IBM goes Lenovo

16. Dezember 2004, 0:00 Uhr |

IBM goes Lenovo. IBMs PC-Sparte goes Lenovo ? für 1,75 Milliarden Dollar. Während Big Blue sich strategische Vorteile durch optimierte Fertigungsprozesse und -kosten verspricht, avanciert der chinesische PC-Marktführer zum Global Player. Dem Channel verspricht IBM Kontinuität, an Betreuung, Service und Support soll sich nichts ändern.

IBM goes Lenovo

Die Übernahme von IBMs PC-Sparte macht Lenovo mit einem Schlag zum drittgrößten PC-Anbieter der Welt, nach Dell und HP. Lenovo bringt die Flexibilität und vor allem ein kostenoptimiertes Produktionskonzept mit, so dass nicht nur das etablierte PC-Geschäft von IBM fortgeführt werden kann, sondern sich auch Vorstöße in neue Segmente wie den Consumer-Markt realisieren lassen.

Lenovo erhält nun Zugang und Kontrolle über Vertrieb, Kundenstamm, Forschungsstätten, Herstellung und Service der PCD. »Alle Entwicklungsstandorte und Patente der PCD gehen in die neue Firma über«, erläutert Marc Fischer, IBMs Direktor der PCD für Zentraleuropa. »Damit schaffen wir etwas, was unter dem Dach der IBM bisher nicht möglich war«, kommentiert Fischer. Denn aus der strategischen Allianz soll ein flexibles Unternehmen werden, das eine Schlüsselstellung im weltweiten PC-Markt einnimmt. Bislang hatte sich IBM mit schnellen Entscheidungen als Reaktion auf veränderte Marktbedingungen, auf Grund der Größe des Unternehmens, immer schwer getan.

Lenovo gewinnt mit dem Brand »Thinkpad« eine der wertvollsten Marken, die IBM zu bieten hat, betont Fischer. »In den kommenden 48 Monaten werden die IBM-Marken erst einmal nicht verschwinden«, beruhigt er. Allerdings wird es Co-Branding-Aktivitäten geben. So sei es etwa denkbar, dass Thinkpad-Notebooks unter dem Namen »IBM by Lenovo« auf den Markt kommen. »Die Marke Thinkpad ist im Business-Umfeld so gut etabliert, dass die sicher nicht aufgegeben wird«, ist Volker Schwellenberg, Leiter Produktmanagement bei Actebis Peacock, überzeugt.

Der IBM-PC-Geschäftsbereich wird Anfang 2005 in ein neues Unternehmen, unter der Leitung von Stephen M. Ward, überführt, derzeit Senior Vice President und General Manager der PCD. IBM hält an der neuen Firma 18,9 Prozent, den Rest teilen sich Lenovo und die chinesische Regierung.

Durch die Übernahme von IBMs PCD ist Lenovo mit einem Schlag in Schlüsselmärkten wie Europa und Amerika präsent. Die Chinesen hatten schon länger versucht, über den asiatischen Markt hinaus zu wachsen. »In Asien ist Lenovo eine feste Größe, die Marke ist dort so bekannt wie Coca Cola«, weiß Actebis-Peacock-Manager Schwellenberg. Erste Kontakte wollte Lenovo auf der diesjährigen Cebit knüpfen ? mit mäßigem Erfolg. Nun ist der Hersteller seinem Ziel einen gehörigen Schritt näher gekommen.

Von der Ausgliederung soll nicht nur die PC-Sparte selbst profitieren, auch IBM erhofft sich zusätzliche Umsätze von einer begleitend abgeschlossenen Vereinbarung, die Big Blue in den kommenden fünf Jahren zum bevorzugten Service-, Support- und Dienstleistungspartner von Lenovo macht. Große Hoffnungen setzt auch der künftige Lenovo-Manager Fischer in das neue Unternehmen: »Die Einkaufskonditionen bei unseren Lieferanten werden sich durch das höhere Produkt-Volumen verbessern. Dadurch reduzieren sich Liefer- und Herstellungskosten«, erklärt er. Entscheidend sei jedoch, dass die PCD-Sparte nun auch den Consumer-Markt bedienen könne. Lenovo ist bisher vor allem im SMB- und Privatkundensegment aktiv. Offen ließ Fischer, in welcher Form man in diesen Markt einsteigen wolle. »Das ist eine länderspezifische Entscheidung, die erst geprüft werden muss«, weicht er aus.

