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AWS re:Invent 2025

Partnerstrategie im Zeitalter der KI-Agenten

Auf der AWS re:Invent 2025 standen neben neuen KI-Agenten vor allem die Chancen für Systemintegratoren, MSPs und ISVs im Mittelpunkt – insbesondere bei Sovereign Cloud und agentenbasierten Lösungen.

Autor: Dr. Jakob Jung / Redaktion: Michaela Wurm • 16.12.2025 • ca. 4:20 Min

Großes Interesse bei Partnern und Kunden auf der re:Invent 2025
© AWS

Während AWS-CEO Matt Garman in seiner Keynote auf der re:Invent 2025 autonome KI-Agenten als den nächsten Wendepunkt im Cloud Computing proklamierte, machte Amazon Web Services hinter den Kulissen deutlich: Ohne Partner wird diese Vision nicht umsetzbar sein. Auf der re:Invent 2025 kündigte AWS Investitionen in sein Partner-Ökosystem an und verspricht eine deutliche Vereinfachung der Zusammenarbeit.

Sieben Dollar Partnerumsatz für jeden AWS-Dollar

Rishi Bhaskar, Director of Worldwide Public Sector Partner Sales bei AWS, bezifferte den Multiplikator-Effekt konkret: Pro einem Dollar AWS-Umsatz generieren Partner sieben Dollar Umsatz. Ein Großteil der AWS-Lösungen wird über Partner vertrieben, die verschiedene Verticals abdecken – von Government über Healthcare und Education bis zu Non-Profit-Organisationen.

Die neue Partnerstrategie setzt auf Klarheit und Einfachheit. AWS hat die Anreizprogramme überarbeitet und das Feedback sei durchweg positiv, so Bhaskar. Besonders Managed Service Provider stehen im Fokus: „Die meisten Implementierungen sind komplex, Endkunden benötigen Support. Partner sollten Managed Services anbieten", betonte er. Das Partner Growth Initiative-Programm bietet gezielte Anreize für Partner, die ihr Serviceangebot erweitern.

Die Erfolgsquote spricht für sich: Wenn AWS Partner mit Kundenproblemen zusammenbringt, liegt die Close-Rate bei 67 Prozent. Das Business Outcome Accelerator-Programm und die Migration Incentives helfen dabei, diese Verbindungen systematisch herzustellen.

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Agentenbasierte Lösungen als Wachstumsfeld

Die auf der Messe vorgestellten KI-Agenten eröffnen Partnern neue Geschäftsfelder. Amazon Bedrock AgentCore, dessen Software Development Kit (SDK) in fünf Monaten über zwei Millionen Mal heruntergeladen wurde, ermöglicht Partnern den Aufbau komplexer Agentensysteme für ihre Kunden. Die Plattform bietet nun Policy-Funktionen mit der Open-Source-Sprache Cedar, die Entwicklungs-, Sicherheits- und Compliance-Teams zugänglich sind.

Bei einem Partner-Forum mit über 250 Teilnehmern stand die Frage im Mittelpunkt: Wie lassen sich agentenbasierte Lösungen von Proof-of-Concepts in die Produktion bringen? Die Integration des Kiro Autonomous Agent, der natürliche Sprache in Code übersetzt, wurde live demonstriert. „Die Demo zeigte, wie einfach es ist", berichtete Bhaskar. Der Agent unterstützt Entwickler bei der Codeentwicklung und wurde in einem Jahr von 100.000 Entwicklern eingesetzt. Startups erhalten eine kostenlose einjährige Lizenz.

Für Partner bieten die drei neuen autonomen Agenten – Kiro für Entwicklung, Security Agent für Penetrationstests und DevOps Agent für den gesamten Entwicklungszyklus – konkrete Integrationspunkte in ihre Serviceportfolios.

AWS-CEO Matt Garman in seiner Keynote auf der re:Invent 2025
AWS-CEO Matt Garman in seiner Keynote auf der re:Invent 2025
© AWS

Modernisierung schafft Projektvolumen

AWS Transform, der KI-gestützte Modernisierungsdienst, eröffnet Partnern erhebliche Projektvolumina. Asa Kalavade, VP Migration bei AWS, berichtete, dass das im März gestartete Tool bereits mehr als 8.100 Stunden eingespart hat. Die Erweiterung um Java-Modernisierung, die fünfmal schneller arbeitet, und Windows-Modernisierung mit 70 Prozent Lizenzkosteneinsparung schaffen neue Beratungsbedarfe.

Das System kombiniert 19 Jahre Migrationserfahrung mit KI und nutzt mehrere Large Language Models. Sechs neue Agenten unterstützen die Mainframe-Modernisierung. „Die Lösung kombiniert Automatisierung mit menschlicher Kontrolle. Menschen setzen Ziele und können Prozesse anpassen", erklärte Kalavade. Die Integration einer Command-Line-Schnittstelle mit Coding-Agenten schafft Synergien zwischen Agenten und Experten.

