TK-Anlage als Dienstleistung

12. September 2008, 0:00 Uhr | funkschau sammeluser

Der deutsche Markt für Telefonanlagen kommt in Bewegung. Dafür sorgt derzeit die virtuelle IP-Centrex-Technologie. Die Dienstleister klopfen damit bei mittelständischen Unternehmen an – denn für diese könnte sich ein Umstieg von der klassischen auf eine virtuelle TK-Anlage besonders lohnen.

Von Tom Little und Stefan Waldenmaier

Bei IP-Centrex-Lösungen fallen Betriebs- und Wartungskosten weit niedriger aus als bei herkömmlichen Telefonanlagen.
Bei IP-Centrex-Lösungen fallen Betriebs- und Wartungskosten weit niedriger aus als bei herkömmlichen Telefonanlagen.
© Deutsche Telefon Standard

Laut einer Studie des Beratungs- und Analystenunternehmens Arthur D. Little wird der Anteil IP-Centrex-basierter Anlagen relativ gesehen zum gesamten Telefonanlagenmarkt in Europa bis 2010 von derzeit drei auf etwa 20 Prozent steigen. 2008 wird der IP-Centrex-Markt nach Expertenmeinung außerdem (gemessen am Ertrag von 2004) um mehr als das 26-fache wachsen. Gründe für das enorme Wachstum sehen Experten darin, dass heutzutage die globale Konsolidierung der Märkte mit einem Mehr an Outsourcing und steigendem Kostendruck immer stärker voranschreiten. Sie verändern das Bild der Weltwirtschaft und fordern Unternehmen mehr denn je, ihre Effizienz zu erhöhen und ihre Kosten zu senken. Und hierfür bietet IP-Centrex neue Chancen.

Der bisherige Telefonanlagenmarkt in Deutschland war zu über 90 Prozent geprägt von hardwarelastigen Systemen. Neben der klassischen Inhouse-Lösung, bei der fast bei jedem Unternehmen eine Anlage im Keller steht, war auch ein so genanntes „Hosted PBX“-Modell möglich. Bei dieser Variante wird die eigene Telefonanlage zentral in einem Rechenzentrum gehostet. Im Gegensatz zur Kellervariante ist der Unterhalt der Hardware teurer: Es fallen zum Beispiel zusätzliche Kosten für die Miete des Rechenzentrums an. Da sich jedoch permanent Experten um die jeweilige Telefonanlage kümmern, vereinfacht sich das Leben für den Geschäftskunden: Alle TK-Anlage als Dienstleistung Von Tom Little und Stefan Waldenmaier Themen um die Konfiguration, Wartung und Pflege der Telefonanlage werden „unsichtbar“ für den Kunden im Rechenzentrum erledigt. Gleichzeitig nehmen die Kosten der Serviceleistungen ab, was wiederum Geld spart.

Im Vergleich dazu behält IP-Centrex die Vorteile des Hosted-PBX-Modells, ist aber trotzdem noch kostengünstiger. Da nur noch eine einzige große Telefonanlage für sehr viele Anwenderfirmen in Gebrauch ist, erhöht sich der Preisvorteil für die jeweiligen angeschlossenen Firmen. Der zusätzliche Kostenvorteil ergibt sich aus zwei Eigenschaften des Centrex-Modells. Zum einen setzt die Lösung eine sehr große Telefonanlage ein, die in der Regel eine fünfstellige Anzahl Anschlüsse unterstützt. Somit sind die Kosten pro Anschluss erheblich günstiger als bei einer kleineren Anlage (Economies of Scale). Zum anderen zahlt jeder Kunde nur für die Anschlüsse, die er tatsächlich einsetzt: Es entstehen keine zusätzlichen Kosten, um beispielsweise eine Ausbaufähigkeit für die Zukunft zu sichern. Experten gehen zudem davon aus, dass sich die Servicekosten durch die internetbasierte Variante um etwa 80 Prozent verringern lassen. Die Umstellung von der alten Anlage auf IPCentrex ist fast so einfach wie den Stromanbieter zu wechseln. Der technische Teil beschränkt sich auf zwei bis drei Stunden beim Kunden.

