Managed VoIP-Services

Virtuelle TK-Anlage mit IP-Centrex

14. März 2007, 0:15 Uhr | Alexandra Ernst/pf Alexandra Ernst ist Director Advanced Voice Product Management International bei Verizon Business.

Centrex-Dienste - also das Outsourcing von TK-Infrastruktur - sind in Europa noch lange nicht so verbreitet wie etwa in den USA. Voice over IP macht solche Dienste jetzt aber auch hier attraktiv. "Hosted" oder "managed" VoIP-Services bilden eine Alternative zur eigenen (IP-)TK-Infrastruktur im Unternehmen. Der Beitrag beschreibt unter anderem Einsatzaspekte und Migrationsszenarien für IP-Centrex.

Die Fachwelt ist sich einig, dass die künftige Kommunikation auf Grundlage von IP erfolgen soll.
Dabei erobern Services wie "IP-Centrex" mehr und mehr die TK-Landschaft der Unternehmen. Bei
IP-Centrex erfolgt ein komplettes Outsourcing der TK-Anlage. Der Telefonieserver steht beim
Netzbetreiber, während im Unternehmen lediglich die Endgeräte installiert sind. Entwickelt in den
60er-Jahren, bedienen Centrex-Lösungen heute in den USA und Kanada etwa jede vierte
Nebenstelle.

Mit dem verbreiteten Einsatz von Voice over IP rückt diese Outsourcing-Variante auch in Europa
zunehmend ins Blickfeld filialisierter Unternehmen. Nach einer Studie von Frost & Sullivan
sollen die Erlöse aus VoIP-Services bis 2008 allein in Europa auf 1,23 Milliarden Euro ansteigen.
IP-Centrex wird hierbei voraussichtlich über die Hälfte des Gesamtmarkts einnehmen. Insbesondere
mittelständische Betriebe aber auch große, speziell multinationale sowie globale Firmen profitieren
von der Möglichkeit, den Service von einem Provider zu beziehen, um so alle Vorteile der Anbindung
an den IP-Backbone des Netzdienstleisters nutzen zu können.

Virtuelle Telefonnebenstellenanlage

IP-Centrex steht für "Central Exchange" und beschreibt eine zentrale Vermittlungsstelle, die
Sprachdienste für mehrere Nutzer bereitstellt. Diese ist über Applikationsarchitekturen im
Betreibernetz realisiert. Je nach Unternehmensgröße mieten Anwender lediglich die gewünschte Anzahl
der Anschlüsse mit dem vereinbarten Funktionsumfang an. Die TK-Anlage existiert aus Sicht des
Nutzers somit nur noch virtuell. Unternehmen benötigen keine eigene Telefonanlage mehr, sondern
können sich über das Internet per IP-Telefon verbinden lassen. Dabei kann eine virtuelle
Telefonanlage durchaus den Leistungsumfang herkömmlicher moderner Telefonanlagen abdecken.

Die hierfür erforderliche Hardware ist in die Netzarchitektur des Dienstleisters integriert, der
auch das Management der Anrufe übernimmt und für Dienste wie Voice-Mail, Callcenter oder Unified
Messaging spezielle Server betreibt. Dank der Funktion "Remote Office" können Anwender von jedem
Ort aus flexibel arbeiten. Nutzer mieten lediglich die Funktionen, die sie tatsächlich brauchen,
und konfigurieren die virtuelle Telefonanlage über den Webzugang. Das Technologierisiko liegt somit
ganz beim Provider, der Leitungsnetze und Endgeräte inklusive aller anfallenden Software-Upgrades
sowie Reparatur- und Wartungskosten im Rahmen des Standarddienstes zur Verfügung stellt. Der
Netzbetreiber sorgt an zentraler Stelle für den Übergang in das öffentliche Telefonnetz und die
Unterstützung eines Sprachtelefondienstes in gewohnter Form. Zudem übersetzt er IP-Adressen in
Rufnummern und stellt die gewünschten Zusatzdienste zur Verfügung. Alle IP-Sprachpakete werden
zwischen Firmennetz und Centrex-Dienstleister über eine einfache Router-Anbindung ausgetauscht.

Tests und Migration

In der Regel vergehen zwischen dem ersten Kontaktgespräch des Anwenders und ersten
Performance-Tests zwei bis drei Monate. Grundsätzlich spielt es bei der Migration keine Rolle, ob
IP-Centrex an einem Standort oder in mehreren Niederlassungen zum Einsatz kommt: Je nach den
benötigten Kapazitäten stellt der Provider die Lösung ohne zahlenmäßige Anschlussbeschränkung der
Teilnehmer bereit. So lassen sich bei der Gründung neuer Vertriebs-, Lager- oder
Produktionsniederlassungen weitere Teilnehmer nach Bedarf hinzufügen und über webbasierende
Administrations-Tools standortunabhängig verwalten. Der Dienst bietet sich unter anderem auch für
Unternehmen an, die VoIP in kleineren Niederlassungen zunächst "testen" wollen. Weitere Abnehmer
sind häufig auch Unternehmen mit einer traditionellen TK-Anlage und länger laufenden
Wartungsverträgen. Hier bietet sich als Lösung an, einen Router vor Ort zu ins-tallieren und den
Sprachverkehr über VoIP abzuwickeln.

