Immerhin: Ein erster Schritt ist mit dem vor einem halben Jahr eröffneten TechQuartier getan. Der zentrale Anlaufpunkt wird von den Fintechs gut angenommen: Nach der Eröffnung im November 2016 wurde im Mai erweitert, für das Jahresende ist eine weitere Expansion geplant. »Wir entwickeln uns zu einer Plattform, auf der Technologien und Geschäftsmodelle in enger Zusammenarbeit mit der Finanzindustrie entwickelt werden«, sagt TechQuartier-Leiter Sebastian Schäfer. Und auch mit dem Kapitalproblem arrangieren sich die Gründer: »Natürlich gibt es viel mehr Venture Capital (Risikokapital) in Berlin, aber vom Know-how her ist Frankfurt ein super Ökosystem«, findet dwins-Mitgründer Alexander Michel, der zusammen mit seinem Zwilligsbruder an einer umfassenden Banking-App arbeitet. Alle für die Fintechs relevanten Experten seien vor Ort - die Finanzaufsicht Bafin, die Europäische Zentralbank und zahlreiche Großbanken.
Dies führt dazu, dass sich in Frankfurt vorrangig Fintechs ansiedeln, die ihr Geschäftsmodell auf Unternehmen ausgerichtet haben und weniger auf die Verbraucher. »Das ist eine eigene Marke, die Frankfurt hat«, sagt Start-up-Experte Gahn von der Deutschen Bank. Mit Startups@Germany hat sich der heimische Bankenprimus in der Szene etabliert, betreut Gründer und hilft mit seinem Netzwerk, Kooperationspartner und Kapital zu finden. Die Commerzbank hat etwas ähnliches mit dem main incubator aufgezogen. Die Deutsche Börse ist gleich mehrfach aktiv: mit einer Beteiligung am TechQuartier und mit ihrem eigenen FinTech Hub. Dort kommen Gründer mit anderen Gründern und Investoren in Kontakt. Die vier Start-ups, die bereits eingezogen sind, wohnen mietfrei. »Sie müssen sich um nichts kümmern und können das Geld eins zu eins in die Produktentwicklung stecken«, erklärt Hub-Manager Oliver Mahr. Im Gegenzug erhofft sich die Deutsche Börse den ein oder anderen Gedankenanstoß für ihr eigenes Geschäft.
Die Frankfurter Charmeoffensive zeigt Wirkung: WebID Solutions, ein Start-up für Online-Identifikation, will im Herbst seinen Hauptsitz von Berlin nach Frankfurt ins TechQuartier verlagern. Gründer Frank Stefan Jorga findet: »Frankfurt am Main ist und bleibt die deutsche Finanzhauptstadt.« Doch trotz aller Mühen ist Berlin weiterhin die Nummer eins der deutschen Start-up-Szene. Ein Faktum, das sich nach Ansicht des Comdirect-Experten Smolinski so schnell nicht ändern wird: »Ich gehe davon aus, dass man in Frankfurt durchaus eine gewisse Dynamik erzeugen kann. Doch dass Frankfurt Berlin kurzfristig überholt, selbst im Fintech-Bereich, halte ich für eher unwahrscheinlich.« Denn, so Smolinski: »Frische Ideen gehen eher nach Berlin.«