Wie in Unternehmen kommen in der Öffentlichen Verwaltung seit Jahrzehnten vorwiegend proprietäre Software-Lösungen von US-Anbietern zum Einsatz. Mit der Zeit sind so Abhängigkeiten entstanden, die es nun zu entflechten gilt. Wie das vorbildlich klappt, zeigt Schleswig-Holstein.
Schleswig-Holstein meint es ernst mit der Digitalen Souveränität. Mit ihrer Ende November veröffentlichten „Open Innovation und Open Source Strategie“1 verfolgen die Norddeutschen als erstes Bundesland eine weitreichende Umstrukturierung der Verwaltungs-IT, die auf Digitale Unabhängigkeit ausgerichtet ist. „Die öffentliche Verwaltung benötigt verlässliche IT-Komponenten, deren Anschaffung Wahlfreiheit, Anpassungsmöglichkeiten, Wettbewerb und die Kontrolle über die eigene digitale Infrastruktur garantiert“, betont Schleswig-Holsteins Digitalisierungsminister Dirk Schrödter. „Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die technologische Souveränität des Staates hat höchste Priorität beim Einsatz von Software-Lösungen. Die Sicherstellung der digitalen Souveränität ist daher mindestens so wichtig wie die Energiesouveränität“, weiß Schrödter.
Die Unabhängigkeit von einzelnen IT-Anbietern und damit die Sicherstellung der digitalen Souveränität wird in Schleswig-Holstein durch eine vielfältige Anbieterlandschaft, offene Standards und Open-Source-Systeme gewährleistet. Der Zwang, Hersteller-Cloudsysteme zu verwenden – und die damit einhergehenden erheblichen Lizenzkosten – werden von den Verantwortlichen als weitere schwerwiegende Gründe genannt, wieso es dringend erforderlich ist, sich mit alternativen IT-Systemen auseinanderzusetzen. Eines der wichtigsten Werkzeuge, um Souveränität zu schaffen, ist dabei laut Schrödter Open-Source-Software.
Dem Digitalminister und seinen IT-Experten ist bewusst, dass nur mit quelloffener Software die Abhängigkeit zu proprietären Anbietern wie Microsoft gebrochen und die Souveränität für eigene Entscheidungen erreicht werden kann. Und auch in anderen Bundesländern setzt sich diese Erkenntnis zunehmend durch. Beispielsweise nutzen viele der 120.000 Lehrkräfte in Baden-Württemberg bereits einen neuen Digitalen Arbeitsplatz2, der auf quelloffener Software basiert. Bis zum Jahresende sollen alle Lehrerinnen und Lehrer in Baden-Württemberg von der Lösung profitieren.
So konsequent, wie Schleswig-Holstein mit dem kompletten Verzicht auf Microsoft nun vorgeht, ist bislang allerdings niemand vorgegangen. Dieser Schritt dürfte von allen anderen Bundesländern daher mit großem Interesse verfolgt werden.
Im Frühjahr hatte die Regierung in Schleswig-Holstein den Startschuss für den ersten Schritt in Richtung vollständige digitale Souveränität des Landes gegeben. Im April verkündete die schwarz-grüne Koalition unter anderem den Wechsel auf LibreOffice3 als Standard-Lösung für die rund 25.000 IT-Plätze. Die nun veröffentlichte Strategie beschreibt jetzt die weiteren Maßnahmen hin zum digital souveränen IT-Arbeitsplatz. Dazu gehört u.a. der Umstieg auf das Betriebssystem +1.Linux, auf bewährte Open-Source Lösungen für E-Mail, Kalender, und Kontakte, sowie weitere digitale Dienste, um professionelles, kollaboratives Arbeiten zu ermöglichen.
