Schlechte Zeiten für Respekt und Wertschätzung

Trumpisierung in den Führungsetagen

27. August 2018, 10:03 Uhr |

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Mitarbeiter mutieren zu Human-Kapital

Die Folge einer solchen Unternehmens-»kultur«: Ein Zusammengehörigkeitsgefühl gibt es nicht oder nicht mehr, wie es früher in Begriffen wie Siemens- oder Bosch-Familie zum Ausdruck kam. In welchen Betrieben nennen sich die Mitarbeiter heute noch stolz »Opelaner«? Nur in ganz wenigen Unternehmen ist dies noch der Fall! Statt Gemeinschaft sind Einzelkämpfer am Werk. Jeder ist, überspitzt formuliert, mit dem eigenen Überleben beschäftigt, und das, obwohl doch zunehmend eine bereichs- und funktionsübergreifende Team- und Projektarbeit gewünscht sein soll. Der Widerspruch liegt auf der Hand, wird aber kaum erkannt.

Das überrascht zum Teil. Denn die deutsche Wirtschaft boomt seit circa einem Jahrzehnt, die Zahlen in fast allen Unternehmen stimmen. Deshalb könnten die Verantwortlichen an der Spitze eigentlich relaxt sein und die Herausforderungen entspannt und systematisch angehen, vor denen sie vor allem vor dem Hintergrund der Digitalisierung stehen. Das tun sie aber nicht. Stattdessen wird der Druck auf den »Kessel«, teils auch getrieben durch die immer unersättlicher werdenden Finanzmärkte, weiter erhöht, mit der Konsequenz, dass das Betriebsklima stets rauer wird.

Zugleich wird jedoch betont: »Wir brauchen intrinsisch motivierte Mitarbeiter, die sich mit dem Unternehmen identifizieren und sich eigeninitiativ und -verantwortlich für das Erreichen der Ziele des Unternehmens engagieren.« Doch woher sollen diese kommen, wenn die Mitarbeitern zugleich registriert feststellen müssen: »Wir sind eigentlich nur noch Human-Kapital, das je nach Bedarf auf- und abgebaut sowie eingesetzt wird.«

Wenn Mitarbeiter diesen Widerspruch spüren, dann gehen sie zu Recht emotional auf Distanz zum Unternehmen und ihre Handlungsmaxime lautet – ähnlich der von Kapitalgebern: Wie ziehe ich aus der Beziehung den größten Profit?


Wertschätzung und Respekt spüren

Wenn in den offiziellen Verlautbarungen der Unternehmen immer wieder von einem partnerschaftlichen, von wechselseitigem Respekt geprägten Umgang miteinander gesprochen wird, dann müssen die Mitarbeiter dies auch im Betriebsalltag spüren. Dann ist es schlicht abträglich, dass ein altgedienter Mitarbeiter ohne ein Wort des Dankes in den Ruhestand entlassen wird. Passiert dies, hat das eine nicht zu unterschätzende Signalwirkung für alle verbleibenden Mitarbeiter. Sie befürchten wohl nicht zu unrecht, dass sie ebenso behandelt werden.

Ähnliche Signalwirkung hat ein respektloses Abkanzeln im Meeting, wenn Führungskräfte sachliche Bedenken einer Fachkraft unsachlich bei Seite wischen und auf die persönliche Ebene ziehen. Dann denken alle anderen: »Ich halte künftig besser meinen Mund.«

Nicht viel anders verhält es sich bei kurzfristiger, nicht persönlich sondern per Mail angesagter Mehrarbeit, die ohne Rücksicht auf private oder familiäre Verpflichtungen eines Mitarbeiters angeordnet wird. Das spricht sich herum. Es entsteht der Eindruck bei allen anderen Mitarbeitern, dass ihre persönlichen Interessen, Ziele und Verpflichtungen hier in diesem Unternehmen offensichtlich niemanden interessieren. Die fatale Haltung greift um sich, warum man sich denn mehr für das Unternehmen engagieren solle als es einem unmittelbar zu Gute kommt.

Entsprechend reagieren die Mitarbeiter, wenn ihre Führungskraft, weil sie etwas möchte, plötzlich an das »Wir« appelliert. »Wir sollten …, wir wollen…, „wir müssen …« Dann sagen zwar alle mit den Lippen ja, und täuschen das gewünschte Engagement vor. Doch faktisch denken sie: »Und was habe ich davon? Die können mich mal.«


  1. Trumpisierung in den Führungsetagen
  2. Mitarbeiter mutieren zu Human-Kapital
  3. »Klartext-Redner vertragen meist keinen Klartext«

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