IP-Centrex eignet sich eher nicht für Unternehmen in Konzerngröße, da diese selbst in der Lage sind, eine komplette Telefonanlage inhouse zu unterhalten. So arbeitet beispielsweise ein großer deutscher Automobilkonzern derzeit daran, seine auf die Standorte verteilten Telefonanlagen durch eine eigene große Centrex-Anlage auszutauschen. Dies wird entscheidende Kosten- und Infrastrukturvorteile bringen. Auch für kleine Unternehmen (mit weniger als etwa zehn Mitarbeitern) lohnt sich IP-Centrex nicht. Da diese oft auf die Leistungsmerkmale einer vollwertigen Telefonanalage verzichten können, sind eine Fritz-Box oder ähnliche Produkte kostengünstiger und reichen für die Bedürfnisse oft aus. Für alle Unternehmen, die mehr als etwa zehn Mitarbeiter beschäftigen und unterhalb der Konzerngröße liegen, ist IP-Centrex jedoch eine interessante und rentable Telefonielösung mit erheblichem Einsparspotenzial. Vergleicht man zum Beispiel die im Markt üblichen Kosten eines IP-Centrex-Systems mit einer physischen Telefonanlage im Haus, so spart ein Unternehmen mit 30 Telefonienutzern durch den Einsatz der IP-Centrex-Technologie ungefähr 285 Euro pro Monat, was in etwa 29 Prozent der Gesamtkosten entspricht (siehe Tabelle). Bei den Kosten wurden die Preise für Telefonie, Sprachanschluss sowie für die Endgeräte inklusive Service und sämtlichen Leistungsmerkmalen berücksichtigt.

Aufgrund des netzbasierten Telefondienstes entfallen gegenüber der Inhouse-Lösung teure Service- und Wartungsverträge. Die Aufwendungen für Service und Wartung reduzieren sich somit auf nur noch etwa zehn bis 15 Prozent der bisherigen Kosten. Anschaffungskosten für Hardware, in diesem Fall für Telefongeräte, entfallen für den Kunden ebenfalls. Das Technologierisiko trägt der Provider.

IP-Centrex ist auch wegen der hohen Skalierbarkeit nochmals deutlich flexibler und kostengünstiger als die klassische Kelleranlage oder Mietlösung. Bei der klassischen Telefonanlage werden meist genauso viele Telefonplätze installiert, wie das Unternehmen benötigt. Eine Erweiterung ist nur mit einem hohen Aufwand möglich. Werden von Anfang an mehr Kapazitäten installiert, so zahlt der Kunde die Service- und Unterhaltungskosten für diese zusätzlich. Bei IP-Centrex hingegen zahlt das Unternehmen nur die Kapazitäten, die wirklich genutzt werden. Eine Erweiterung ist ohne Schwierigkeiten möglich.

Für mittelständische Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern, die jedoch unterhalb der Mitarbeiterzahlen von Konzernen liegen, stellt IP Centrex eine interessante Alternative zu klassischen TK-Anlagen dar: Bis zu 29 Prozent der Kosten lassen sich
Für mittelständische Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern, die jedoch unterhalb der Mitarbeiterzahlen von Konzernen liegen, stellt IP Centrex eine interessante Alternative zu klassischen TK-Anlagen dar: Bis zu 29 Prozent der Kosten lassen sich mit der IP-Centrex-Technik einsparen.
© Quelle: Deutsche Telefon Standard

Bei Nutzung von IP-Centrex lassen sich für die Telefonie die gleichen Leitungen verwenden wie für den Internetzugang. Bei großen Bandbreiten sparen Unternehmen dadurch ebenfalls. Im Gegensatz zu herkömmlichen VoIP-Lösungen erfolgt die gesamte Kommunikation über eine „private“ Internetverbindung. Diese steht ausschließlich dem Kunden zur Verfügung und garantiert dadurch Abhörsicherheit, symmetrische Bandbreiten und schließt gleichzeitig Netzüberlastungen aus. Um hohe Summen seitens des Kundens in Infrastruktur-Nachbesserungen zu verhindern, werden die vorhandenen LAN-Lösungen für die Vernetzung der IP-Centrex-Telefonie genutzt. Da dies jedoch nur mit umfangreichem Know-how möglich ist, sollte der Dienste-Anbieter gleichzeitig auch eine entsprechende Kompetenz im LAN-Bereich vorweisen.

