Auf dem Weg zum Universal-Handy

11. März 2004, 0:00 Uhr |

Auf dem Weg zum Universal-Handy. Die acht Teilnehmer eines Forumsgesprächs des Konvergenz&Wireless-Forum waren sich einig: Das Universal-Handy, das sowohl im GSM-Netz als auch im WLAN des Unternehmens funktioniert, ist nur noch eine Frage der Zeit. Allerdings fehlen derzeit noch Standards, um die Infrastrukturen und Endgeräte nahtlos miteinander zu verbinden.

Auf dem Weg zum Universal-Handy

Philip Hausner, Cisco: "Wir bleiben beim Konzept der funktionsreichen Access Points."

Foto: Cisco

Während früher in der Unternehmenswelt diverse Netze unverbunden nebeneinander existierten, läuft mittlerweile alles auf eine einheitliche, Ethernet- und IP-basierende Umgebung mit drahtlosen und verkabelten Abschnitten hinaus. "Wir haben hinsichtlich der Vereinheitlichung der Infrastrukturen riesige Fortschritte gemacht", meinte Jürgen Schmid, Internetworking Consultant bei Cisco.

Sprache wird mehr und mehr in diese Infrastruktur inkorporiert. Hinsichtlich dieser Frage gibt es eigentlich kaum noch Meinungsunterschiede - auch Hersteller von klassischem Sprach-Equipment wie Siemens haben heute Hybrid- und komplette IP-Anlagen im Programm. Joachim Eiselt, Leiter Consulting bei der Siemens AG, meint dazu: "Wir richten uns nach den Wünschen der Kunden - sie können tun, was sie für sinnvoll halten. Im Einzelfall kooperieren wir auch mit Fremdherstellern, etwa mit Anbietern wie Cisco und Enterasys." Michael Muth, Solution Architect Converged Systems bei Avaya, sieht das Softphone auf dem Arbeitsplatz-PC als wichtigste Brücke der Anwender zur VoIP-Welt: "Es hilft, mit der neuen IP-Technologie vertraut zu werden." Entweder-Oder ist nicht mehr angesagt, der Umstieg auf IP erfolgt ganz wie der Kunde es will. Philip Hausner, beim IP-Spezialisten Cisco für das Produktmarketing zuständig, meint: "Wir verkaufen den Kunden gern Gateways zu klassischen Telefoniesystemen - schließlich verdienen wir auch an denen."

Keine doppelte Infrastruktur

Von der IP-gestützten Sprachübertragung profitieren heute vor allem Unternehmenskunden, auch wenn Firmen wie die Deutsche Telekom oder QSC bereits VoIP für Endanwender anbieten. Firmenkunden profitieren besonders, weil sie keine doppelte Infrastruktur mehr benötigen und neue Dienste wie CTI oder Unified Messaging nutzen können. Markus Zappolino, Dimension Data, berichtete, dass sein Unternehmen reine IP-Installationen mit bis zu 600 IP-Telefonen aufgebaut hat. Auch im eigenen Haus nutzt Dimension Data die Technologie.

Thomas Boele, bei 3Com Senior Network Consultant, ist jedoch langfristig auch für die Home-Anwender optimistisch: "Je mehr sich in diesem Markt Breitband durchsetzt, desto stärker rückt auch IP-Telefonie ins Blickfeld." Allerdings sei H.323, das heute meistgenutzte Übersetzungsprotokoll zwischen herkömmlichen und IP-Architekturen, zu kompliziert. Erst mit dem einfacheren Session Initiation Protocol (SIP) und dazu passenden Geräten werde es wohl gelingen, den Endanwender von der IP-Telefonie zu überzeugen. Denn dann könne er sein IP-Endgerät für die Telefonie frei wählen, während heute die Kompatibilität zur sonstigen Hardware noch ein Thema sei.

Mit speziellen Angeboten erreichen VoIP-Anbieter immerhin schon Arztpraxen und Rechtsanwälte, mithin typische Kleinfirmen. Darauf wies Christoph Künkel, beim VoIP-Spezialisten Innovaphone Direktor Produktmarketing, hin. "Die Leistungsmerkmale der Telefonie werden inzwischen auch von den IP-Telefonen abgedeckt", sagte er. Um den privaten Endkunden zu erreichen, müssten aber neue Wege gefunden werden, die letzte Meile zu überbrücken.

Michael Muth, Avaya: "Kombi-Telefon für GSM und WLAN noch 2004."

Foto: Avaya

Zu viele Standards, zu viele Endgeräte

Letztlich leben Anwender heute noch immer mit mehreren verschiedenen Endgeräten: dem mobilen Telefon fürs GSM-Netz, dem PDA, dem Festnetz- oder DECT-Telefon, dem vernetzten PC am Arbeitsplatz, der eventuell auch in die (IP-)Telefonie-Infrastruktur eingebunden ist, und dem Laptop mit Bluetooth-, GSM- oder WLAN-Anbindung. Jan Van de Laer, bei Symbol EMEA für Technical Operations zuständig, betrachtet diese Vielfalt und vor allem die unterschiedlichen Fähigkeiten der Geräte als wichtiges Hemmnis für einen übergangslosen Wechsel zwischen der TK- und der IT-Welt. "Sobald ein PDA in den Standby-Modus geht, kann man ihn telefonisch nicht mehr erreichen", kritisiert er. Symbol will noch 2004 spezielle Software (Speedy Sockets) auf den Markt bringen, die dieses Problem löst. Ein PDA mit Speedy Sockets erwacht aus dem Ruhezustand, sobald ein Anruf kommt. Der Angerufene kann das Gespräch dann entgegennehmen.