Während IBM und Lenovo positiv gestimmt in die Zukunft schauen, machen sich Teile des deutschen Fachhandels Sorgen um das Geschäft mit IBM-Geräten. »Ich glaube, die Nachfrage nach IBM-Geräten wird auf Grund der Allianz mit Lenovo sinken«, befürchtet Alfred Sahl, Vorstandsvorsitzender des Augsburger Systemhauses Sahl Computer AG. Er geht davon aus, dass für IBM-Partner schwierige Zeiten anbrechen, da bei Fusionen meistens Fachhändler auf der Strecke bleiben. Damit erinnert er an den HP/Compaq-Merger. Fischer versucht, zu beschwichtigen: »Für den Channel wird sich nichts ändern. Alle Produkte und Verträge laufen weiter wie bisher.« Das Gleiche soll auch für Service und Support gelten. Selbst die Ansprechpartner bleiben dem Fachhandel erhalten. »Wir sehen Chancen und Risiken. 2005 wird aber voraussichtlich alles bleiben, wie es ist«, kommentiert Wolfgang Jung, Director Computer Systems & Displays bei Ingram Micro.

Kontinuität ist IBM wichtig. Die vorhandenen Strukturen und natürlich die erfahrenen Mitarbeiter der PC-Division sind die Voraussetzung für den Erfolg der neuen Lenovo außerhalb Asiens. Für die Channel-Partner bleibt daher auch alles beim Alten: Ansprechpartner und Distributoren. »Für uns ändert sich grundlegend nichts«, erklärt Actebis-Peacock-Manager Schwellenberg. »Wir werden langfristig sogar profitieren, insbesondere von den Kostenvorteilen, die Lenovo in die Produktion der Rechner einbringt.«

Um Verwirrungen rund um Produkte und Verfügbarkeiten zu vermeiden, bleibt die für die kommenden 18 Monate aufgestellte Roadmap ohne Veränderungen bestehen. »Im Channel haben wir das Ziel, alle Partnerprogramme, Unterstützungstools sowie die Mitarbeiter- und Managementebenen in das neue Unternehmen zu integrieren«, erklärt Fischer. Deswegen werden die bestehenden Distributoren Actebis Peacock, Also, Ingram Micro, Magirus und Tech Data den deutschen Channel weiterhin betreuen. »Am Commitment von Tech Data zu IBM wird sich nichts ändern ? wir werden unser IBM-Team weiter konsequent ausbauen«, so Mike Cramer, Teamleiter IBM bei Tech Data.

Wolfgang Schäfer, geschäftsführender Gesellschafter des Münchner Systemhauses Brünings und Sander, dagegen sieht die Allianz zwischen IBM und Lenovo entspannt: »Für mich ändert sich in den kommenden zwei Jahren gar nichts. Die Frage ist allerdings, was künftig in Richtung Retail passieren wird?« Eine Frage auf die auch Marc Fischer noch keine Antwort weiß.

Mit dem Verkauf des PC-Geschäfts geht eine lange Ära zu Ende. Vor 23 Jahren entwickelte IBM den ersten Personal Computer »MITS Altair«. Jahrelang verdiente IBM mit PCs und Notebooks gutes Geld, doch zuletzt sackten die Erträge ab. Mit einer Vorsteuermarge von nur 1,6 Prozent stand die PC-Division im Vergleich zu den 9,5 Prozent der übrigen Geschäftsbereiche schlecht da. Sam Palmisano hat daher konsequent gehandelt und sich von einem unprofitablen Geschäftszweig getrennt ? so wie 2002, als er das Festplattengeschäft an Hitachi abgab.

Kommentar

Wenn ein Erfinder sich von seiner Schöpfung trennt, so wie IBM jetzt vom PC, so ist dies stets ein harter Schritt. Die Entscheidung ist aber konsequent und richtig. Der PC ist flügge und zur Commodity geworden, aber er ist dennoch unverzichtbar. Um auch in Zukunft Profite mit den Geräten zu machen, braucht es ein darauf fokussiertes Geschäftsmodell ? ähnlich wie bei Dell. In IBMs serviceorientierter On-Demand-Strategie ist dafür aber kein Platz mehr. Mit Lenovo hat Big Blue einen auf den ersten Blick vielleicht exotisch erscheinenden Partner ausgewählt. Bei genauerer Betrachtung ist aber die Wahl eines Unternehmens aus dem Reich der Mitte eine clevere Entscheidung: China ist nicht nur einer der größten Absatzmärkte, sondern auch das größte Produktionszentrum der Welt ? und das Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft.

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INFO

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