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Des Fürsten neue IT

Es war einmal ein reicher Fürst, der des Durcheinanders auf seinem und den Computern seiner Untertanen überdrüssig geworden war.

Autor:Andreas Stolzenberger • 26.9.2007 • ca. 2:05 Min

Er sandte seine Häscher aus und ließ den IT-Dienstleister vor seinen Thron schleifen: »EDV-Knecht«, befahl der Fürst, »schaffe er Klarheit in meinem Rechner-Wirrwarr, ich bin der Unordnung müde geworden.« »Selbstverständlich, eure Hoheit«, entgegnete der Dienstleister, »gebt mir dreizehn Säcke voller Gold, und ich werde dafür sorgen, dass homogen euer Umfeld werde.« »So sei es«, ordnete der Fürst an, gab dem EDV-Knecht das Gold und ließ ihm einen Mond Zeit, das Projekt zu vollenden.

Nach fünf Monden und siebzehn weiteren Säcken Gold, welche der Dienstleister für leider nicht abzuschätzende Änderungen an des Fürsten Hard- und Software beanspruchte, durfte der Regent sein neues, homogenes Netzwerk begutachten.

»Oh wie schön«, frohlockte der Herrscher, »all die Clients und Server mit Prozessoren aus nur einer Schmiede. Nur noch Programme aus des Bills Hand, schön bunt und selbst von Hofnarren bedienbar. Ruft mir die Herolde und Chronisten in meine Burg«, befahl der Fürst, »sollen sie sehen und staunen und die Kunde meines schönen Netzwerks in alle Länder verbreiten.«

So geschah es. Doch einer der Chronisten betrachtete die schöne neue Rechnerwelt des Regenten mit Argwohn. »Mein Fürst«, sprach er, »verzeiht meine vorlaute Frage, doch wenn homogen euer Netzwerk sein soll, wo kommet dann bitte die Terminalemulation auf allen Schirmen eurer Untertanen her? Ob sich dort wohl noch eine versteckte Midrange-Maschine aufhält?«

Starr vor Entsetzen rief der Fürst nach seiner Garde: »Durchkämmt das Schloß! Findet das Midrange-Ungetüm, welches mein schönes neue IT-Umfeld zu vergiften droht!« Nach Stunden des Suchens entdeckte eine Magd den schwarzen Kasten im Stall hinter einem Maultier. Als der Fürst den Schalter betätigte, war es um sein IT-Umfeld geschehen. Zwar blieben die schönen bunten Bildchen auf seinem Schirm bestehen. doch den Überblick über seine Reichtümer, Ländereien, den Viehbestand und seine Verbündeten verlor er in dieser Sekunde. Der EDV-Knecht hatte das alte Rechenwerk im Stall einfach vergessen. Zwar hatte er dem Fürsten ein neues, hübsches Netzwerk aus homogenen PCs beschert, doch das wahre Herz des Fürsten Datenbestandes schlug in der längst vergessenen Midrange.

Der Fürst weinte bitterlich, ließ den EDV-Knecht teeren und federn, den vorlauten Herold vom Hof werfen und rief nach einem alten Alchemisten, welcher der Midrange neues Leben einhauchte. Und wenn sie nicht gestorben ist, behütet sie noch heute des Fürsten Daten.

Was will uns diese Mär eines unbekannten Herolds nun sagen? Es gibt Lösungen aus Hard- und Software, oder Appliances, wie wir sie heute nennen, die ihre Aufgabe einfach zuverlässig und unauffällig erledigen, so dass sie im Alltag schnell in Vergessenheit geraten. Bei aller Liebe für schöne, bunte GUIs und hochmodere Features muss das Hauptauswahlkriterium stets die Funktion bleiben. Es wäre wünschenswert, dass wir heute Geräte kaufen und einsetzen können, die wir zum Zeitpunkt der Abschreibung gar nicht mehr finden – da sie über Jahre hinweg unbemerkt und fehlerfrei ihren Dienst verrichten.

Aber so etwas gibt’s halt nur im Märchen.

Ihr Andreas Stolzenberger