Zum Inhalt springen

Die ewige Sorge um die Bandbreite

KVM-Switches – Keyboard-, Video-, Mouse-Switching über IP ist der Weg, den die meisten Data-Centers einschlagen, um ihre Server im Griff zu behalten. Viele Administratoren sorgen sich dabei allerdings um die Bandbreite, die diese Art des Fernzugriffs beansprucht. Gibt es tatsächlich Anlass zur Sorge?

Autor:Redaktion connect-professional • 10.9.2007 • ca. 4:45 Min

Eine der am häufigsten gestellten Fragen bei der Auswahl eines KVM-over-IP-Systems ist die Frage, wie viel Bandbreite das System beansprucht. Leider gibt es keine eindeutige Antwort darauf, denn zu viele Variablen entscheiden über die tatsächliche Bandbreitennutzung.

Um der Sache auf den Grund zu gehen, ist es notwendig, zu verstehen, wie moderne KVM-over-IP-Systeme arbeiten: Der Administrator verwendet eine – häufig Web-Technik nutzende – Management-Software auf seiner lokalen Maschine, um sich mit einem fernen Zielcomputer zu verbinden. Der ist an einer KVM-Appliance angeschlossen. Diese empfängt die analoge Videoausgabe des Zielcomputers, digitalisiert und komprimiert sie und sendet die Daten dann über das IP-Netzwerk zur Management-Software auf dem lokalen Computer. Tippt der Administrator auf seiner Tastatur oder bewegt er die Maus, überträgt die Management-Software diese Informationen umgekehrt über das IP-Netzwerk zur Appliance. Diese sendet die Tastatur- und Mausinformationen schließlich zum Zielcomputer. Der reagiert auf diese Informationen – Änderungen der Bildschirmausgabe, beispielsweise die Darstellung von Mausbewegungen, neue Fenster, die Darstellung von Zeichen, sind das Resultat, das wieder zurück zum lokalen Arbeitsplatz des Administrators übertragen wird. Das IP-Netzwerk muss also die Tastatur-, Video- und Mausdaten zwischen der Appliance und der Management-Software übertragen.

KVM-over-IP-Netzwerkverkehr
Bei der Kommunikation zwischen einer KVM-over-IP-Appliance und der Management-Software lassen sich hauptsächlich drei Datentypen unterscheiden: Management- Tastatur- und Maus- sowie Videodaten.

Managementdaten dienen zur Verwaltung der KVM-Sitzung und steuern nur einen sehr geringen Teil zur Gesamtbandbreitennutzung einer KVM-Sitzung bei. Zu diesen Daten zählen beispielsweise die Benutzerauthentifikation und Zugriffssteuerung.
Jeder Tastendruck oder Mausklick generiert zwei Nachrichten (ein »make« und ein »break«). Mausbewegungen generieren gleich eine ganze Reihe von Nachrichten. Abhängig vom Timing der Tastatur- und Mausereignisse wird jede Nachricht als einzelnes TCP/IP-Paket oder ein Paket mit mehreren zusammengefassten Nachrichten gesendet. In den meisten Fällen machen auch diese Nachrichten nur wenige Prozent des KVM-Gesamtverkehrs aus.

Den größten Teil des Netzwerkverkehrs digitaler KVM-Systeme verursacht die Videoausgabe. Moderne KVM-over-IP-Appliances zeichnen deshalb nur anfänglich den vollständigen Bildschirm, anschließend encodieren und senden sie nur noch Änderungen über das Netzwerk.

Das Video-Encoding-System eines KVM-Switches ist also eine sehr wichtige Komponente. KVM-Systeme nutzen eine »verlustfreie« Videokomprimierungstechnik, um den Bildschirm der Zielmaschine exakt darzustellen. Das ist wegen der vielen filigranen Icons und Texte notwendig, die das KVM-System detailgetreu reproduzieren muss. Im 1024x786-Modus enthält ein einzelner Videoframe 786432 Pixel. Bei 16 Farbbits pro Pixel entspricht dies 12589912 Bits. Ist die geringste typische Bildschirm-Aktualisierungsrate von 60 Frames pro Sekunde eingestellt, bedürfe es 754974720 Bits/s, um unkomprimierte Videoausgabe in voller Auflösung über das Netzwerk zu senden. Das ist weder notwendig noch wünschenswert.

Digitale KVM-Systeme komprimieren die Videoausgabe, indem sie Redundanzen aus dem Videosignal entfernen. Generell komprimieren die Systeme Videodaten so dicht wie möglich, während sie die Framerate so hoch wie möglich halten.

Nutzungsfaktoren
Die Menge des Netzwerkverkehrs, den KVM-over-IP-Systeme erzeugen, hängt von einigen Faktoren ab, darunter dem Nutzungstypen, der Bildschirmgröße, der Farbtiefe, der verfügbaren Netzwerkbandbreite und der Rechenleistung des Systems. Alle diese Faktoren spielen zusammen und beeinflussen die tatsächliche Bandbreitennutzung.

