Vor der Einrichtung größerer WLAN-Umgebungen steht traditionell der Site Survey zur Kartierung der Funkabdeckung und zur optimalen Positionierung von Access Points. Den Anforderungen moderner Wireless-Infrastrukturen wird diese einfache Methode allerdings kaum mehr gerecht. Client- und anwendungsspezifische Testmethoden sind gefordert, um aussagekräftige Prognosen für das Verhalten geschäftskritischer Funknetze zu erhalten.
In den letzten Jahren hat eine zunehmende Vielfalt von Smartphones, Tablet-PCs, Scannern, Druckern, medizinischen und anderen Spezialgeräten nicht nur den Bedarf für drahtlosen Zugang wachsen lassen, sondern auch die Ansprüche an dessen Qualität. Da mobile Anwendungen inzwischen in allen Einsatzbereichen - von der Patientenbetreuung bis zu Einzelhandels- und Finanztransaktionen - zu finden sind, können Unternehmen ein zuverlässiges und hochleistungsfähiges Wireless LAN nicht länger nur als "nice to have" ansehen. So müssen moderne WLANs heute nahtlos und kompromisslos eine Mischung unterschiedlichster Nutzer bedienen können mit teils hoch anspruchsvollen Anwendungen - sogar solchen, die etwa im medizinischen Bereich über Leben und Tod entscheiden.
Viele IT-Administratoren stehen daher vor gewaltigen neuen Herausforderungen, da drahtlose Geräte vermehrt zum Einsatz kommen und zugleich die Erwartungen der Anwender an perfekte Arbeitsbedingungen und damit höchstmögliche "Quality of Experience" (QoE) steigen. Dabei bringt jeder zusätzliche Mobil-Client sein individuelles "Networking"-Verhalten in die bestehende WLAN-Umgebung mit und kann im schlimmsten Fall die Leistung anderer Geräte in der näheren Umgebung sowie des Netzwerks selbst dramatisch beeinflussen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich das Verhalten aktueller 802.11n-Funknetze stark vom dem früherer WLAN-Generationen unterscheidet und entsprechend zu berücksichtigen ist.
Die QoE bei drahtlosen Verbindungen kann stark von bestimmten Variablen beeinflusst sein - zum Beispiel, wann und wie einzelne Clients Roaming durchführen und wie sie Access Points (APs) in ihrer Umgebungen auswählen. Selbst geringfügige Variationen beim Ablauf einer WLAN-Bereitstellung können daher erheblichen Nachbesserungsbedarf und teure Verspätungen zur Folge haben. Schlimmer noch: Unter den Erwartungen liegende Leistungen in der Startphase eines IT-Projekts können nachhaltig das Vertrauen der Endbenutzer in neue oder aufgerüstete Systemumgebungen untergraben.
Um die Qualitätsbedürfnisse der Anwender zu erfüllen und gleichzeitig die Komplexität von 802.11n zu meistern, empfehlen sich für IT-Fachkräfte neue "Best Practices" für Design, Bereitstellung und Evaluierung von WLANs. Diese aktuell aufkommenden Verfahren beziehen sich auf Erprobung, Benchmarking und Eignungstest neuer Netzwerke und Geräte in den Planungsphasen, aber auch während des laufenden Betriebs, wenn sich die technischen Anforderungen oder die Geschäftsumgebung weiterentwickeln.
Aussagekräftiges Site Assessment
Bis vor Kurzem bestand das Testen vor der Bereitstellung von WLAN-Installationen hauptsächlich aus so genannten Site Surveys, um einen Lageplan für die beste Platzierung der Access Points zu erstellen. Einfache Tools für diese Aufgabe messen (RF-)Funkleistungspegel (RF, Radio Frequency) und Gleichkanal-Interferenzen an jeder Stelle der zu begutachtenden Umgebung. Auf dieser Basis erfolgt eine grobe Schätzung von (PHY-)Bruttodatenraten, effektiven Download-Geschwindigkeiten, Sprachqualität und anderen Aspekten, die für den Endnutzer relevant und spürbar sind. Statistiken der RF-Sendeleistung stellen die Funkabdeckung grafisch dar und bieten einige grundlegende Einblicke in die Empfangsbedingungen, die ein Client-Gerät bei den geplanten Access Points wahrscheinlich erwarten kann. Diese rudimentären Tests entsprechen jedoch nicht dem, was heute von umfassendem Benchmarking und einer aussagekräftigen Standortbegutachtung zu leisten ist. Um den Erfolg einer geschäftskritischen Installation zu sichern, müssen bereits Tests vor der Bereitstellung die späteren Leistungswerte prognostizieren und zudem wichtige Entscheidungen beeinflussen können - etwa für Hersteller- und Geräteauswahl, SLA-Definition (SLA, Service Level Agreement), Kapazitätsplanung sowie Troubleshooting und Problemlösungen.
