Der "Faktor Mensch" hat in der Informationssicherheit einen deutlich positiveren Wert, als es die aktuelle Diskussion ahnen lässt. Dies stellten die Referenten auf einer spannenden Simedia-Tagung in Frankfurt fest. Auch praktische Anleitungen zur Einbindung von Mitarbeitern in Sicherheitsmaßnahmen fehlten nicht.
Die IT-Sicherheit behandelt den Menschen primär als Risikofaktor. "Muss man ihn nicht als
Sicherheitsfaktor bezeichnen?", fragten gleich mehrere Vorträge der Tagung "Der Mensch im
Sicherheitskonzept" am 16. Januar in Frankfurt. Je komplexer ein System werde, desto hilfloser sei
die Sicherheitstechnik und desto wichtiger werde der Sicherheitsbeitrag des Menschen.
Für diesen Aspekt allerdings sind viele Spezialisten blind. "Es gibt unzählige Statistiken, die
den Anteil an menschlichen Fehlleistungen bei Luftfahrtunglücken bestimmen", berichtete etwa Rolf
P. Schatzmann von Pricewaterhouse-Coopers Zürich, "aber keine darüber, wie viele Unfälle allein
durch richtige Entscheidungen der Piloten und Lotsen verhindert wurden."
In der IT-Sicherheit sei der Beitrag der Mitarbeiter ähnlich wertvoll. Er könne überdies durch
Verhaltenscodizes gefördert werden – Unternehmen, die sich ethische Richtlinien auf die Fahnen
schrieben, könnten auf signifikant weniger Fälle von Wirtschaftskriminalität verweisen. Ein
weiterer wirksamer Faktor sei ein gutes Unternehmensklima.
Schatzmann warf einen kritischen Blick auf die technische Kontrolle von Arbeitnehmern, die er
primär bei Vorgesetzten verortete, die von ihren Mitarbeitern abhängig sind und den Leistungen
nicht trauen. Er plädierte aber auch dafür, Kontrolle zur Voraussetzung von Vertrauen zu machen.
Damit allerdings führte er nicht nur das Prinzip Vertrauen logisch ad absurdum, sondern opferte
überdies den ökonomischen Vorteil, den vertrauenserfüllte Umgebungen durch die Ablösung teurer
Kontrollmechanismen bieten können. Dennoch machte gerade Schatzmanns sachlicher Vortrag Mut, in
Maßnahmen zur Motivation der Mitarbeiter zu investieren.
Rainer von zur Mühlen vom BDSI und Almuth Wünsch von Incognito zeigten, wie schwierig es ist,
für Kampagnen die Akzeptanz der Mitarbeiter zu erlangen. "Kann man sicheres Verhalten nicht einfach
fordern?", fragte sich das Publikum. Die Referenten aber waren sich einig: Mitarbeit an der
Sicherheit erreicht man nicht durch Anweisungen. Almuth Wünsch wies zusätzlich darauf hin, dass
Regeln in Unternehmen oft gar nicht konsequent umgesetzt werden könnten. Oft schaffe man
Sicherheits-Policies, verlange aber zugleich, dass Mitarbeiter sie für wichtige Kunden außer Kraft
setzten. Solche Unstimmigkeiten müssten in jedem Unternehmen offen angesprochen werden, damit man
trotzdem zu einem vernünftigen Risikoverhalten gelangen könnte, forderten die Referenten.
Ronald Hauber von Daimler zeigte, wie sich Audits positiv auf den menschlichen Beitrag für die
Informationssicherheit auswirken können, wenn man sie als Service für die überprüften Abteilungen
gestaltet und ihren Missbrauch für Machtspiele unterbindet. Dietmar Pokoyski von Known Sense
widmete sich dem Thema Sicherheitskultur und warnte davor, Mitarbeiter wie Kinder mit Tricks "
erziehen" zu wollen: "Das durchschauen Erwachsene sofort". Security-Managern befänden sich "
zwischen der Position eines Doppelagenten und der eines Seelsorgers" und müssten selbst
tiefenpsychologische Grundsätze berücksichtigen – so solle man es ernst nehmen, dass Mitarbeiter
Sicherheitshilfsmittel wie etwa Kennwörter gern mit Persönlichem verknüpfen. Hier nähert sich
Pokoyski dem Autor unseres Kennwort-Tipps auf Seite 70/71, der die Verwendung der Namen von
Haustieren und Familienmitgliedern als Passwörter ins Positive wendet.
Weitere Vorträge befassten sich mit Maßnahmen gegen die Drift zwischen Theorie und Praxis in
existierenden Sicherheitsumgebungen (Cuno Künzler), dem Spannungsfeld Mensch-Technik (Beate
Kallenbach-Herbert), der Wirkungskontrolle von Awareness-Kampagnen (Konrad Zerr) und einer
konkreten Kampagne bei DuMont Schauberg (Jürgen Grüne und Eva Leuer).