Im Gegensatz zu den bisher geläufigen IPCentrex-Systemen aus den USA gibt es bei Produkten für den deutschen Markt eine große Nachfrage nach einem Funktionsumfang, der weit über einfache Leistungsmerkmale wie Rufweiterleitung oder Dreierkonferenz hinausgeht. Die US-Amerikaner nutzten auf Grund der komplizierten Bedienung (wie beispielsweise „*21*Neue Ruf-Nr.#“ für eine Rufumleitung) Leistungsmerkmale klassischer Telefonanlagen jedoch nur zu etwa fünf Prozent. IP-Centrex-Systeme stellen im Gegensatz zu klassischen Systemen allen Nutzern alle Leistungsmerkmale einer Anlage einfach und ohne Zusatzkosten über eine Web-Oberfläche zur Verfügung. Besonders wichtig für Unternehmen sind die Anrufweiterleitung (zum Beispiel zu Kollegen), die Rückfrage, die Rufumleitung, das Makeln (Hin- und Herschalten zwischen zwei Telefonaten), die Wahlwiederholung sowie die Rufnummernanzeige und -unterdrückung. Ebenfalls von großer Bedeutung ist das parallele Klingeln. Dabei wird jeder Anruf gleichzeitig auf dem Schreibtischtelefon und einem anderen Telefon wie dem Handy signalisiert. Die Chef-Assistenten-Schaltung, Partnergruppen, Telefonkonferenzen und Anruflisten (wie beim Mobilfunktelefon) runden die Top-Wunschliste deutscher Unternehmen in punkto Telefonie ab.

Per „privater”œ Internetverbindung sind die Telefone eines Unternehmens an die „virtuelle”œ Telefonanlage (IP-Centrex-Host) im Netz angeschlossen. Von dort wird der Sprachverkehr ins öffentliche Netz geroutet.
Per „privater“ Internetverbindung sind die Telefone eines Unternehmens an die „virtuelle“ Telefonanlage (IP-Centrex-Host) im Netz angeschlossen. Von dort wird der Sprachverkehr ins öffentliche Netz geroutet.
© Deutsche Telefon Standard

Mit IP-Centrex stehen dem Mittelstand nunmehr auch Funktionalitäten zur Verfügung, die sonst nur Großunternehmen vorbehalten waren, etwa bedarfsgerechte Statistiken für ein wirtschaftlicheres Kostenmanagement. Für ein Unternehmen mit mehreren Standorten eignet sich der Einsatz von IP-Centrex besonders. Gespräche zwischen den Standorten sind je nach Dienste-Anbieter kostenlos, wodurch ein erhebliches Einsparpotential zu erwarten ist. Interessant für die Außenwirkung von Firmen: Mitarbeiter sind dank IP-Centrex stets unter ihrer Durchwahl zu erreichen, ganz gleich, an welchem Standort sie sich aufhalten.

Fazit und Ausblick

Der deutsche Markt für Telefonanlagen ist in Bewegung gekommen. IP-Centrex hat hierzulande bisher auf leisen Sohlen begonnen, den Markt zu revolutionieren. Der Anbieter, der bereits jetzt über ein marktreifes System für den Mittelstand verfügt, könnte in absehbarer Zeit technologisch die Nase vorne haben. Dies ist nicht ganz unwichtig, trägt doch die besagte Studie von Arthur D. Little bezeichnender Weise den Namen „The Battle for the Business Customer“.

Autor
Tom Little ist Gründer und Vorstand der Deutschen Telefon Standard.


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