IT-Abteilungen können es sich nicht länger leisten, nur auf Datenblätter oder Aussagen der Anbieter zu vertrauen, die meist auf Tests unter Idealbedingungen beruhen. Um den heutigen Herausforderungen der WLAN-Bereitstellung gewachsen zu sein, müssen sich traditionelle Site Surveys stattdessen zu regelrechten "Site Assessments" weiterentwickeln, die über entscheidende, neue Fähigkeiten im Vergleich zu den bisherigen rudimentären Abdeckungstests verfügen.
Die Perspektive der Endnutzer
Wirkliche Site Assessments müssen QoE aus der unmittelbaren Perspektive des Endnutzers messen. Diese Änderung der Philosophie beinhaltet eine strategische Migration von netzwerkspezifischen zu Client-spezifischen Tests. Eine neue Messmethodik führt dabei zwei entscheidende Komponenten ein:
die Installation nicht-invasiver Softwareagenten auf Client-Geräten, um Leistungsdaten erfassen zu können sowie
die Generierung von Datenverkehr, um das Equipment unterschiedlichen Client-Mischungen und realen Bedingungen auszusetzen.
Ohne die Fähigkeit, Client-Datenverkehr in realem Umfang zu generieren, erweist sich die Logistik eines Site Assessments als scherfällig, und die Ergebnisse wären unzuverlässig. Administratoren wären während ihrer Ortsbegehung darauf beschränkt, mit "Wagen voller Laptops" Einzelpunkte ad hoc zu messen, ohne Skalierungen simulieren oder Tests wiederholen zu können, um die ursprünglichen Ergebnisse zu validieren.
Durch den zusätzlichen Einsatz Client-basierender Messungen und entsprechender Generierung von Datenverkehr lässt sich QoE für einzelne Services und Anwendungen in geeigneten Messgrößen für jeden Anwendungstyp erfassen - wie etwa Downloads aus dem Internet, VoIP-Telefonate und Video-Streaming. Zum Beispiel ist Sprachqualität nur dann schlüssig zu beurteilen, wenn der so genannte MOS-Wert (Mean Opinion Score) gemessen wird, während die Qualität des Internet-Surfens über die effektive Download-Geschwindigkeit pro Seite zu bewerten ist.
Der Übergang zu einem Client-zentrierten Messmodell beschleunigt und verbessert auch das Troubleshooting, da sich die verantwortliche Quelle für eine schlechte Performance schnell isolieren und zum Netzwerk oder zu einzelnen Clients zurückverfolgen lässt. Dies vermeidet umfangreiches systematisches Ausprobieren, das in der Praxis oft mit ungerechtfertigten Schuldzuweisungen, Wiederholversuchen und Anwenderbeschwerden verbunden ist.
Um ein echtes Bild über die Koexistenz von Clients zu erhalten, ist es notwendig, die aktuellen Client-Geräte zu testen und bezüglich ihrer Interoperabilität zu vergleichen. Auch für die Beurteilung der Vor- und Nachteile neuer Client-Typen in einer bestehenden Netzwerkumgebung ist es unerlässlich, die tatsächliche Mischung des Datenverkehrs und die realen Verkehrsbedingungen zu generieren.
Für einen genauen und objektiven Vergleich sollte die Messlösung konkurrierende Client-Geräte gleichzeitig und in einem einzigen Durchlauf am gesamten Standort bewerten. IT-Administratoren können so schnell Anforderungen überprüfen, um die Herstellerauswahl zu optimieren, und zugleich Daten erfassen, die der Festlegung des Service-Levels und der Rechenschaftspflicht der Anbieter dienen.
