Komplex und teuer bevorzugt
Vor kurzem stellte mir eine bekannte Software-Firma ihre neue Backup-Lösung vor. Als Besonderheit hob der Product-Manager dabei das optionale und kostenpflichtige Mail-Modul hervor

Damit sei es dem Administrator sehr einfach möglich, einen laufenden Mail-Server zu sichern. Ein ganz tolles Feature erlaube ferner, einzelne gelöschte Mails in den Mailstor zurückzuspeichern. Das Ganze koste auch nur ein paar tausend Euro für einhundert Benutzer. Wiederum gegen Aufpreis gibt es eine Desktop-Client-Option die eine tolle Funktion besitzt, um die proprietären Datenbanken des Mail-Clients zu sichern.
Tolle Sache, aber irgendwie stutze ich dann doch. Der Mail-Server der Real-World Labs in Poing hat so etwas gar nicht. Kalte Schauer laufen über meinen Rücken: Unsere E-Mails sind in Gefahr! Nur Minuten später sitze ich vor der Konsole des Mail-Servers und prüfe meine Sicherungsstrategie: Alles in Ordnung, auch ohne teure Mail-Recovery-Lösung. Wie geht denn sowas?
Network Computing verwendet nicht den populären Mail-Server, der alle diese Erweiterungen braucht – und auch nicht das einzige dazu passende Mail-Client-Programm desselben Herstellers.
Hier arbeitet ein Mail-Server, der jede Nachricht brav als einzelne Datei sichert. Eigentlich macht es ja auch überhaupt keinen Sinn, die Mails aller Benutzer in eine monolithische, langsame Datenbank mit einem proprietären Dateiformat hineinzuschreiben – weder auf dem Server, noch auf dem Client. Die einzelnen Mail-Dateien organisiert unser Mail-Programm in einer Verzeichnisstruktur, welche der IMAP-Hierarchie des Benutzerkontos entspricht. Sichern kann so etwas jede Backup-Software mit Open-File-Funktion. Und das Wiederherstellern geht auch ganz simpel: Verlorene Nachricht anhand von Datum, Uhrzeit und Position in der IMAP-Hierarchie finden und die passende MSG-Datei in eine Dateifreigabe stellen, auf die der Benutzer zugreifen darf. Der von uns verwendete Open-Source-Mail-Client hat schließlich eine Funktion »Datei öffnen«, welche nach dem MIME-Standard kodierte Mail-Dateien öffnen und darstellen kann.
Eigentlich geht das mit dem Sichern und Wiederherstellen der Mail auch ohne teure Zusatztools und Lizenzen – und das mit dem Großteil der verfügbaren freien und kommerziellen Mail-Server.
Unverständlich bleibt daher, warum so viele IT-Manager eine teure und dennoch langsame Mail-Server-Lösung kaufen, die dann auch noch teure Optionen benötigt, um sich sichern zu lassen.
Ihr Andreas Stolzenberger