Fortschritt ist in diesem Fall nicht gleichbedeutend mit Neuheit. Noch in den 50er Jahren boten führende Sportgeschäfte im Alpenraum Maßanfertigung von Bergschuhen oder Mänteln, bis die Kosten zu hoch wurden.
Und heute? »Die Schuhindustrie ist ein bisschen voraus«, sagt North Face-Managerin Carlier. In der Tat: Adidas bot seit 2015 individualisierte Schuhe an, hat das allerdings kürzlich ohne nähere Erklärung wieder eingestellt.
Doch am Trend ändert das nichts. Die Entwicklung wird im Wesentlichen von drei Faktoren getrieben: Neben dem geändertem Kundenverhalten und der Digitalisierung spielt der knallharte Wettbewerb in der Bekleidungsbranche eine große Rolle.
Die Sportindustrie ist Vorreiter, weil Sportbekleidung in der Regel teuer ist, die Kunden ebenso anspruchsvoll wie willig, Geld auszugeben.» Der Sportmarkt ist heiß umkämpft«, sagt Mathias Böhnke, Vorstand bei der Sporthandelskette Intersport. Die jahrelang starke Expansion im Outdoor-Markt hat sich nach Angaben der European Outdoor Group - dem Fachverband der europäischen Industrie - 2018 auf ein Wachstum im »unteren einstelligen Bereich« verlangsamt. »Eine Reihe von Marken berichtet von sinkenden Zahlen«, sagt EOG-Präsident Mark Held. Das verschärft den Innovationsdruck.
Auch für den von immer stärker werdender Online-Konkurrenz bedrängten Einzelhandel bedeutet die Individualisierung einen Hoffnungsschimmer. »Das Thema Customising ist ein absoluter Megatrend«, sagt Andreas Rudolf, Geschäftsführer der Sporthandelskette Sport 2000. Bei Skischuhen etwa ist zwar nicht die individuelle Fertigung Standard, wohl aber die individuelle Anpassung im Laden. Die bringt höhere Renditen für die Händler. »Was den Ertrag betrifft, ist der Skischuh bei uns Cash Cow«, sagt Rudolf. Sowohl Händler als auch Hersteller hoffen, dass sich dieses Geschäftsmodell von den Füßen auf den restlichen Körper ausdehnen lässt.