Modellierungskapazität vs. Abdeckung
Ein umfassendes Site Assessment muss die Generierung von wirklichem Client-Datenverkehr schon deshalb beinhalten, um Skalierbarkeit und allgemeine Kapazitätsplanung zu überprüfen und zu evaluieren. Ohne realen Verkehr und potenziell inkompatible Clients ergibt die Messung der RF-Abdeckung zwischen WLAN-fähigen Endgeräten und WLAN-APs wenig Information, um das Leistungsniveau, das Nutzer von geschäftskritischen Anwendungen tatsächlich erwarten können, vorherzusagen oder gar zu gewährleisten. Da reale Netzwerke meist stark ausgelastet sind, müssen IT-Fachkräfte die QoE der Endnutzer zudem unter vordefinierten Belastungen messen, die charakteristisch für die spezifischen Bedürfnisse des Unternehmens oder für das jeweilige Branchenprofil sind.
Über die Bewältigung der schieren Anzahl und Mischung von Clients hinaus benötigen IT-Architekten auch ein Mittel, das in die Zukunft blickt und die Auswirkungen von Wachstum und möglichen technischen Weiterentwicklungen abschätzt. Neben den aktuell vorhandenen Clients sind dann zusätzliche WLAN- und Ethernet-Clients zu generieren und in den Untersuchungsbereich einzubringen, um die Leistungsfähigkeit der gesamten Netzwerkumgebung in möglichen Zukunftsszenarien zu erkunden.
"Was wäre wenn"-Tests
Vorausschauendes Troubleshooting oder "Was-wäre-wenn"-Tests sind unerlässlich, wenn es um die Weiterentwicklung des Netzwerks geht: Dies reicht von einfachen Aspekten wie der Einführung von Produkt-Upgrades bis hin zur Modellierung zusätzlicher, besonders anspruchsvoller Anwendungen wie etwa Video, Patientenüberwachung oder Wertpapierhandel. Die Verantwortlichen sollten sowohl Koexistenz- als auch individuelle Performance-Tests für jede geplante Ergänzung durchführen.
Praktische Tipps
Die Nutzung dieser neuen "Best Practices" sowie ein höheres Maß an Erkenntnissen und Automation führen zu einer einfacheren und ausgereifteren Beurteilung der WLAN-Leistung und des Standorts - beides bringt IT-Administratoren Vorteile. Dennoch könnte denjenigen, die im Wireless-Testen weniger versiert sind, ein Lernprozess bezüglich der Feinheiten in der WLAN-Technik bevorstehen.
Wie bereits erwähnt, variieren die Fähigkeiten unterschiedlicher mobiler Client-Typen sehr: Während Notebooks mit hoher Wahrscheinlichkeit über Adapter mit 802.11n 3×3 MIMO (Multiple Input Multiple Output) und Smartphones über 802.11n 1×1 oder 2×2 MIMO verfügen, können branchenspezifische Geräte wie Monitore zur Patientenüberwachung oder Scanner durchaus mit altem 802.11b- oder 802.11g-Equipment arbeiten.
Datenaufkommen und Übertragungsraten werden ebenfalls verschieden sein - etwa im Vergleich von alten 802.11a/b/g - mit modernen 802.11n-High-Throughput-(HT-)Netzwerken, möglicherweise auch zwischen 2,4-GHz- und 5-GHz-HT-Netzen. Solche Unterschiede sind zu berücksichtigen, wenn realistische Belastungstests durchzuführen und die Leistung für relevante Anwendungen zu evaluieren ist.
Die Analyse eines Standorts auf WLAN-Einsatzbereitschaft muss zudem das kabelgebundene Netzwerk einbinden, da umfassendes Testen auch den Datenverkehr vom und zum verkabelten Teil des Netzwerks beinhaltet. Dabei gehört es zur guten Praxis, "Baseline"-Messungen mit einem stationären Server durchzuführen, um das Leistungsvermögen des verkabelten LANs zu testen.