Nach dem Blackberry-Ausfall in Nordamerika zweifeln immer mehr IT-Chefs an der Zuverlässigkeit von jungen Shootingstars und überdenken dessen Nutzung und die neue Abhängigkeit.
Als die Telefongesellschaften noch Staatsbetriebe waren, hatte das Thema Betriebssicherheit einen extrem hohen Stellenwert – schließlich hingen unter Umständen die Landesverteidigung, Polizei- oder Feuerwehreinsätze von der TK ab. Doch heute gibt es derart viele parallele Kommunikationskanäle, dass man sich daran gewöhnt hat, dass irgendeiner schon funktionieren wird.
Doch mit der Zunahme von mobilen Business-Geräten wie PDAs und Blackberrys bekommt das Thema Betriebssicherheit wieder einen hohen Stellenwert. Dies spürten letzte Woche Tausende an Blackberry-Anwendern in den USA und Kanada, als das System für rund zehn Stunden vom Blackberry zum Blackout mutierte. "Das hat uns drastisch die Augen geöffnet", sagte danach Charles De Sanno, IT-Chef bei der Behörde der Kriegsveteranen. Seine Einrichtung hat 5800 Blackberrys im Einsatz und plante bis vorige Woche die Anschaffung von weiteren Systemen – doch das ist jetzt alles erstmal auf Eis gelegt.
Was die US-Unternehmenskunden am meisten verärgert hat, war die späte Reaktion des Blackberry-Herstellers RIM. Für über zwei Tage hieß es nur lapidar: "Wir überprüfen den Vorfall." Viele Kunden wussten zunächst gar nicht, ob der Fehler an ihren Servern oder am RIM-Netz liegt. "Zunächst meinten die Anwender, es muss an uns liegen, weil jeder das RIM-Netz für sicher hielt. Wir haben daraufhin mit viel Manpower und Technik unsere eigenen Systeme alle überprüft, bis wir wussten, dass es nicht an uns liegt", schimpft De Sanno. "So kann man mit Business-Kunden nicht umspringen." Jetzt evaluiert er Windows Mobile mit verschiedenen Geräten und will möglicherweise bis Jahresende alles darauf umstellen.
Auch verschiedene Analysten empfehlen den CIOs dringend die Überprüfung der mobilen Infrastruktur. "RIM hätte zeigen müssen, dass es seine Kunden ernst nimmt und sich seiner Verantwortung bewusst ist", sagt Carmi Levy, Analystin bei Info-Tech-Research.
Der Fehler entstand laut RIM-Angaben durch einen nicht ordentlich ausgetesteten Software-Update, der zunächst das Datenzentrum für Nordamerika zum Stillstand brachte. In einem solchen Fall sollten die beiden anderen Datenzentren den Dienst mit einer geringen Leistung übernehmen. Doch auch das war weder ausreichend durchdacht noch genügend erprobt, was zu einem totalen Blackout führte.
RIM hatte in der Vergangenheit einen Rekord nach dem anderen gemeldet. Im April wurde die Acht-Millionen-Marke bei den Abonnenten überschritten. Doch Industriebeobachter fürchteten schon lange, dass das Unternehmen mit seiner Infrastruktur nicht mitgehalten hat. "Es gibt dafür ja keine Benchmarks oder Auditing, man muss sich blindlings auf deren Systeme verlassen", gibt Levy zu bedenken.
De Sanno hat jedenfalls ausgerechnet, dass er mit einer Windows-Lösung nicht nur sicherer, sondern auch kostengüstiger wegkommt. "Wir sparen mindestens eine Million Dollar jährlich. Ich bin gespannt, was mir RIM auf meinen Vorwurf antworten wird", sagt er über seinen Brief an RIMs Co-COO Jim Balsillie. Harald Weiss/wg