Wie die Studie von RAND außerdem zeigt, ist die bisher vorherrschende Annahme, dass die Cyberkriminellen Organisationen in harter Konkurrenz untereinander arbeiten, nur noch bedingt haltbar. Vielmehr findet demnach seit einigen Jahren eine zunehmende Internationalisierung der illegalen Aktivitäten im Internet statt. Die Gruppen aus den einzelnen Ländern spezialisieren sich dabei oft auf bestimmte Kompetenzen oder Aktivitätsgebiete und arbeiten sich gegenseitig zu. So gelten beispielsweise russische Hacker als führend in Sachen Qualität. Sie sind damit vor allem für die besonders schwierigen Attacken zuständig und gelten in illegalen Cyber-Kreisen als beste Wahl zum Angriff auf gut gesicherte Ziele wie Banken und Versicherungen.
Die Hacker aus China und Lateinamerika werden hingegen eher gerufen, wenn Quantität gefordert ist. Zudem sind sie laut der Studie besonders versiert darin, geistiges Eigentum wie Daten oder Baupläne aus Unternehmensnetzwerken zu stehlen. Bei Angriffen auf legale E-Commerce-Plattformen gelten wiederum Hackergruppen aus dem asiatischen Raum rund um Vietnam als führend. Eine kleine Besonderheit gibt es laut RAND bei den amerikanischen Hackern. Sie haben sich vor allem auf den heimatlichen Markt spezialisiert und greifen Ziele in den USA und Nordamerika an.
Um die monetären Transfers für ihre illegalen Produkte, Aktivitäten und Dienstleistungen möglichst unauffällig und für Behörden und Ermittler schwer nachzuvollziehen abzuwickeln, setzen die Cybergangster inzwischen fast ausschließlich auf spezielles digitales Geld, so genannte Crypto-Währungen. Da die öffentliche Aufmerksamkeit für den bekanntesten Vertreter Bitcoin inzwischen zu hoch ist, weichen die Netzwerke der Cybergangster vermehrt auf ähnlich funktionierende Alternativen wie Pecunix, AlertPay, PPcoin, Litecoin, Feathercoin und Bitcoin-Erweiterungen wie Zerocoin aus. Durch die Schattenwährungen wird auch eine weitere beunruhigende Entwicklung möglich. Zunehmend verschmelzen die Cyberkriminellen laut Interpol ihre Aktivitäten mit klassischen Gebieten der organisierten Kriminalität wie dem illegalen Drogen- und Waffenhandel sowie dem Wettgeschäft.
Mit diesen Entwicklungen wird die Cyberkriminalität zu einer immer größeren Gefahr nicht nur für einzelne Unternehmen, sondern auch für ganze Länder und Wirtschaftssysteme. »Die Sicherheitsindustrie, Regierungen und Rechtsgemeinschaften müssen zusammenarbeiten und neue Regelungen einführen, um Unternehmen die Verteidigung gegen Kriminalität im Cyber-Space zu erleichtern«, fordert deshalb Nawaf Bitar, Senior Vice President und General Manager Security Business bei Juniper Networks. Dabei könnte Angriff die beste Verteidigung sein. »Es gilt die Wirtschaftlichkeit des Hackens zu ändern und Wege zu finden, die die Wertschöpfungskette für Angriffe stören«, so Bitar weiter.