Der Vorsitzende der Piratenpartei fordert die Bundesregierung in einem Interview dazu auf, keine Software von »Datensündern« wie Microsoft, Google und Apple mehr zu verwenden.
Während fast alle Parteien derzeit versuchen, die digitale NSA-Spitzelaffäre für ihren Wahlkampf auszuschlachten, dürfte wohl niemand insgeheim so froh über die Aufregung sein, wie die Piratenpartei. Seit die Piraten vor rund zwei Jahren mit knapp neun Prozent ins Berliner Landesparlament eingezogen sind, vermittelt die Partei zumindest bundesweit den Eindruck, mehr mit der Suche nach Wegen aus der eigenen Unwichtigkeit beschäftigt zu sein, als mit der Suche nach einem umfassenden Wahlprogramm und entsprechend gewichtigen, eigenen Themen. Welch ein Glück also für die politischen Freibeuter, dass da kurz vor der Wahl noch eine Diskussion aufbrandet, das die Partei der Netzbürger schon per Definition für sich entern kann. Lange waren die Piraten nicht mehr so aktiv in der Öffentlichkeit wie in den vergangenen Tagen. So empfiehlt beispielsweise der Vorsitzende Bernd Schlömer in einem Interview mit dem Spiegel, »Der Bund sollte Verträge mit Datensündern wie Microsoft kündigen, von denen klar ist, dass sie mit Nachrichtendiensten kooperieren«. Gleiches gelte selbstverständlich für die anderen üblichen Verdächtigen wie Apple, Google und Facebook. Auch bei künftigen Ausschreibungen sollten entsprechende Unternehmen nach Schlömers Dafürhalten erst gar nicht mehr berücksichtigt werden. Als Alternative schlägt Schlömer den öffentlichen Einrichtungen den weitreichenden Einsatz von open Source Lösungen vor. Zudem sollten die Softwareanbieter gesetzlich dazu gezwungen werden, die Nutzer vollständig über die Verarbeitung und mögliche Weitergabe ihrer Daten zu informieren. Noch einen Schritt weiter geht seine Parteifreundin Katharina Nocun, die gleich eine komplette Abschaffung der Geheimdienste fordert. Statt ihrer Überwachung solle lieber eine Ordnungsmacht ähnlich der Polizei durch Ermittlungen die Schutzfunktion übernehmen. Einen konkreten Vorschlag, wie diese Ermittlungen dann aussehen sollen, kann sie allerdings nicht bieten.
So schön diese Vorschläge im aktuellen Getöse klingen mögen, so naiv sind sie allerdings gleichzeitig auch. Bei aller Kritik an antidemokratischen Generalverdachtsmomenten muss dennoch immer sichergestellt sein, dass Geheimdienste in den wirklich wichtigen Verdachtsfällen im Geheimen operieren können. Wenn der Terrorist oder Großkriminelle vorab informiert wird, dass seine Emails ab sofort weitergegeben werden, verhindert man damit nur eins: Die Verhinderung von Anschlägen und die Austrocknung des organisierten Verbrechens. Bei aller Kritik darf schließlich nicht vergessen werden, dass Firmen wie Microsoft, Apple und Google im Normalfall nicht aus niederen Motiven zum Datensammler für die Geheimdienste werden, sondern um gesetzlichen Vorgaben, vor allem aus den USA, zu entsprechen. Eher sind es also diese antidemokratischen Mechanismen des amerikanisch geprägten Generalverdachts, die angegangen werden müssten. Und auch die totale Open Source Strategie ist nicht wirklich durchdacht. Denn selbstverständlich wird bei dieser Art der Software aus oben genannten Gründen ebenfalls weiterhin eine Teilüberwachung stattfinden. Zudem sind Open Source Produkte alles andere als sicher und zuverlässig gegen Abhörmaßnahmen geschützt – ganz im Gegenteil. Gerade durch ihre Offenheit laden sie dazu ein, sich Hintertürchen zu schaffen und sie zum Ausspähen zu nutzen. Leider verpassen es die Piraten, bei denen man als Außenstehender sowieso nie weiß, ob ihre Mitglieder für sich oder die Partei sprechen, in dieser Diskussion ihr zweifelsohne vorhandenes Fachwissen einzubringen und sich dadurch vom Rest der Schreihälse abzugrenzen. Insofern sind jetzt dank der »bösen« NSA und Softwareindustrie also auch die Piraten mitten im Bundestagswahlkampf angekommen. Statt technisch weniger versierten Bürgern eine klare und verständliche Information zu bieten, richten sie sich nach der dort geltenden populistischen Maxime, lieber die gerne gehörte Botschaft zu verbreiten, als die teilweise unbequeme Wahrheit. Hauptsache, es reicht vielleicht für fünf Prozent der Stimmen.