Für traditionelle Systemintegratoren bedeutet dies: Die Expertise wandert von manueller Migration zu strategischer Beratung und Prozesssteuerung. Ein BMW-Projekt modernisierte einen Mainframe in wenigen Monaten – ein Zeitrahmen, der ohne KI-Unterstützung undenkbar gewesen wäre.

Sovereign Cloud als europäische Chance

Die europäische Sovereign Cloud steht kurz vor dem Start und bietet Partnern spezifische Wachstumschancen. AWS plant dedizierte Local Zones mit strengen Compliance- und Souveränitätsanforderungen. Partner wie SAP, Salesforce, Pega und Adobe haben bereits zugesagt. Bhaskar identifizierte Sovereign Cloud neben agentenbasierten Lösungen als einen der großen White-Space-Bereiche.

Matthias Vallentin, CEO des deutschen Cybersecurity-Startups Tenzir aus Hamburg mit zehn Mitarbeitern, berichtete von überwältigendem Interesse an der Sovereign Edition seines Datenverarbeitungssystems. „Die Sovereign Edition findet den größten Anklang. Der Operations Overhead ist ein entscheidendes Requirement", sagte Vallentin. Deutsche Behörden und große Fortune-1000-Unternehmen, aber auch US-Regierungsstellen, fragen die Sovereign Edition nach.

Tenzir, 2017 gegründet und derzeit cashflow-neutral mit einer geplanten Finanzierungsrunde im ersten Quartal, ist seit kurzem im AWS Marketplace integriert. Das Unternehmen plant, seine Go to Market (GTM) Aktivitäten in Europa auszubauen und anschließend in die USA zu expandieren. Die Integration in Amazon Elastic Kubernetes Service (EKS) steht auf der Roadmap, ebenso wie Role-Based Access Control und weitere Enterprise-Features.

Vallentin betonte die Bedeutung spezialisierter Partner: „Partner sollten Kundenprobleme verstehen und adressieren. Sie sollten nicht nur SIEM managen, sondern das Onboarding der Daten, Pipelines, Analytics und Detection Response übernehmen. Das bietet riesiges Potenzial für Differenzierung." Referenzkunden wie Swiss Post Cyber Security und der MDR-Provider Hunt & Hackett zeigen das Potenzial.

AWS re:Invent 2025
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Kompetenzprogramme erweitert

AWS hat seine Kompetenzprogramme ausgebaut und bietet nun mehr als zwölf Spezialisierungen an, darunter Sovereign Cloud und GenAI. Partner mit vier oder mehr Kompetenzen generieren 25 Prozent mehr Umsatz. Das Co-Sell-Ready-Programm ermöglicht qualifizierten Partnern direkten Zugang zu AWS-Vertriebsteams.

Das Partner-Netzwerk ist breit aufgestellt und reicht von Startups bis zu großen ISVs und Systemintegratoren. AWS ist offen für neue Partner in allen Kategorien. Distributoren spielen eine Schlüsselrolle bei der Skalierung: AWS hat ein neues Programm mit verstärktem Fokus aufgelegt, um Tausende von Partnern zu erreichen.

Bei spezifischen Public-Sector-Events bringt AWS bis zu 10.000 Partner und Kunden zusammen. Partner-Foren mit mehreren hundert Teilnehmern diskutieren konkrete Fragen: Wie lässt sich die Modernisierung beschleunigen? Wie bringt man Agenten von Proof-of-Concepts in die Produktion?

Horizontale Lösungen und vertikale Spezialisierung

Die Partnerstrategie balanciert horizontale Plattformlösungen mit vertikaler Spezialisierung. Bhaskar nannte Citizen Services und globales Healthcare als horizontale Bereiche mit erheblichem Potenzial für agentenbasierte Lösungen. Bei Contact-Center-Lösungen arbeitet AWS mit traditionellen Integratoren zusammen, um Amazon Connect zu implementieren – eine der internen AWS-Anwendungen, die nun auch Kunden nutzen können. Die Pain Points variieren je nach Vertical, aber Modernisierungsgeschwindigkeit ist durchgängig ein Thema.

Die Database Savings Plans, die Kosteneinsparungen von bis zu 35 Prozent bei einjähriger Verpflichtung bieten, schaffen für Partner Argumentationshilfen bei der Cloud-Migration. Die Pläne gelten automatisch für Aurora, RDS, DynamoDB, ElastiCache, DocumentDB, Neptune, Keyspaces, Timestream und den Database Migration Service.

AWS-CTO Werner Vogels
AWS-CTO Werner Vogels
© AWS

AWS-CTO Werner Vogels hielt nach 14 Jahren seine letzte Keynote und stellte das Konzept des Renaissance-Entwicklers vor. Seine Botschaft „You build it, you own it" gilt auch für Partner: Wer Lösungen entwickelt, trägt die Verantwortung – und erntet die Früchte. Die re:Invent 2025 zeigte: AWS setzt auf ein gestärktes Partner-Ökosystem als Multiplikator für die nächste Wachstumsphase.