Dabei betont Dirk Schrödter, dass man trotz der für die Digitale Souveränität so wichtigen Umstellung keine Kompromisse eingehe. „Voraussetzung für den flächendeckenden Einsatz von Open-Source-Produkten ist, dass die gewohnten Funktionalitäten mindestens in gleicher Qualität verlässlich funktionieren“, sagt Schrödter. Man werde den Umstieg für die Mitarbeitenden so reibungslos wie möglich gestalten und den gut geplanten Migrationsprozess durch Schulungen unterstützen, damit sich alle sicher und vertraut mit der neuen Software fühlen, so der Bildungsminister.
„Anstatt unsere IT-Finanzmittel in Lizenzgebühren zu stecken, setzen wir sie ein, um Entwicklungs- und Supportverträge zu finanzieren“, hebt Schrödter zudem einen weiteren wichtigen Aspekt hervor. „Mit der Open Innovation und Open Source Strategie treiben wir als digitale Vorreiterregion die digitale Souveränität des Landes weiter voran und setzen uns für offene Innovationen und Open-Source-Lösungen ein“, so Schrödter. „Wir investieren in die Unabhängigkeit, Sicherheit und Handlungsfähigkeit unseres Landes. Das kommt der gesamten Gesellschaft zugute.“
Zu den weiteren Handlungsfelder innerhalb der Strategie gehört unter andrem auch der Aufbau eines Open Source Programm Offices (OSPO) in der Landesverwaltung sowie die Beteiligung an der Deutschen Verwaltungscloud sowie das Ziel, dem Zentrum Digitale Souveränität (ZenDiS) beizutreten.
Beim ZenDiS handelt es sich um eine vom Bund initiierte GmbH, die den öffentlichen Sektor dabei unterstützt, digital unabhängig zu werden. Dank des Rollouts der „Office & Collaboration Suite” openDesk5 steht dem öffentlichen Sektor seit Oktober ein souveräner Arbeitsplatz zur Verfügung, die unter der Leitung des ZenDiS von europäischen Open-Source-Spezialisten entwickelt wurde. Als sichere und anwenderfreundliche Gesamtlösung, die in jedem Browser und auf allen Endgeräten funktioniert, bildet die Suite für Kommunen und Behörden eine wichtige Basis, um sich von den großen Software-Konzernen sowie von anderen Ländern unabhängig zu machen. Die Open-Source-basierte Lösung bietet von der Textverarbeitung über E-Mail-, Kontakt- und Kalenderfunktionen bis hin zu Videokonferenzen, Chats, Tabellenkalkulation, Cloud-Speicher, Projektmanagement sowie ein Wiki alles, was für die tägliche Arbeit benötigt wird. Die Suite ist als Cloud-Lösung seit Oktober verfügbar, kann bei Bedarf aber auch im eigenen Rechenzentrum betrieben werden.
„Die Voraussetzungen für einen Umstieg könnten kaum besser sein“, verkündete Dirk Schrödter anlässlich der Vorstellung der neuen „Open Innovation und Open Source Strategie“ Schleswig-Holsteins. „Der klare Trend hin zum kollaborativen ortsunabhängigen Zusammenarbeiten in der Cloud bietet die einmalige Chance, den Weg in die digitale Souveränität zu einem Zeitpunkt zu gehen, zu dem ein grundlegender Wandel in der Arbeitskultur ohnehin ansteht.“
Somit scheint der perfekte Zeitpunkt gekommen zu sein, die Öffentliche Verwaltung fit für die Zukunft zu machen. Denn dass an der Digitalen Unabhängigkeit kein Weg vorbeiführt, müsste spätestens seit der Präsidentschaftswahl in den USA allen Verantwortlichen klar sein. Wie es gehen kann, hat Schleswig-Holstein gezeigt.
1 https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/themen/digitalisierung/linux-plus1/Downloads/_dateien/open-source-strategie.pdf?__blob=publicationFile&v=1
2 https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/digitaler-arbeitsplatz-fuer-lehrkraefte-startet
3 https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/ministerien-behoerden/I/Presse/PI/2024/CdS/240403_cds_it-arbeitsplatz
5 https://opendesk.eu/