Der Preis der Leistung
Der Preis der Leistung Vor dem Hintergrund einer hohen Auftragslage steigt – gerade im IT-Sektor – für Unternehmer wie Mitarbeiter die Arbeitsbelastung.

Erhöhter Termindruck, mehr Verantwortung, permanente Verfügbarkeit, das alles hat den uneingeschränkten Leistungswillen jedes Einzelnen zur Folge. Die chronische Überbelastung wird zum Dauerzustand und Leistungswillen hat nichts mehr mit Leistungsfähigkeit zu tun. Ist der allgegenwärtige Arbeitseinsatz noch verhältnismäßig? Den erfüllten Arbeitstag, an dem die Mitarbeiter ihre wirklich wichtigen »to dos« erledigt haben und zufrieden den Heimweg antreten, gibt es kaum noch. Nach aktuellen Studienergebnissen der Uni St. Gallen sind 86 Prozent aller Beschäftigten bereits jetzt »always on« – mit steigender Tendenz. Jede persönliche Produktivität stößt allerdings irgendwann einmal an ihre Grenzen. Spätestens dann sollten Methoden und Vorgehen gefunden werden, um Abläufe anders zu strukturieren und persönliche Freiräume als festen Bestandteil in den Arbeitsalltag zu integrieren. Die große Herausforderung besteht darin, Zeiträume für Arbeit und Zeiträume für die Freizeit gleichermaßen zuzulassen. Die Umsetzung ist einfacher, als man denkt. Dafür müssen lediglich gängige Arbeitspraktiken kritisch hinterfragt werden: Ist mein Aufgabenspektrum zu komplex? Habe ich einen Überblick über die wichtigen Vorgänge und eine aktuelle Wissensbasis, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können? Wann muss ich erreichbar sein und wann nicht? Setze ich die richtigen Prioritäten? Die Antworten darauf sind in den meisten Fällen in der Unternehmenskultur begründet. Hier stimmt häufig die Einstellung zur Arbeit nicht mehr. Dank neuer Technologien ist es möglich, Zeit individueller zu nutzen, Freiräume entstehen zu lassen. Stattdessen werden Arbeitsmittel wie Mobil- oder Smartphone sowie E-Mail meist zur uneingeschränkten Erreichbarkeit von Personen missbraucht. Lange Bürozeiten, Dauermeetings und tatsächliche oder scheinbare Unabkömmlichkeit kennzeichnen deshalb die heutige Leistungskultur. Aus Angst vor negativen Konsequenzen im Job nimmt kaum jemand mehr Auszeiten. Eine grundfalsche Einstellung, denn gerade Freiräume schaffen nachweislich Vorteile für Mitarbeiter und Unternehmen. Mitarbeiter, die permanent gute Leistungen erbringen, brauchen regelmäßige Ausgleichsphasen, um das hohe Niveau zu halten. Dazu gehört nicht nur die Erholung. Mehr Abwechslung bei der Aufgabenstellung kann ebenfalls für Entspannung im Arbeitsalltag sorgen. Ein produktiveres Arbeiten ist auch möglich, wenn Unternehmen wichtige Informationen nicht nur bei einzelnen Personen bündeln. Know-How-Träger sind wandelnde Wissensmonopole. Ihr Wissen sollte auf eine breitere Basis gestellt werden, um bei Bedarf auch personenunabhängiger agieren zu können. Grundvoraussetzung für dauerhaft gute Leistungen ist zudem eine solide Planungsbasis. Realistische Planungen können dem ewigen Termin- und Zeitdruck entgegenwirken. Was in ruhigen Zeiten kein Problem zu sein scheint, wird in Zeiten des Hochbetriebes zum echten Problem: gerade noch getroffene Regeln und Maßgaben werden zugunsten des nächsten Großprojektes wieder über Bord geworfen. Hier kommt auch die Bedeutung von vorab definierten Prioritäten zum Tragen. Aufgaben, die mit sehr hoher Priorität festgelegt wurden, haben Vorrang, alles andere kann warten. So kann es gelingen, ein Aufgabenpensum zu definieren, das auch wirklich im vorgegebenen Zeitrahmen bewältigt werden kann. Dann bleibt auch die Zeit für einen Zoobesuch mit den Kindern. Unternehmen müssen lernen, sich nicht mehr und mehr dem Zwang der allgemeinen Leistungskultur und der mobilen Vernetzung auszusetzen, sondern neue individuelle Handlungsspielräume zu schaffen. Dann kann auch in der modernen Arbeitswelt wieder echte Identität entstehen. Das ist eine wichtige Voraussetzung für mehr Produktivität.
Antonella Lorenz ist Geschäftsführerin der Lorenz Software GmbH, Freising