Der wichtigste die Bandbreite beeinflussende Faktor ist die Aufgabe, die der Administrator auf dem Zielcomputer durchführt. Typische Aufgaben sind die Installation und Konfiguration von Software, die Bearbeitung von Textdateien und das Wechseln zwischen Applikationen. Server-Management-Aufgaben generieren normalerweise relativ wenig größere Bildschirmänderungen und nur selten kontinuierliche Bewegung. Bei solchen Applikationen sendet die Appliance mit hoher Geschwindigkeit Bursts von Netzwerkpaketen mit gelegentlichen größeren Änderungen des Bildschirms, nutzt zu anderen Zeiten aber nur sehr wenig Bandbreite. Endbenutzer-Applikationen wie Web-Browsing verwenden mehr hochauflösende Images und mehr Bildschirmbewegungen. Die Bursts sind in diesem Fall länger und häufiger. Das denkbar schlechteste Szenario für ein KVM-over-IP-Switch-Full-Screen-, Full-Motion-Video mit häufigen, großen Frame-zu-Frame-Änderungen und vielen Videoframes, die komplett neu gezeichnet werden müssen. In diesem Fall könnte eine digitale KVM-Appliance einen nahezu kontinuierlichen Strom schneller Netzwerkdaten erzeugen.

Die Farbtiefe ist ein weiterer Faktor, der die Nutzung der Netzwerkbandbreite beeinflusst. Video-Encoding-Algorithmen stützen sich bei der Komprimierung auf räumliche und zeitliche Redundanzen. Je mehr Farbänderungen ein Videoframe enthält, desto weniger Redundanzen sind vorhanden und desto mehr Daten sind erforderlich. Für Bilder und komplexe farbige Muster kann eine Änderung der Farbtiefe signifikante Auswirkungen haben.

Deutlich kann sich auch die Bildschirmgröße auf die Videobandbreite auswirken. Ein Videoframe im 1024x768-Modus enthält beispielsweise zweieinhalb Mal so viele Pixel wie derselbe Frame im 640x480-Modus. Kleinere Bildschirmgrößen beanspruchen also auch weniger Bandbreite. Die Rauschcharakteristik einer Videoquelle kann sich ebenfalls auf die Videobandbreite auswirken. Ist eine Grafikkarte oder die Umgebung, in der sie arbeitet, besonders »rauschend«, dann kann die KVM-Appliance möglicherweise Änderungen auf Grund des Rauschen von beabsichtigten Änderungen des Videosignals nicht unterscheiden. Deshalb kann es zu nicht notwendigem Senden von Videoänderungen kommen, die sich selbstverständlich auf die Bandbreite auswirken.

Natürlich spielen auch die Kapazität der Appliance selbst und die im Netzwerk verfügbare Bandbreite eine Rolle. Das Design der Appliance, die Netzwerkarchitektur und die Rechengeschwindigkeit der Arbeitsstation des Administrators entscheiden mit darüber, welcher Teil des Systems in der jeweiligen Implementation der Flaschenhals ist.

Bandbreitenmessungen
Der KVM-Appliance-Hersteller Avocent hat 2006 einige Testresultate veröffentlicht, die Aufschluss darüber geben, wie die Bandbreitennutzung moderner KVM-over-IP-Appliances tatsächlich aussieht. Getestet wurde ein Avocent-DSR1021-Switch mit der Software »DSView 3« in einem 100-MBit/s-Ethernet in fünf verschiedenen Szenarien: kontinuierliche Mausbewegung, Navigation von Textdateien, Windows-Reboot, Web-Browsing und Quicktime-Movie-Trailer. Zusammengefasst zeigten die Tests, dass die Bandbreitennutzung dieses Switches typischerweise zwischen ein paar Hundert KBit/s und etwa 1,5 MBit/s für administrative und für Endbenutzer typische Aufgaben liegt. Spikes gehen gelegentlich über 20 MBit/s hinaus, aber aus der Perspektive der Netzwerkplanung betrachtet, gibt es kaum einen Grund, dieser Art der Nutzung grundsätzlich Bandbreite zuzuordnen. Das System produziert eine gute Videoqualität für anspruchsvollere Aufgaben, beispielsweise Full-Motion-Video, und die gelegentliche Nutzung dieses Typs sollte die Netzwerkplanung nicht signifikant beeinflussen.

Die Testdaten zeigten, dass die Anwender die Bandbreitennutzung beeinflussen können, indem sie die Variationen und Änderungen der Farben veringern. Dies lässt sich unter anderem durch einfarbige Bildschirmhintergründe und den Verzicht auf Bildschirmschoner erreichen. Das Skalierungs-Feature in »DSView 3« reduziert die Bildschirmgröße und kann die Bandbreitennutzung bis um den Faktor 2-zu-1 reduzieren. Ist High-Color-Video nicht notwendig, dann lässt sich die Bandbreitennutzung durch Verwendung einer niedrigeren Farbeinstellung nochmals reduzieren.

In der gleichen Klasse wie Avocents DSR-Switches angebotene KVM-over-IP-Appliances anderer Hersteller dürften ähnlich gute bis befriedigende Resultate liefern. Um auf die eingangs gestellte Frage zurückzukommen, ob bei der Bandbreitennutzung Anlass zur Sorge besteht: Nein, die Nutzung von Netzwerkbandbreite durch moderne KVM-over-IP-Systeme stellt im typischen Einsatz kein Problem dar, sofern die Geräteklasse sorgfältig ausgewählt und das System der Nutzung entsprechend richtig konfiguriert werden.

dj@networkcomputing.de