Prinzipiell stellen Netzwerkdienstleister vor Vertragsabschluss im Rahmen eines Basistests
zunächst sicher, dass der Anwender die Qualitätsvoraussetzungen für eine VoIP-Business-Applikation
erfüllen kann. Tests überprüfen, ob die Bandbreite des Unternehmens-LANs ausreicht, um die
gewünschte Anzahl der VoIP-Endgeräte und die Leistungsmerkmale abzudecken. Voraussetzung für den
Einsatz eines Centrex-Dienstes ist dabei eine stabile IP-Verbindung ohne Paketverluste und
Laufzeitschwankungen (Jitter 4,4 bis 4,6 Millisekunden). In puncto Sprachqualität darf der so
genannte Mean Opinion Score (MOS) nicht unter einen Wert von 3,9 fallen, und die maximale Latenz
muss 30 Millisekunden betragen. Nach der Klärung der technischen Voraussetzungen sind die
Vertragsmodalitäten zwischen dem Anwender und dem Provider abzustimmen. Eine klar definierte
Leistungsbeschreibung regelt Eckpunkte wie Laufzeit, Netzqualität, Verfügbarkeit, Ausfallsicherheit
und Hardwareaustausch.

Der technische Migrationsprozess läuft in der Praxis unterschiedlich ab und richtet sich
zunächst beispielsweise danach, ob es sich bei der Anschaltung um eine neue Niederlassung handelt
oder etwa noch eine herkömmliche Telefonanlage im Einsatz ist. Steht die grundsätzliche
Entscheidung, eine IP-Lösung einzusetzen, überprüfen Servicetechniker, ob das Netz genügend
Kapazität zur Verfügung stellt. Erfüllt das LAN die technischen Voraussetzungen nicht, begutachten
Techniker vor Ort, wie die Verkabelung in den Geschäftsräumen gestaltet ist, um Schwachstellen der
TK-Infrastruktur zu identifizieren und für hohe Sprachqualität bei der Übertragung von VoIP-Daten
(Quality of Service) zu sorgen. Schließlich müssen sich Unternehmen mit einer großen Anzahl von
Nebenstellen darauf verlassen können, dass alle Teilnehmer über die gleiche Qualität und die
gleichen Leistungsmerkmale verfügen.

Vor der kompletten Migration testet der Anwender zunächst einen Teilbereich mit einer begrenzten
Anzahl von Telefonen probeweise. Nach der Migration innerhalb einer einzelnen Niederlassung lassen
sich die Kapazitäten sukzessive erweitern. Je nach den länderspezifischen regulatorischen
Gegebenheiten und den Kundenbedürfnissen lassen sich in der Migrationsphase hierfür vorübergehend
separate Rufnummern vergeben. Einen Königsweg bei der Realisierung gibt es allerdings nicht. So
sollte beim Umstieg auf Voice over IP und IP-Centrex neben der umfassenden Analyse der existenten
Infrastruktur auch die der unternehmensspezifischen Entwicklung vorangehen.

Betrieb und Wirtschaftlichkeit

Centrex auf der Basis von SIP besitzt großes Potenzial und bietet vielfältige Vorteile. Die
erforderliche Technologie wird im Netz des Carriers bereitgestellt, sodass eine Kapitalinvestition
in die Hardware und die Applikationen entfällt. Die Auslagerung an den externen Anbieter spart
zudem Investitionen in Softwareanwendungen ebenso wie umfangreiche Installati-onen auf eigenen
Servern. Auch entfallen der Aufbau von Know-how und die Kosten für die Wartung und Pflege der
Anlage. Gerade die Kosten für den laufenden Betrieb einer TK-Anlage können erheblich sein, wenn man
die Gesamtkosten inklusive erforderlicher Hardware- und Software-Updates einberechnet. Dank Managed
VoIP-Services lassen sich zudem häufig bessere Servicequalitäten erreichen, als diese beim
Eigenbetrieb der Anlage möglich wären.

Dass die zugrunde liegende Technik im Netz des Dienstleisters bereitgestellt wird, ist in der
Praxis für den Anwender nicht zu spüren. IP-Centrex-Dienste sorgen damit für die nötige
Flexibilität im heutigen sich rasch verändernden Geschäftsumfeld. Umzüge innerhalb der
Unternehmensstruktur, zusätzliche Telefone oder die Einbindung von Home-Office-Arbeitsplätzen sind
auf einfachste Weise "per Mausklick" realisierbar. Der IP-Centrex-Zugang ist ortsunabhängig, die
Systeme sind frei skalierbar und für den Anwender in vielen Fällen kosteneffizienter als die eigene
TK-Anlage im Haus. Durch Service Level Agreements, in denen speziell die Verfügbarkeit, die
Latenzzeit oder die Packet-Delivery-Verpflichtung definiert sind, ist letztendlich sichergestellt,
dass der VoIP-Dienst in allen Belangen der Qualität der klassischen Sprachtelefonie entspricht.

Experten sind sich einig, dass sich Voice-over-IP-Lösungen mehr und mehr in den Unternehmen
etablieren werden. Der Kostendruck und die dynamischen Veränderungen am Markt zählen zu den
Technologietreibern. Dabei unterstützen Hosted-Lösungen wie IP-Centrex die Entwicklung aufgrund
messbarer Effizienzsteigerungen, hoher Skalierbarkeit und der Möglichkeit der sanften
Migration.


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