Gedächtnisschwund
Sie können sich nicht mehr erinnern, wie viele schwarze Kassen Sie führen und wo diese aufzufinden sind? Das muss doch wirklich nicht sein! Fragen Sie mal bei Siemens nach, wie die das Amnesie-Problem gelöst haben.
Die Amnesie mag im medizinischen Sinne ja durchaus einen schlechten Ruf haben, in vielen Lebensbereichen aber ist die Fähigkeit, sein Gedächtnis zu verlieren, von unschätzbarem Wert. Wir wollen hier gar nicht auf den vielen Siemens-Managern herumhacken, die ihren Kunden haufenweise Beraterverträge zuschanzten und sich im Einzelfall an die damit verknüpften Gegenleistungen nun wirklich nicht erinnern können, liebe Staatsanwälte! Nehmen wir einmal den weniger exemplarischen Fall eines Urlaubreisenden, der beim Boxenstopp auf einer Autobahnraststätte glatt seine Frau vergessen hat, die sich nur einmal kurz auf die Toilette begeben hatte, und ohne sie weiterfuhr. Ob es sich dabei um einen Fall von Amnesie oder – die Situation ausnützend – doch eher um eine spontane Entscheidung zur Entsorgung gehandelt hat, ist schwer auszumachen. Jedenfalls ging alles gut (oder eben schlecht) aus: Die Polizei hat sie ihm nach einigen Kilometern wieder zugestellt.
Abgesehen von solchen Einzelfällen ist die Amnesie heute Gott sei Dank schon so weit vorgeschritten, dass ganze Berufszweige von ihr prächtig leben können. Literaten und Historiker beispielsweise, die vergesslichen Ministerpräsidenten wie Herrn Oettinger gerne auf die Sprünge helfen. Oder die IT-Branche, die sich im Amnesie-Business freilich viel moderner aufstellen kann als Forscher, die in verstaubten Archiven mühsam nach Hinweisen suchen müssen. Chirurgen des Münchner Klinikums Rechts der Isar haben es da einfacher. Falls die Operateure nach getaner Arbeit ihr Besteck vermissen, greifen sie einfach zum Lesegerät, welches sie treffsicher daran erinnert, dass sich im Bauch des Patienten etwas befindet, was dort leider nicht hingehört: Schere oder Tupfer nebst RFID-Label.
Diese Technologie wurde nicht rein zufällig von der Siemens-Tochter SIS (wir erinnern uns: früher hieß die Firma mal SBS) entwickelt. Bevor sich das Unternehmen an einen Pilotkunden wagte, wurde das System zunächst intern ausprobiert und die Funkchips an sämtliche schwarzen Kassen im Konzern geklebt. Gerüchten zufolge sollen schon wenige Tage nach dem Rollout die RFID-Tags ausgegangen sein, was die Aufklärung (rückhaltlose, wie es immer in solchen Fällen heißt) der Korruptionsvorwürfe nun doch nicht unerheblich verzögern dürfte. Aber diese Entstehungsgeschichte gerät sicher bald schon in Vergessenheit.