GfK-Konferenz zum Consumer Electronics-Markt: Strategien gegen Aldi & Co. In keinem europäischen Land sind CE-Produkte so unter Preisdruck wie in Deutschland. Schuld ist nicht nur die »Geiz ist geil«-Mentalität der Deutschen. Auf der Consumer Electronic Conference des Marktforschungsinstituts GfK diskutierten Branchenexperten, wie Handel und Hersteller sich in diesem schwierigen Markt behaupten können.
Der zunehmende Wertverlust bei CE-Produkten und Wege aus der Krise standen im Mittelpunkt der International Consumer Electronics Conference der GfK in der Stadthalle Fürth. 47,2 Milliarden Euro werden 2004 in Westeuropa mit Unterhaltungselektronikprodukten erwirtschaftet, 6,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Mit der Ablösung der analogen durch neue digitale Produkte erlebt der Markt derzeit aber auch den größten Umwälzungsprozess seit seiner Entstehung. 44 Prozent des Marktvolumens entfallen laut GfK in diesem Jahr bereits auf die neuen Technologien. 2005 wird der Anteil bereits 54 Prozent erreichen. Wegen des dramatischen Preisverfalls können Hersteller und Handel in Deutschland von den neuen digitalen Produkten jedoch immer weniger profitieren. »Preisrückgänge von 30 Prozent pro Jahr sind bei Consumer-Electronic-Waren heute keine Ausnahme mehr«, erklärt Werner Winkler, Geschäftsführer der GfK Marketing Services. In keinem anderen europäischen Land würde der Wettbewerb so stark über den Preis geführt wie in Deutschland. Innovative Produkte wie DVD-Geräte, Flachbild-TVs oder MP3-Player seien drei bis vier Jahre nach Markteinführung zum halben Preis zu haben, so Winkler. Dieser Wertverlust hat viele Ursachen: die Digitalisierung der Produkte, die immer einfachere Produktion auch für No-name-Hersteller, der heftige Verdrängungswettbewerb im Handel, das Vordringen neuer Vertriebsformen wie Internet und Discounter und die Konzentration auf den Preis als primäres Verkaufsargument.
Seit 1999 haben Lebensmittel-Discounter in Deutschland ihren Marktanteil im Segment der Unterhaltungselektronik kontinuierlich gesteigert. Jeder sechste Kauf werde bereits bei Aldi & Co. getätigt, berichtet Wolfgang Adlwarth, Geschäftsführer der GfK Panel Services. Etwa jeder zehnte Euro, der für Unterhaltungselektronik ausgegeben wird, landet laut dem aktuellen GfK Consumer Panel beim Discounter. Die Relation zwischen den Anteilen von Menge und Wert (siehe Grafik in der Printausgabe) zeigt, dass der Food-Channel mit seinem Angebot weit unter den Durchschnittspreisen des Marktes liegt, insgesamt um etwa 40 Prozent.
Eine wichtige Rolle spielt dabei die breite Akzeptanz der Discounter in Deutschland. Ihre Kunden unterscheiden sich nach Alter und Haushaltseinkommen kaum von denen des regulären Einzelhandels. In Großbritannien und Frankreich ist die Struktur der Käufer im Discounthandel stark von den unteren sozialen Schichten dominiert. Mit zunehmender Akzeptanz in durchweg allen Verbraucherschichten wie hierzulande steigt der Marktanteil der Discounter und entzieht dem traditionellen Handel Umsatz. Hier beginnt laut Adlwarth ein Teufelskreis, wenn die Retailer und auch der Fachhandel ebenfalls mit Sonderangeboten und Preissenkungen nachziehen. Weniger als ein Drittel der Produkte wurde laut GfK im vergangenen Jahr noch zum Normalpreis gekauft. 1999 waren es zumindest noch 42 Prozent. Verbraucher richten ihre Kaufentscheidung zunehmend am Preis aus. Mit dieser Preisfixierung verlieren die Konsumenten jedoch das Gefühl für den Wert eines Produktes oder einer Marke. Findet der Käufer die präferierte Marke nicht im Sonderangebot, ist er leicht bereit, auf andere Angebote auszuweichen. Marken erscheinen zunehmend austauschbar, Hauptsache, der Preis stimmt. Die Konsumenten sind laut GfK vermehrt bereit, selbst neueste Technologien von Billiganbietern zu kaufen. Der Niedrig-Preis schlägt den Markenwert. So entfallen beispielsweise bei DVD-Playern nur noch 36 Prozent auf Markenprodukte.
Für A-Brands ist diese Situation fatal. Sie haben kaum eine Chance, ihre Produkte noch zum Normalpreis zu verkaufen. Bei Preiszugeständnissen verliert die Marke aber beim Verbraucher an Wert. Dies umso mehr, je häufiger und stärker die Abschläge sind. »Promotion-Käufer von heute sind Discount-Käufer von morgen«, warnt Adlwarth. Preis-Promotions würden längerfristig ein hohes Risiko der Markenerosion bergen, weil die Verbraucher immer weniger bereit wären, die Marke zum Normalpreis zu kaufen und in Richtung Discount ausweichen.
Für den Kauf einer Marke sind Kriterien wie Attraktivität, Vertrauen und Markenimage entscheidend. Die Kaufentscheidung für Premium-Marken wird in hohem Maße von der persönlichen Markenpräferenz beeinflusst. Dieser von Adlwarth als »Share of Soul« bezeichnete Effekt ist das Ergebnis von Erfahrung, gelernter Überzeugung und Emotion. Er prädisponiert den Kauf des Verbrauchers. Das zweitwichtigste Kriterium für den Kauf eines Markenproduktes ist die Qualitätserwartung, das Versprechen einer besonderen Leistung und Solidität durch die Marke. Auch die Innovationskraft einer Marke beeinflusst die Kaufentscheidung. Der Verbraucher kauft Premium-Marken, weil er davon ausgeht, dass sie auf dem neuesten Stand der Technik sind. Entscheidend für den Käufer ist in diesem Zusammenhang auch das Design. In vielen Märkten für technische Gebrauchsgüter ist derzeit ein Trend zu Designerprodukten festzustellen.
