Frank Engelhardt, Vice President Enterprise Strategy DACH bei Salesforce, skizziert im CRN-Interview die Auswirkungen und Folgen der Digitalisierung.
CRN: Welche Auswirkungen hat die digitale Transformation auf die Arbeitswelt?
Frank Engelhardt: Berufsbilder werden sich wandeln. Wir benötigen eine Vielzahl an Experten mit den richtigen Skills, beispielsweise in den Bereichen Data Science und Data Management, um die Anforderungen an intelligente Produkte und Lösungen in der digitalen Ära zu erfüllen. So tritt die grundlegende Bedienung von Maschinen in den Hintergrund, während die Steuerung von Systemen und die Datenanalyse im Fokus stehen wird. Ein LKW-Fahrer beispielsweise könnte in wenigen Jahren jede Nacht zuhause schlafen: Das Fahrzeug könnte autonom fahren, während der Fahrer anstatt hinter dem Steuer im Logistikzentrum vor Monitoren und Steuereinheiten Platz nimmt, von wo aus er täglich mehrere LKWs pro Tag auf die Reise schickt und aus der Ferne überwacht. So werden auf ähnliche Art viele Arbeitsplätze nicht verschwinden, sondern durch neue ersetzt werden. Das zeigen auch Erfahrungen aus industriellen Revolutionen der Vergangenheit - so wurden beispielsweise in den USA in den letzten 60 Jahren mehr Jobs im Servicesektor geschaffen als durch die Industrialisierung wegfielen.
CRN: Was müsste sich in der Bildung ändern, damit die Digitalisierung gelingt?
Engelhardt: In der Ausbildung muss der Fokus stärker auf die Fertigkeiten gelegt werden, die für das digitale Zeitalter und die “Arbeit 4.0” wichtig sind. Hervorzuheben sind die MINT-Berufe, wo ein eklatanter Fachkräfte- und Nachwuchsmangel herrscht. Die Begeisterung dafür zu wecken und die Grundlagen zu schaffen muss von den Schulen viel stärker ins Visier genommen werden. Das allein ist aber nicht genug: Die Menschen müssen lernen, ein Leben lang zu lernen. Bildung muss auf neue Weise betrachtet werden: nicht als zeitlich begrenzter, sondern als kontinuierlicher Lernprozess, bei dem vorhandene Fähigkeiten beständig überarbeitet und neue erworben werden. Ein Schlüssel dazu ist die neue Art des Online-Lernens, bei dem jede/r in seinem eigenen Tempo das lernt, was sie oder er möchte und braucht. Ein Beispiel für solch eine E-Learning Plattform ist Trailhead. Einfach erstellbare, spannende Inhalte vermitteln Menschen die Fähigkeiten, die sie in der Arbeitswelt von heute und morgen brauchen - in allen Bereichen von Unternehmensstrategie bis Softwareentwicklung. Dabei ist der Unterricht nicht nur modular sowie zeit- und ortsunabhängig, sondern auch unterhaltsam: Interaktivität und Belohnung für Zielerreichung in Form von Abzeichen lassen den Lernenden stets nach mehr streben.
CRN: Welche Entwicklungen sind bei der künstlichen Intelligenz zu erwarten?
Engelhardt: Die technologischen Fortschritte der letzten Jahre haben Quantensprünge ermöglicht. Die Möglichkeiten werden immer weiter verfeinert. Eines der wesentlichen Spielfelder ist die Spracherkennung. Hier finden die größten Weiterentwicklungen statt, und sie bietet auch die meisten Potenziale, beispielsweise im Bereich Service. Chat-Bots können einfache Standard-Fragen selbstständig beantworten und komplexere Fälle zum richtigen Zeitpunkt nahtlos an den spezialisierten Mitarbeiter übernehmen. Die Experten im Service werden auf diese Weise entlastet, um sich komplexeren Fragestellungen intensiver widmen zu können. Auch in der Computer Vision, die Bild- und Objekterkennung, sehen wir aktuelle große Fortschritte. Sie hat besonders für das autonome Fahren eine hohe Bedeutung. Die Automatisierung wird immer weiter verfeinert, mit dem Ziel, den Menschen das Leben leichter zu machen.
CRN: Hat Deutschland inzwischen bei der Digitalisierung aufgeholt?
Engelhardt: Studien wie beispielsweise der Monitoring-Report Wirtschaft DIGITAL, belegen, dass bei deutschen Unternehmen das Bewusstsein für die Digitalisierung zunehmend wächst. Doch immer noch gibt es Bereiche mit Nachholbedarf, wie beispielsweise die öffentliche Verwaltung. Auch begreift immer noch eine hohe Anzahl vor allem mittelständischer Unternehmer noch nicht, von welcher strategischen Perspektive die Digitalisierung angepackt werden muss. Das Resultat sind oftmals Inselprojekte beziehungsweise ein digitaler Aktionismus, der als reiner Selbstzweck wirkungslos verpufft. Denn im Fokus muss der Kunde liegen, mit seinen Erwartungen und Bedürfnisse. Als Vorzeigebeispiele für kundenzentrierte digitale Strategien lassen sich beispielsweise Robotik-Unternehmen KUKA oder Druckmaschinenhersteller Koenig & Bauer nennen. Beide setzen erfolgreich auf Service-basierte Geschäftsmodelle, die auf intelligenter Vernetzung mit den Kunden basieren. Und der Erfolg gibt ihnen recht: So konnte Koenig & Bauer dadurch in einem schrumpfenden Markt Wachstum erzielen.
CRN: Was erwarten Kunden von den Unternehmen?
Engelhardt: Die Erwartungen der Kunden an Anbieter von Produkten und Dienstleistungen wachsen ständig. Vor diesem Hintergrund müssen sich die Unternehmen transformieren, um Kunden neu zu erreichen. KI-basierte Technologien erleichtern den Firmen diesen Wandel, indem sie die wichtigen Kundenprozesse und -interaktionen unterstützen. Knapp zusammengefasst erwarten Kunden von Unternehmen eine exzellente Kundenerfahrung. Sie wird immer mehr zum entscheidenden Kriterium, einem Anbieter treu zu bleiben - denn die Unterschiede bei Preis und Qualität verschwinden zusehends. Zu einem aus Kundensicht perfekten Erlebnis gehört vor allem das Gefühl, dass das Unternehmen mich als Kunden kennt. Dieses Ziel lässt sich erreichen durch relevante Interaktionen und Informationen zur richtigen Zeit über den präferierten Kanal, eine durchgängige Erreichbarkeit mit möglichst kurzen Reaktionszeiten und vor allem muss es mir als Kunden so leicht wie möglich gemacht werden.