Halbfette Clients

Andreas Stolzenberger,
Stellvertr. Chefredakteur
Neulich im Home-Office: Ich will schnell den Rechner hochfahren, kurz eine E-Mail schreiben, durch die Newsletter stöbern und ein paar Dateien von einer CD herunterkopieren, nichts Großartiges. Den Druck auf den Power-Schalter quittiert der PC mit einer Geräuschkulisse, die an einen Haarföhn erinnert. Da muss man eben durch. Wer drei schnelle SCSI-Platten im Desktop haben möchte, muss mit dem Luftgeheul dreier Ventilatoren leben. Überhaupt ist das Sturmgeräusch gar nicht so schlimm, denn in wenigen Sekunden laufen nacheinander drei Platten mit 10 000 Touren an und übertönen die Lüfter. Dann nämlich weicht der Föhnsturm dem Dröhnen der Plattenspindeln, das klingt wie ein startender Airbus 340, nur mit einem Treibwerk weniger. Da gewöhnt man sich aber daran, lediglich das Klappern der Schreib-Leseköpfe kann einem zeitweise auf den Geist gehen. Dieses Gerumpel hört sich an wie eine Horde Skateboard-Fahrer auf Kopfsteinpflaster. Außerdem bin ich mir bei richtig intensiven Plattenzugriffen nicht so sicher, ob nicht vielleicht doch mal der ein oder andere Kopf durch das Gehäuse nach außen schlägt oder die Plattenvibrationen den Tower an sich zum Einsturz bringen.
Wie es der Teufel will, kommt der Rechner, trotz Föhnsturm, trotz Triebwerkssound und trotz Kopfsteinpflaster-Skaten nicht richtig in die Gänge. Er findet nur zwei von drei Platten. Welche er nicht findet, steht laut Murphys Gesetz schon lange fest: das Bootlaufwerk. Aus »kurz mal Einschalten« wird folglich »zwei Stunden basteln« denn der Fehler ist eigentlich trivial, aber schwer zu finden: Das Ultra-SCSI-Flachbandkabel hing in einen der vielen Lüfter, und dabei hat es zwei Adern durchtrennt.
Warum tue ich mir das an? Warum tun sich Adminstratoren das auf Hunderten von Arbeitsstationen an? Gut, da geht es dann um eine etwas leisere IDE-Platte – die allerdings viermal so häufig den Löffel abgibt wie meine SCSI-Platten und zu der es vielleicht keine regelmäßig erstellte Image-Kopie gibt. Warum baut denn keiner ein SAN für Clients?
Hier mein Vorschlag: Man nehme reguläre Desktop-PCs und beraube diese ihrer Platten – dabei kann man auch gleich einen Lüfter mitgehen lassen. Statt dessen baut man einen startfähigen iSCSI-Adapter ein, wie den Adaptec ASA 7211C (Test ab Seite 32). Oder man erstellt ein passendes PXE-Boot-Image, das einen XP- oder Linux-Kern samt iSCSI-Software-Unterstützung (iSCSI unter Linux ab Seite 36) über das LAN startet und dann das Systemlaufwerk via iSCSI anbindet. Wenig Aufwand, um eine Umgebung mit vielen Clients ausfallsicherer zu gestalten. Jeder Anwender bekommt für seinen Desktop ein virtuelles Laufwerk aus einem SAN-Speichersystem zugewiesen. Auf Wiedersehen, Client-Datensicherung. Das macht künftig der Administrator direkt im Storage-Pool, der ihm alle modernen Sicherungsmechanismen wie Snapshots und Replikationen zur Verfügung stellt. Löscht ein Anwender – mal wieder – wichtige Daten von seiner Platte, hält das kaum auf: Der Restore braucht keine besonderen Undelete-Tools auf dem Desktop. Der Systemverwalter fischt die verloren gegangene Datei mühelos aus dem letzten Snapshot.
Auch neue Arbeitsplätze erstellt der Verwalter im Handumdrehen: Einfach die Systemplatte eines Prototyp-Systems mit allen Anwendungen klonen – fertig. Die PC-Architektur bleibt gleich: keine Thin-Clients, keine Terminal-Server, keine speziellen Anwendungen: Große Clients mit eigenen Laufwerken und eigenen Systemen, aber ohne physische Platten – halbfette Clients, sozusagen.
Nun haben die Messungen in unseren Labors (ab Seite 32) nachgewiesen, dass iSCSI durchaus als SAN-Technologie herhalten kann, auch wenn es die Performance eines 1- oder 2-GBit/s-Fibre-Channel nicht erreicht. Aber als SAN-Technologie für den Client wäre iSCSI doch optimal. Die von uns gemessenen 45 MByte/s reichen einem Desktop-PC vollauf. Für den SAN-Desktop könnten sogar ein einzelner 1-GBit/s-Ethernet-Strang und eine gemeinsame Ethernet-Karte für LAN und SAN genügen.
Ich für meinen Teil habe den ohrenbetäubdenden Radau lokaler Laufwerke und der dazu nötigen Ventilatoren satt. Mal sehen, ob ich ein startfähiges SAN für Linux- und Windows-Clients hinbekomme und alle Plattenlaufwerke meiner Client-PCs in einen SAN-Schrank im Keller neben den Server verbanne. Sollte es funktionieren, werden Sie es als erste in einem Workshop in der Network Computing erfahren. Geht der Versuch schief, muss ich mein nächstes Editorlial wohl von Hand schreiben – ich hoffe, Sie können es dann noch entziffern.
Ihr Andreas Stolzenberger