Mehr Service durch NGN
Mehr Service durch NGN Provider stellen ihre Infrastruktur Schritt für Schritt auf optische Technologien um, auf denen das IP-Protokoll läuft. Doch was hat der Anwender von diesen Next Generation Networks?



Auf den ersten Blick scheint das Thema NGN (Next Generation Networks) eines zu sein, mit dem sich in erster Linie Provider und ihre Lieferanten befassen müssen, nicht etwa Endanwender in den Unternehmen. Dennoch hat der Übergang zu den neuen Technologien auch für sie Folgen, und zwar hauptsächlich positive. NGNs basieren auf der Kombination aus optischer Übertragungstechnik mit dem IP-Protokoll, das heute auch die Basis der meisten Firmen-Infrastrukturen bildet. Die alten SDH-Infrastrukturen werden Schritt für Schritt abgelöst – meinst vom Netzwerk-Kern ausgehend, weil dort die größten Bandbreiten benötigt werden. Diese lassen sich nun einmal eher über optische Technologie bereitstellen. Andererseits findet man in den Provider-Infrastrukturen auch heute noch sehr viel SDH-Technik – auch deshalb, weil die Investitionen der Kunden in entsprechende Endsysteme geschützt werden müssen. Netzbereiche in herkömmlicher Technologie sollen trotzdem modernisiert, das heißt unter anderem an die Dominanz von IP angepasst werden. Die dafür vorgesehenen Systeme müssen Carrier-Ethernet-Dienste und IP-Daten genausogut transportieren wie von vornherein auf das Protokoll zugeschnittene Systeme. Die Effizienz verlangt eine einheitliche Verwaltung des Gesamtnetzes über alle Ebenen hinweg. Dazu sollen die neuen Geräte weniger kosten – bei der Anschaffung und beim Betrieb. Carrier-Ethernet wächst derzeit stark. 2005 betrug sein Marktvolumen 2,2 Milliarden Dollar – 2009 sollen es nach Daten von IDC schon rund neun Milliarden Dollar sein. Auf diesen Trend setzt zum Beispiel Siemens. Der Hersteller geht davon aus, dass der Markt für sogenannte NGN-SDH-Produkte bis 2010 um jährlich rund sechs Prozent zulegen wird. Die Surpass-Geräteserie Hit 77xx wurde speziell für Ethernet over SDH entwickelt und jetzt um drei neue Systeme erweitert: um die Midsize-Lösungen 7025 und 7035 und das Topmodell 7080, das derzeit 300 GBit/s befördert und demnächst auf 600 GBit/s beschleunigt wird. Die Geräte unterstützen alle von WANs gewohnten Protokolle und Services und bieten dazu fortschrittliche Recovery-Mechanismen.
Neue Kontrollmechanismen fürs WAN
Dazu gehört vor allem ASON (Automatically Switched Optical Network), eine von der ITU spezifizierte abstrakte Kontrollebene von Nicht-IP-, also in diesem Fall SDH-Netzen. ASON stellt sicher, dass die Netzelemente untereinander unabhängig vom Datenverkehr kommunizieren und zum Beispiel auf diese Weise blitzschnell automatisch Ersatzrouten bereitstellen, wenn im Netz eine Verbindung zusammenbricht. Das Pendant von ASON für rein optische Infrastrukturen ist GMPLS (Generalized MPLS), ein IETF-Standard. Die Siemens-Geräte 7070 und 7080 der Hit-Serie unterstützen beides und eignen sich damit für Netze, die IP- und SDH-Technik kombinieren. Aber auch für rein optische Infrastrukturen hat Siemens mit der Surpass Hit 7300 ein Angebot. Hier erwartet der Hersteller mit elf Prozent jährlich das größte Wachstum. Das System ist voll automatisiert und erlaubt den Aufbau vermaschter optischer Strukturen, weil eintreffende Lichtstrahlen in mehrere Richtungen gespiegelt werden können, nicht nur in eine. Bis man aus einer optischen Verbindung mit zum Beispiel 10 GBit einmal 1 GBit abzweigen kann, dauert es wohl noch ein bisschen – auch das ist ein Grund, warum sich Optik heute vor allem im Netzwerk-Core und dedizierten Kundenverbindungen findet. Konkurrent Juniper hat erst kürzlich eine neue Carrier-Ethernet-Plattform vorgestellt. Der MX960 hat einen Switching-/Routing-Durchsatz von maximal 960 GBit/s und zahlreiche Schnittstellen. Er ist flexibel ausbaubar und arbeitet mit allen wichtigen Protokollen. Unterstützt werden beispielsweise Dienste wie Business-VPN. Einige andere, relativ neue Hersteller wie Atrica, Coreoptics oder Adva sind ebenfalls schon komplett in der optischen IP- und Ethernetwelt zu Hause.
Schnellere Bereitstellung und günstigere Preise
Was NGN in der Praxis für das Geschäft bedeutet, analysierte zum Beispiel Dan Bieler, Director Consulting bei IDC, anlässlich des NGN-Kongresses zur Münchner Systems. »Die Betriebs- und Kapitalkosten können sich erheblich verringern, der Personal- und der Kapitalbedarf nehmen dadurch ab«, sagte er. Die Relation zwischen verkauften Einheiten und Investitionsbedarf werde mehr oder weniger entkoppelt. »Es wird daher schwerer, den optimalen Preis für Produkte zu finden, andererseits liegt es nahe, verschiedene Dienste zu für den Kunden attraktiven Bündeln zu schnüren«, erklärte der Analyst weiter. Auch Geschäftskunden können also damit rechnen, dass die Preise für Netzwerk-Dienstleistungen weiter fallen und dafür neue Services das Angebotsspektrum erweitern. Außerdem ermöglichen die neuen Technologien erheblich verkürzte, flexiblere Lieferzeiten: Wenn die Netze automatisch verwaltet werden können, verkürzt sich unter Umständen die Bereitstellungsdauer auf Tage, während derselbe Vorgang früher Wochen dauerte. Das liegt daran, dass auf einer Karte mehrere Dienste laufen, während früher für jeden Dienst eine Karte neu montiert werden musste. Das dauerte je nach gefordertem Service Wochen bis Monate. Was Qualität und Sicherheit angeht, müssen die Kunden sich nicht sorgen. Durch neue Mechanismen wie die oben genannten bewegen sich die Recovery-Zeiten für NGN-Verbindungen in denselben Regionen wie bei den altbekannten, zuverlässigen SDH-Infrastrukturen. Zudem ermöglicht die Konvergenz der vorher säuberlich getrennten Welten Sprache, Daten und Mobil vollkommen neue Services. Mit diesem Zusammenwachsen dürften allerdings die internen IT-Abteilungen mancher Unternehmen Probleme haben – noch viel zu oft bilden die Unterdisziplinen wie IT, TK und Software mehr oder weniger voneinander abgeschottete Welten. Dabei kommen die Vorteile der neuen Telekommunikationstechnologien am besten zum Tragen, wenn alle Bereiche eng kooperieren. Beispiele dafür wären leistungsfähige VoIP- oder SOA-Infrastrukturen, die die Unternehmensgrenzen überschreiten, Conferencing, Business TV, schnelle Remote-Sicherungsläufe, Disaster Recovery oder andere bandbreitenintensive Anwendungen mit hohem Qualitätsanspruch.