Markenhersteller und ihre Handelspartner können sich diesem Teufelskreis nur entziehen, wenn sie nicht über den Preis verkaufen, empfiehlt Adlwarth. Das funktioniert jedoch nur, wenn sie das Image von Premium-Marken gezielt durch Technologieführerschaft, Innovationen, Qualität und Design stärken. Das funktioniert aber nur in Zusammenarbeit mit dem Handel.
Innovationen, Information und Kommunikation, Schnelligkeit und Added-Value sind offensive Strategien, um den Preisverfall aufzuhalten, so das Fazit vieler Konferenzteilnehmer. »Nur der permanente Nachschub an Innovationen sichert Wachstum«, betonte GfK-Analyst Winkler. Das gelte sowohl für die Hersteller als auch für den Handel. Ein Händler, der sein Sortiment nicht permanent mit neuen Produkten bereichere, verspiele Umsatzpotenzial und Image und werde für die jüngeren Käufer uninteressant. Wie eine Distributionsanalyse in Westeuropa ergab, sind die Innovationspotenziale speziell im traditionellen Elektro-Fachhandel bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Allein das Spektrum an 18.200 unterschiedlichen Geräten der Consumer Electronics, davon rund 30 Prozent Neuheiten pro Jahr, bietet jede Menge Möglichkeiten. Zusammen mit neuen ITK- und Fotoprodukten stehen pro Jahr 10.000 bis 11.000 neue Artikel zur Verfügung, Software und Zubehör nicht mitgerechnet. Diese Flut an Produktinnovationen schaffe Beratungsbedarf und damit eine Chance für den serviceorientierten Fachhandel, prognostizierte Winkler.
Denn Unterhaltungselektronik wird immer häufiger von älteren Konsumenten gekauft, und die alternde Gesellschaft ist eine vermögende Gesellschaft. Die Gruppe der 55- bis 65-Jährigen verfügt mit 57.500 Euro über das höchste durchschnittliche Netto-Geldvermögen aller Haushalte, gefolgt von den 65- bis 70-Jährigen und den über 70-Jährigen. Und für diese Zielgruppe ist nicht der Preis das entscheidende Verkaufsargument.
Ältere Haushalte sind aber auch besonders anspruchsvolle Käufer. Diese Zielgruppe zeichnet sich laut GfK nicht nur durch hohe Markenorientierung und ausgeprägte Qualitätserwartungen aus. Reduzierte Komplexität und Bedienungsfreundlichkeit sind ein wesentlicher Faktor für die Produktwahl und Markenentscheidung. Ältere Käufer haben auch höhere Erwartungen an den Service. So lassen immerhin 41 Prozent der älteren Fernsehkäufer das Gerät zu Hause vom Fachmann installieren. Diese Form des Convenience-Wunsches eröffnet gerade dem Fachhandel hervorragende Möglichkeiten zur Kundengewinnung und Kundenbindung. Discountern und auf Selbstbedienung setzende Handelsformen bleibt diese Möglichkeit verschlossen.
Hersteller und Handel, die sich trotz anhaltendem Preis- und Wettbewerbdruck behaupten wollen, müssen sich über Zusatzleistungen von der Konkurrenz abheben und dem direkten Preisvergleich entziehen, lautet eine Empfehlung der GfK. Letztlich entscheidet jedoch der Konsument, was ein Added-Value ist und welchen Nutzen er bringt. Added-Value-Strategien können daher produkt- oder servicebezogen sein, quantitativ oder qualitativ.
Im Kampf gegen die Preiserosion und den Wertverlust bei Unterhaltungselektronik spielt der Faktor Zeit eine entscheidende Rolle. Umfassende und schnelle Informationen entscheiden über den Markterfolg. Diese sind die Voraussetzung, um neue Trends frühzeitig zu erkennen, rechtzeitig umzusetzen und kontinuierlich anzupassen.
Für den Handel gehört dazu auch die Präsenz im Internet. Diese ist jedoch nach einer aktuellen Untersuchung nur bei 50 Prozent der Elektrohändler in Deutschland gegeben. Zur Marktübersicht und Vorbereitung des Handels auf das Verkaufsgespräch empfiehlt Winkler auch die Nutzung von elektronischen Artikelkatalogen, wie Encodex. Mit diesen Informationen gewappnet, könne der Handel seine Argumentation im Preis-Poker mit dem Konsumenten entscheidend verbessern. Denn Konsumenten sind durch das Internet zunehmend besser informiert, speziell über den Preis. Jeder zweiter Käufer von Consumer Electronics hat zuvor im Internet recherchiert.
Trotz zahlreicher Strategievorschläge rechnete die Mehrzahl der Branchenexperten nicht mit einem Ende der Preiserosion. Solange von der Produktion bis zum Point of Sale noch Spielräume für Kostensenkungen bestehen, werden die Preise weiter sinken, prophezeite Gfk-Analyst Winkler. Dafür werde der harte Wettbewerb sorgen. Eine Patentlösung gegen den Wertverlust gibt es nicht. Der Erfolg des einzelnen Marktteilnehmers wird bestimmt durch das permanente Suchen nach den besten Chancen und aktives Handeln. Letztendlich funktioniert der Markt auch künftig nachdem Darwinschen Prinzip der permanenten Auslese, die nur der Stärkste überlebt.
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