Doppik: Damit sie wissen, was sie tun!
Doppik: Damit sie wissen, was sie tun! Der Landschaftsverband Rheinland hat den Umstieg von der Kameralistik auf die Doppik zum Jahreswechsel bewältigt. Das Projekt erforderte vor allem ein Umdenken der Mitarbeiter.


Bis 2009 müssen alle Kommunen in Nordrhein-Westfalen ihr Rechnungswesen auf die kaufmännische Buchhaltung umgestellt haben – der Landschaftsverband Rheinland (LVR) erfüllt die Vorgaben des Gesetzgebers schon jetzt. Dazu waren eine langfristige Planung, aufwändige Datenübernahmen sowie umfangreiche Schulungen nötig. Die Einführung der Doppik ist kein technisches Projekt, das mit dem Umstieg auf eine neue Software abgeschlossen ist. Die Aufgaben sind weit komplexer: Die Denkweise der Mitarbeiter und die Abläufe in der Verwaltung müssen sich ändern. Der LVR bewirtschaftet als kommunaler Dienstleister mit rund 70 Dienststellen einen Etat von rund 3,2 Milliarden Euro. Einfache Beispiele machen schnell deutlich, worin die Vorteile der kaufmännischen Buchhaltung in der kommunalen Verwaltung liegen: Sie bringt Transparenz und betriebswirtschaftliche Kennzahlen, die eine Bestandsaufnahme und Steuerung ermöglichen. Gesamtprojektleiter Ralf Cugaly, zuständig für die Umstellung, nennt Beispiele: »Hätte der LVR vor vier Jahren ein Grundstück für fünf Millionen Euro gekauft und würde es jetzt wieder für vier Millionen Euro verkaufen, dann würde in der Kameralistik eine Einnahme von vier Millionen Euro verbucht. Dass mit diesem Verkauf ein Verlust von einer Million Euro verbunden wäre, findet in der kameralen Buchhaltung keine Berücksichtigung.« Ralph Rybak, Marketingleiter bei LVR InfoKom, dem Systemhaus des LVR, das den gesamten Verband mit IT-Serviceleistungen versorgt, ergänzt: »Mit Hilfe der Doppik können wir ein Bewusstsein dafür schaffen, was wir jeden Tag tun. Unsere Aufgaben lassen sich nun auch in Zahlen ausdrücken.« Doch bis es soweit war, gab es viel zu tun: Bereits vor drei Jahren startete das Projekt mit Schulungen und Informationsveranstaltungen für die Führungskräfte. »Für dieses Mammutprojekt war viel Vorarbeit nötig, die neuen Prozesse mussten in den Köpfen aller Mitarbeiter in allen Hierarchie-Ebenen verankert werden«, berichtet Cugaly. Aktuell arbeiten 1610 Anwender mit dem »Neuen Kommunalen Finanzmanagement«-System (NKF). Der Schulungsaufwand war ausschließlich mit internen Ressourcen nicht zu leisten. Der LVR hat sich deshalb entschieden, zusätzlich zu InfoKom einen externen Dienstleister zu beauftragen. »Wir haben uns nach einer Ausschreibung für Telekom Training entschieden, da Branchenexpertise und Konzept uns überzeugten«, erläutert Rybak.
»Wir können messen, was wir tun« Harry Voigtsberger, Erster Landesrat und Kämmerer, sagt: »Neue IT-Anwendungen alleine helfen uns nicht. Wichtig ist, dass unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen die veränderten Abläufe, die die Doppik erfordert, verstanden haben und bereit sind, sie umzusetzen. Und die neue Art der Buchhaltung bietet uns auch ein Chance: Wir können messen, was wir tun.« Aus diesem Grund beschäftigten sich die Projektleiter nicht nur mit der fachlichen Umsetzung des Projekts, sondern auch frühzeitig mit dem Thema Akzeptanzmanagement. Um den Teamgeist unter den Mitarbeitern und ihr Verständnis für die neuen Abläufe zu stärken, veranstaltete der LVR Projekttage, in denen sich die Teilnehmer zum Teil auch spielerisch, etwa mit Theateraufführungen, dem Thema NKF näherten. Ergänzend zu den Qualifizierungsmaßnahmen erschien alle drei Monate ein Newsletter, in dem alle Fakten übersichtlich und verständlich aufbereitet wurden. Bei Infotagen beleuchteten Referenten das neue kommunale Finanzmanagement umfassend. »In diesen Veranstaltungen wurden Führungskräfte sowie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen über die politischen Hintergründe informiert«, sagt Cugaly. Es mussten nicht nur die Anwender für die neuen Anwendungen SAP CO (Controlling), SAP MM (Materialwirtschaft, Beschaffung), SAP FI (externes Rechnungswesen) und SAP PS (Projektsystem) geschult werden. Auch die Datenmigration zeigt beeindruckende Zahlen: Im Pilotbereich Soziales / Kriegsopferfürsorge wurden insgesamt rund 210000 Debitoren und 145000 Kreditoren in das neue System überspielt. Nur rund 2300 Datensätze wurden aus Excellisten übernommen, die Mehrzahl wurde via Remote Function Call, einer Netzwerktechnik, die Datenmigration ermöglicht, in die SAP-Umgebung übernommen. Die vielfältigen Aufgaben und Tätigkeiten wurden im Zuge der Umstellung auf die Doppik in Produkte und Leistungen umgewandelt und thematisch gegliedert. Es gibt nun den Produktbereich »Soziale Leistungen«, der in Produktgruppen gegliedert wurde. Eine dieser Produktgruppen fasst alle Aufgaben zusammen, die der LVR für Menschen mit Behinderungen erfüllt. Konkrete Produkte dieser Gruppe sind: »Leistungen zur vorschulischen Bildung für Kinder mit Behinderung« und »Leistungen zur schulischen Bildung für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Behinderung«. Auch fachfremde Arbeiten, die Mitarbeiter des LVR übernehmen, sind nun in Produkte gefasst – so gibt es das Produkt »Druckerei« für den Produktbereich »Innere Verwaltung«. Die Leistung umfasst die Vorstufe bis hin zum Druck sowie die Gestaltung von Internet- und Intranet-Seiten des LVR. Für den Haushalt hat die LVR-Führung Produktziele definiert und Kennzahlen bestimmt, mit denen sie objektiv bewerten kann, wann Ziele erreicht werden und wo Verbesserungs- und Einsparpotenziale liegen. Die Kennzahlen ermöglichen ein regelmäßiges Ergebnis-Controlling und zeigen, wo Steuerungsbedarf liegt – weil etwa durch Doppelarbeit nicht wirtschaftlich gearbeitet wird. Im März 2007 legte der LVR den Entwurf der Eröffnungsbilanz vor, eine Übersicht über das Vermögen und die Schulden des Kommunalverbandes. »Die Vermögensverhältnisse des LVR sind nun offen gelegt«, sagt Harry Voigtsberger,»wir haben jetzt eine detaillierte Übersicht über die Finanzierung unseres Vermögens durch Eigen- beziehungsweise Fremdkapital.«