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Das Business zieht wieder an

Das Business zieht wieder an. Jochen Moll, IBMs Softwarechef im deutschsprachigen Raum, erörtert im Gespräch mit InformationWeek-Redakteur Werner Fritsch seine Strategien.

Autor:Redaktion connect-professional • 16.3.2005 • ca. 6:00 Min

Jochen Moll, Vice President IBM Software Group, EMEA ­Central Region

Das Business zieht wieder an

Herr Moll, bei IBM gibt es einen Begriff, der alles zusammenbinden soll: On Demand. Wie spiegelt sich das in Ihrem Verantwortungsbereich wider?
Bei der Software sind Flexibilität, Zusammenspiel der Produkte, Reduzierung der Kosten und schnellerer Return on Investment gefragt. Und dahinter verbirgt sich letztlich das Thema On Demand. Denn es geht darum, die Anwender möglichst schnell in die Lage zu versetzen, auf Marktveränderungen zu reagieren: bei Belebungen das Angebot auszuweiten und es bei negativem Trend entsprechend anzupassen. Unsere Middleware muss das unterstützen, wie ein atmendes System.

Das sind allgemeine wirtschaftliche Bezüge. Es gibt auch einen spezifischen IT-Aspekt bei On Demand: anfallende Jobs automatisch auf die vorhandenen Server zu verteilen und deren Auslastung zu optimieren.
Ja, und die Software muss das bewerkstelligen.

Aber fehlt es da nicht noch an der Basistechnik? Mir ist kein Anwenderbeispiel bekannt, in dem das alles schon so ablaufen würde.
Die Entwicklung geht an allen Stellen voran und wird abgestimmt: bei der Hardware, bei der Software und letztlich auch bei den Anwendungen - die müssen schließlich solche Möglichkeiten nutzen können. Aber On Demand ist kein Produkt, sondern ein Konzept und eine Strategie.

Vor einem Jahr wollte IBM seine Software-Abteilungen umorganisieren und sie unter Federführung von Consulting-Leuten branchenspezifisch ausrichten. Was ist daraus geworden?
Wir haben die Software-Gruppe in der Tat umorganisiert. Wir sind heute ähnlich nach Industrien aufgestellt wie unsere Consulting-Gruppe. Bisher waren wir im Wesentlichen nach den einzelnen Brands gegliedert. Jetzt haben wir in meiner Gruppe zum Beispiel einen Bereich Financial Services, einen Bereich für Public Sector, Distribution, Industrial und Communication und einen Bereich Small and Medium Businesses. Parallel haben wir weiterhin einen Fokus auf die Brands und damit auf die Lösungen: zum Beispiel Tivoli für das Systemmanagement, Websphere für den Applikationsserver und DB2 für Datenbanklösungen.

Wie bekommen Sie das unter einen Hut?
Wir haben jetzt eine Matrixform, während wir vorher sehr auf die Produkte ausgerichtet waren, wenn wir auf die Kunden zugegangen sind. Heute sind wir branchen-, lösungs- und kunden­näher organisiert. Für die einzelnen Wirtschaftszweige, zum Beispiel Automobilbau oder Chemie, stellen wir auf Basis unserer Software Architekturrahmen und Lösungskonstrukte zur Verfügung. Dabei arbeiten wir auch mit Partnern zusammen.

Gibt es von IBM dann branchenspezifische Zusätze zur Software, wenn die Software-Gruppe nach Branchen organisiert ist?
Nein, wir sind kein Applikationshersteller.

Existieren solche Lösungsarchitekturen dann nur auf dem Papier?
Es sind schon mehr als Blaupausen, denn die Software-Komponenten sind da. Konkrete Lösungen entwickeln kann man dann für eine Endkundenanwendung, zum Beispiel zur Schadensabwicklung bei einer Versicherung oder eine Vertriebssteuerung. Die zweite Möglichkeit ist, dass ein unabhängiger Softwarehersteller für Endkunden Anwendungen entwickelt. Selbst Kundenanwendungen vermarkten wollen wir jedoch nicht.

Welchen Sinn hat es dann, die Softwareentwickler nach Branchen einzuteilen? Eine Datenbank zum Beispiel hat doch horizontalen Charakter.
Natürlich ist eine Datenbank eine Datenbank, egal in welcher Branche sie eingesetzt wird. Aber je weiter wir in das Architekturmodell kommen, je mehr wir auf das Business-Problem schauen und darauf, welche Business-Funktionen integriert werden sollen, desto nützlicher ist das Wissen um die Branche. Das betrifft auch die Entwicklung, aber mehr sicher die Beratung und den Vertrieb unserer Software. Zum Beispiel haben wir große Projekte im Zusammenhang mit RFID. Nicht alle Softwareentwickler bei IBM arbeiten jetzt branchenspezifisch. Natürlich gibt es weiterhin Entwickler, die die ­Datenbankalgorithmen unabhängig von einer Zielbranche weiter optimieren. Andere verbessern das Zusammenwirken der Produkte der verschiedenen Brands. So wollen wir den Integrationsaufwand für die Kunden reduzieren. Integration ist für die Kunden ja ein großer Kostenblock. Den wollen wir verringern, um in Projekten einen schnelleren Return on Investment zu erreichen.

Wie stellt sich die Situation in Ihrem Zuständigkeitsbereich - Deutschland, Österreich und Schweiz - dar?
Wir haben bei IBM in jeder Region die gleichen Verantwortungen und das gleiche Produktportfolio. Im deutschsprachigen Raum haben wir eine gute Balance bei den einzelnen Brands. Vom Umsatz her sind Websphere und DB2 sicher am gewichtigsten, in Deutschland ebenso wie weltweit. Im vergangenen Jahr haben wir mit allen Brands Marktanteile dazugewonnen. Bei Rational, der jüngsten Marke, trägt die Integration bereits Früchte: die entsprechende Software steht jetzt auf einer breiteren Basis und entwickelt sich sehr positiv.

