Telekom-Chef Höttges hat die Telekommunikationspolitik der Bundesregierung auf der DLD stark kritisiert. Denn auch die Sondierungsergebnisse und die Diskussion um das NetzDG machen deutlich, dass der Bedarf nach einer ausgereifteren IT-Strategie wächst.
Editorial CRN 4/2018
Auf Konferenzen wird meist auch nicht so heiß gegessen, wie gekocht, aber mit seiner Brandrede auf der Innovationskonferenz DLD in München am vergangenen Wochenende griff Telekom-Chef Timotheus Höttges zu radikalen Diagnosen. Den Kampf um den Onlinehandel oder Webservices habe Europa »für immer verloren«, zudem seien europäische Politiker »Meister im Beobachten, aber keine Meister im Probleme lösen.« Die deutsche Telekommunikationsbranche leide unter den Regulierungen der Politik und den zu kleinen Frequenzspektren.
Mit der neuen Mobilfunktechnologie 5G habe man den Schlüssel für Zukunftstechnologien wie Internet of Things (IoT), Automatisierung oder selbstfahrende Autos in der Hand, hohe Gewinne inklusive. Die Frage, welche technologische Rolle Europa in Zukunft spielen werde, würde sich am IoT entscheiden. Dies sei zwar eine Kernkompetenz deutscher Unternehmen, erfordere dennoch wegweisende strategische Entscheidungen.
Beim Vortrag des Außenministers Sigmar Gabriel wird Höttge klare Strategien vermisst haben. Hatten schon die Sondierungsergebnisse zwischen Union und SPD den Mangel an IT-Themen gezeigt, so wirkten auch Gabriels Forderungen nach einer Geostrategie im Bereich der Digitalpolitik unkonkret. Ohne eine »Vision von Europa als globalem Champion bei Tech-Innovation«, so Gabriel, könne keine Balance zwischen Privatsphäre und Sicherheitsbedenken gefunden werden.
Dass diese Balance in Europa fehlt, zeigt schon die Diskussion über das NetzDG. EU-Kommission und deutsche Bundesregierung feinden sich derzeit im Wettstreit ihrer Konzepte öffentlich an, die EU plädiert für Freiwilligkeit, die Bundesregierung für Gesetzeszwang. So ließ es sich dann auch Facebooks Kommunikationschef Elliot Schräge auf der DLD nicht nehmen, kräftig in Richtung NetzDG auszuhauen. »Das Gesetz macht uns zu Richtern, Geschworenen und Vollstreckern, und ich denke, das ist eine schlechte Idee«. So bleibt nur die Hoffnung auf ausgereiftere politische Ideen.
Mit den besten Grüßen,
Jona van Laak