst man noch schmerzlich.
Anbindung an LDAP, Microsoft Active Directory oder Novell Edirectory wären ebenfalls wünschenswert
und sollten in künftigen Geräten zumindest bei den technisch führenden Anbietern integ-riert
werden.

Integration von Schranküberwachungsfunktionen

Die Erweiterung des Funktionsumfangs von PCUs wird zur Integration weiterer
Schranküberwachungsfunktionen führen. Gleichzeitig dürfte aber der zu erwartende Markteintritt
taiwanesischer Hersteller Druck auf die Preise ausüben. Die verstärkte Nutzung von IPMI direkt im
Server sowie der verstärkte Einsatz von Blade-Servern mit vergleichsweise weniger
Stromanschlusskabeln pro Server relativiert die Bedeutung der Stromschaltleisten als
Steuerungsinstrument zum Reset eines Rechners, da diese Funktion ohne zusätzliche Hardwarekosten
per IPMI erbracht wird. Die erhebliche Funktionsausweitung der Geräte hin zur kompletten
Schranküberwachung wird den PCUs aber ihren Platz im Rechnerschrank der Zukunft sichern.

Fazit: PCUs bleiben wichtig

Intelligente Stromschaltleisten (PCUs) haben sich von reinen Verteilern von Strom im
Rechnerschrank und einem eher opportunistischen Verkauf zusammen mit anderer Infrastrukturhardware
zu einem funktionsreichen Produkt mit einem eigenen Markt entwickelt. Besonders die Integration der
Stromverteilung und Stromschaltung mit weiteren Funktionen der Serverschranküberwachung
(Temperatur, Spannung, Strom, Luftfeuchte) machen diese Produkte zu einem sehr sinnvollen und
teilweise unbedingt nötigen Bestandteil einer modernen Rechnerinfrastruktur. Neue zu erwartende
Funktionen im Sicherheitsbereich sowie steigender Wettbewerb durch asiatische Anbieter werden zu
einem Preisdruck führen, der sich allerdings über umfangreichere Lösungskonzepte ausgleichen lässt.
Für eine gute langfristige Überlebensperspektive scheint im Übrigen gesorgt: Da die Schaltleisten
längst nicht mehr nur eine Ein- und Ausschaltfunktion haben, wird die verstärkte Nutzung von
Remote-Management-Techniken wie IPMI die Bedeutung dieser Technik – wenn überhaupt – nur wenig
reduzieren.


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