Kombi-Telefon kommt

Auch die Einbindung von Telefonen ins WLAN macht Fortschritte. Michael Muth (Avaya) berichtete beispielsweise, dass sein Unternehmen derzeit zusammen mit Motorola und Proxim an Kombi-Telefonen arbeite. Sie schalten übergangslos zwischen WLAN und GSM um, je nachdem, wo der Anwender sich gerade befindet. Christoph Künkel (Innovaphone) sieht fehlende Servicequalität im WLAN, Bandbreitenprobleme, Schwierigkeiten bei der Kompatibilität und ähnliche technische Stolpersteine als die wichtigsten Hindernisse, die heute die Implementierung von VoWLAN (Voice over WLAN) hemmen. Deshalb bietet sein Unternehmen eine DECT-Lösung an. Das Preisargument - VoWLAN-Handsets sind wesentlich teurer als DECT-Systeme scheint dagegen an Bedeutung zu verlieren. "Man muss eine Gesamtbetrachtung durchführen: DECT ist zwar billiger, bringt aber nicht so viel", meinte Avaya-Manager Muth. Thomas Boele, 3Com, ergänzte: "Bei Ausschreibungen denken die Kunden immer öfter daran, WLAN, VoIP und Einbindung mobiler Mitarbeiter zu kombinieren."

Weiter gedacht, sollte die Form des Endgeräts zukünftig für die vorhandenen Services keine Rolle mehr spielen. Martin Heine, Geschäftsführer des Softwarehauses Light Art Vision, beschreibt seine Vorstellung von der Kommunikationswelt der Zukunft: "Ideal wären Web-basierende Benutzerschnittstellen für alle Telefonie-Dienste, die vom Endgerät völlig unabhängig sind."

Doch um VoWLAN nutzen zu können, muss zunächst überhaupt eine drahtlose Infrastruktur vorhanden sein. Gerade große Unternehmen zögern häufig, in die Technologie in größerem Umfang zu investieren. Ihnen bereitet nicht nur die Integration von Voice derzeit noch Kopfzerbrechen. Auch das komplizierte Management der WLAN-Implementierungen, das Standard-Chaos in diesem Bereich und immer wieder aufflackernde Sicherheitsbedenken dürften manchen potentiellen Anwender abschrecken, zumal in der Regel fast überall Kabel-Infrastrukturen vorhanden sind.

Jan Van de Laer, Symbol: "Symbol-Software macht 2004 alle drahtlosen Endgeräte wie etwa PDAs Telefonie-tauglich."

Foto: Symbol

Ein Weg, einige dieser Probleme zu beheben, sind Wireless-Switches, wie sie etwa Symbol im Programm hat, kombiniert mit abgespeckten Access Points, die deswegen auch weniger kosten. Von diesem Ansatz hält Cisco wenig. "Wir wollen, dass unser Access Point auch dann noch verwaltet werden kann, wenn die zentrale Management-Konsole ausfällt", sagt Philip Hausner. Demgegenüber verwies Symbol-Manager Van de Laer auf die Funktionsvielfalt von WLAN-Switches: "Unser Gerät vereinigt VPN, Firewall, DHCP, 802.3pq, Radius-Server und mehr in einer Box." Thomas Boele (3Com) wandte ein, dass solche Lösungen zumindest in Großunternehmen wegen der vorhandenen Umbrella-Systeme für das IT-Management zu Redundanzen führen können. Dennoch gehe der Trend zum Wireless Switching und Hybrid-Access-Points, die mehrere Standards bedienen können.

Probleme scheinen lösbar

Was die Sicherheit angeht, setzen die meisten Anwender nach Meinung der Panelteilnehmer einerseits auf den hoffentlich bald fertigen Standard 802.11i, andererseits auf die Kombination bereits vorhandener Sicherheitstechnologien, zum Beispiel VPN. "802.11i wird vor allem deshalb unentbehrlich werden, weil sich nur damit heterogene Endgeräte wie Scanner, Notebooks, Telefone etc. absichern lassen", betonte Cisco-Manager Hausner.

Als wichtigste Trends der Zukunft sahen die Diskutanten trotz aller Hindernisse die Verschmelzung von Voice, Wireless LAN und GSM. Heutige Probleme wie komplexe oder fehlende Standards und Protokolle, die Überbrückung der letzten Meile und Kompatibilitätsfragen scheinen ihnen lösbar. Mit SIP, 802.11e (QoS im WLAN), 802.11i (Sicherheit) und 802.16/802.20 (drahtlose Stadtnetze) stünden bereits Lösungsansätze bereit. Die zu einem guten Teil drahtlose konvergente Kommunikationswelt scheint also nicht mehr aufzuhalten zu sein.

Teilnehmer des Forumsgesprächs Thomas Boele, Senior Network Consultant/Business Development, 3Com

Joachim Eiselt, Leiter Consulting, Siemens ICN

Philipp Hausner, Produkt Marketing Manager, Cisco Systems

Martin Heine, Geschäftsführer Light Art Vision

Christoph Künkel, Director Product Management, Innovaphone

Michael Muth, Solution Architect Converged Systems

Jürgen Schmid, Internetworking Consultant, Cisco Systems

Jan Van de Laer, EMEA Technical Operations, Symbol Technologies

Markus Zappolino, Solution Architect Professional Services, Dimension Data


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