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Exklusiv-Interview

»Wir haben früher zu technisch argumentiert«

»Wir haben früher zu technisch argumentiert«: Seit dem Platzen der Dot-Com-Blase durchlief Sun Microsystems eine lange Durststrecke. Unter dem neuen CEO Jonathan Schwartz will das Unternehmen nun dauerhaft in die Gewinnzone zurückkehren, wie Deutschlandchef Marcel Schneider im CRN-Gespräch erläutert. Der Sun-Geschäftsführer sprach mit den Redakteuren Martin Fryba und Michael Hase über den geplanten Personalabbau und die neue Java-Strategie.

Autor:Michael Hase • 6.7.2006 • ca. 2:50 Min

Inhalt
  1. »Wir haben früher zu technisch argumentiert«
  2. »Wir haben früher zu technisch argumentiert« (Fortsetzung)
  3. Kommentar

CRN: Als Jonathan Schwartz vor sechs Wochen als neuer CEO von Sun antrat, schloss er einen größeren Personalabbau noch aus. Nun streicht das Unternehmen doch bis zu 5.000 Jobs. Hat Sie die aktuelle Entscheidung überrascht?

Schneider: Wir haben eine solche Reorganisation von Jonathan Schwartz und dem zurückgekehrten CFO Mike Lehman erwartet. Auf der anderen Seite gab es Stimmen von Analysten, die uns nahe legten, 20 bis 30 Prozent der Mitarbeiter zu entlassen. In großem Stil Personal abzubauen, bringt uns jedoch nichts, denn wir haben eine klare Wachstumsstrategie. Mit dieser Reorganisation tun wir den entscheidenden Schritt, um die Umsatzentwicklung mit den Kostenstrukturen in Einklang zu bringen.

CRN: Inwieweit betrifft die Reorganisation Ihren Verantwortungsbereich?

Schneider: Die Auswirkungen für Deutschland können wir noch nicht nennen. Dazu ist es noch zu früh.

CRN: Tatsächlich hat Sun nach wie vor ein Kostenproblem. Im abgelaufenen Quartal wies das Unternehmen erneut einen Verlust aus.

Schneider: Was die Profitabilität angeht, müssen wir tatsächlich besser werden. Aber im Kern ist Sun ein gesundes Unternehmen mit einer hohen Eigenkapitalquote und über 4,5 Milliarden Dollar an Barmitteln. Natürlich wollen wir uns steigern und künftig wieder Profite ausweisen. Analysten bestätigen uns, dass wir eine schlüssige Strategie haben. Von den Produkten her sind wir sensationell positioniert. Wo es bisher haperte, war bei der Umsetzung. Mit dem Wechsel an der Spitze haben wir allerdings deutlich gemacht, dass wir den Fokus künftig stärker auf die Execution legen und uns dort massiv verbessern wollen.

CRN: Ihr Unternehmen hat auf seiner Hauskonferenz »Java One« im vergangenen Monat angekündigt, die Java-Technologie künftig in Richtung Open Source zu öffnen. Die Community fordert diesen Schritt seit langem – bisher vergeblich. Warum jetzt also doch?

Schneider: Open Source ist ein Eckpfeiler unserer Strategie. Zum einen gewinnen wir über Open Source enorm an Innovationskraft. Zum anderen wollen wir damit die Standardisierung in der IT vorantreiben. Wir wollen Java zu einem Standard machen. Denn über die Standardisierung steigt die Nachfrage nach Architekturen. Und wir sind ein Anbieter von Architekturen.

CRN: Dennoch hat sich Sun recht lange geziert, die Kontrolle über Java zu lockern.

Schneider: Sun beschreitet einen evolutionären Weg. Wir haben schon einige Produkte open-sourced wie den Portal-Server oder unser Betriebssystem als Open Solaris. Sobald sich eine Komponente zum Standard entwickelt, ist es sinnvoll, sie in die Open Source Community zu geben, um deren Innovationskraft zu nutzen. Den Weg gehen wir jetzt weiter, indem wir Java schrittweise zu Open Source machen. Wir stellen Java allen Linux-Distributoren zur Verfügung, so dass sie die Java-Laufzeitumgebung mit dem Betriebssystem bündeln können. Damit treiben wir die Verbreitung von Java voran.

CRN: Nach den Worten von Jonathan Schwartz hängen inzwischen große Teile des Umsatzes direkt oder indirekt von Java ab. Selbst Partner fragen sich, ob Sun eine Hardware oder eine Software-Company ist.

Schneider: Sun ist eine Architektur-Firma. Mittlerweile stecken wir 70 Prozent unseres Forschungs- und Entwicklungsbudgets in Software. Nicht weil Sun ein Software-Unternehmen werden will, sondern weil Software-Komponenten ein immer wichtigerer Bestandteil der Architekturen werden. Die Probleme, die Kunden heute haben, lösen wir nicht mehr mit Eisen, sondern mit Software.

CRN: Ist in dem Licht auch der Schritt zu sehen, die Server-Sparten zusammenzulegen, die bei Sun bislang nach Prozessor-Typen getrennt waren?

Schneider: Ja. Unsere Kunden interessiert heute weniger die Hardware, die hinter einer Lösung steckt. Tatsächlich entfallen von den IT-Betriebskosten nur acht Prozent auf Hardware. Selbst wenn Server mit einem besseren Preis-Performance-Verhältnis zum Einsatz kommen, lässt sich daher gar nicht so viel sparen. Aber wenn Unternehmen den IT-Betrieb durch Standardisierung der Architekturen, durch Virtualisierung der Rechenressourcen vereinfachen, können sie massive Einsparungen erzielen. In den Architekturen und in der Middleware steckt heute die Komplexität, und dort können wir mit der »N1 Architektur« und dem »Java Enterprise System« einen Mehrwert bieten. Darin sehen wir die Chance, uns vom Wettbewerb zu differenzieren.