Neben den fünf Brands gibt es noch eine weitere Kategorie von Software bei IBM: die Betriebssysteme. Wer kümmert sich darum?
Wir von der Software zusammen mit den Kollegen von der Hardware. Wir weisen die Umsätze aber nicht separat aus, sie werden zur Hardware gezählt. Die Entwickler sitzen bei den Hardware-Leuten.

In diesem Bereich sorgt ja vor allem Linux für Bewegung.
Ja, Linux ist im Augenblick das Betriebssystem mit den größten Wachstumsraten, und das merken wir. Waren es vor ein, zwei Jahren noch kaum geschäftskritische Anwendungen, so wandelt sich das jetzt. Es gibt nun Akzeptanz für Linux.

Aber kommt Linux aus dem Lowend heraus?
Wir bieten Linux sogar auf dem Mainframe an. Ein Großteil des Mips-Wachstums auf den Mainframes passiert mit neuen Anwendungen unter Linux. Vor einigen Jahren gab es gar keine neuen Anwendungen auf dem Mainframe, möglichst viel sollte runter. Heute spricht das Mips-Wachstum eine andere Sprache. Die Qualitäten des Mainframes wie Skalierbarkeit und Sicherheit sind ein entscheidender Faktor dabei.

IBM und viele andere IT-Hersteller wollen verstärkt auch an mittelständische Unternehmen verkaufen.
Wir machen heute etwa zwanzig Prozent des gesamten Umsatzes - Hardware, Software, Maintenance, Consulting - im SMB-Bereich. Was wir sehen ist, dass im mittelständischen Bereich mehr investiert wird als sonst in der Wirtschaft. Es ist wichtig, an diesem Wachstum zu partizipieren, nach Möglichkeit überproportional. Bislang waren die Erfolge der Mittelstandsinitiativen begrenzt.
Ich denke, dass wir jetzt auf dem richtigen Weg sind. Wir haben über die einzelnen Bereiche hinweg - Hardware, Software, Services - in mittelständische Produkte und in Partnerprogramme investiert. Und dieses Investment macht sich bezahlt, wir gewinnen Marktanteile hinzu. Das gilt weltweit und in den einzelnen Ländern.
Wahrgenommen wird IBM aber wei­terhin als ein Anbieter in erster Linie für Großunternehmen.
Was wichtig ist, ist der Trend, die kontinuierliche und nachhaltige Dynamik. Unsere Investitionen sind zielgerichtet, und wir bewegen uns in die richtige Richtung.

Welcher Art sind die Business-Partner?
Im Mittelstand braucht man verschiedenste Partner, um Erfolg zu haben: Softwarehersteller, Reseller, Distributoren, System- und Beratungshäuser. Das Entscheidende ist, die richtigen Programme für die jeweiligen Partner zu haben: Ein Reseller-Partner benötigt ­andere Programme und Anreizsysteme als ein Entwicklungspartner, der auf der Basis unserer Software eine Anwendung erstellt.

Ist die Zusammenarbeit mit Partnern global gesteuert oder in regionaler Zuständigkeit?
Wir haben weltweite Programme. Aber in diesem Rahmen sind auch lokale Anreize und Allianzen möglich. Denn es gibt gerade im mittelständischen Markt viele Partner, die zum Beispiel in Deutschland stark, aber in anderen Ländern nicht vertreten sind. Unternehmen schätzen es, mit einem Partner zusammenzuarbeiten, der feste Strukturen hat, aber auch die Möglichkeit zu lokalen Aktionen bietet. Dazu gehören gemeinsame Aktivitäten bei Werbung und Kundengewinnung.
Verzichten Sie derzeit im Zweifelsfall auf höhere Gewinnmargen oder akzeptieren sogar Verluste, um im Mittelstand Marktanteile zu erringen?
Wir kaufen keine Marktanteile, das ist nicht unser Ansatz und nicht unsere Strategie.

Sind die Partnerprogramme bei allen Brands in gleicher Weise erfolgreich?
Das Thema Collaboration, also unsere Lotus-Produkte, und das Thema Web­sphere mit Portalen und Integration sind zurzeit besonders dynamisch, auch im Mittelstand. Sicherheit und damit die Tivoli-Produkte sind auch sehr gefragt. Ebenso spielen Document und Content Management sowie Compliance eine zunehmend wichtige Rolle. Bei unserem Rational-Business, das sich an Softwareentwickler richtet, waren ursprünglich die unabhängigen Softwarehäuser mehr Kunden denn Partner. Das Geschäft von Rational wird derzeit auf der Partnerebene stark erweitert.

Gibt es bestimmte Branchen, in denen Sie besser vorankommen als in anderen?
Der SMB- unterteilt sich genauso wie der Großkundenmarkt in Branchen, und kleine und mittlere Firmen durchlaufen dieselben Zyklen wie die großen Unternehmen. Einiges an Bewegung ist derzeit im Medienbereich und in der ­Telekommunikation spürbar, außerdem bei Banken und Versicherungen. In Summe zieht das Business wieder an.

Hat sich der Markt allgemein verändert?
Viele Kunden sind in den vergangenen Jahren bei der IT enorm auf die Kostenbremse getreten und haben ihre Investitionen zurückgefahren. Die Folge war oftmals ein Innovationsstop. Jetzt steigt die Bereitschaft der Unternehmen über alle Branchen hinweg wieder. Das Geld wird weiterhin nur gezielt ausgegeben, aber es gibt wieder Möglichkeiten.