Wenn Wannacry Radarfallen befällt, können Verkehrssünder auf Straffreiheit hoffen. Für findige Systemhauschefs mit einem Faible für viel PS tun sich neue Welten auf.
Wer in Deutschland als PS-begeisterter Chef eines IT-Dienstleisters regelmäßig seiner Liebe zum schnellen Fahren frönt, für den ist oft die Punkteliste in Flensburg das persönliche Damoklesschwert: Aufgehängt von den Verkehrsbehörden am seidenen Haar wartet es nur darauf, beim nächsten Geschwindigkeitsvergehen hinabzusausen, den geliebten »M5« oder »RS6« am Asphalt festzupinnen und den armen Geschäftsführer in den kommenden Monaten seines Geschwindigkeitsrausches zu berauben. Wehmütig blickt der geplagte Autoliebhaber in diesem Moment ans andere Ende der Welt: nach Australien.
Das heiße Outback scheint das letzte Mekka für Autofans und Hobbyrennfahrer zu sein, schließlich hat die australische Polizeibehörde 590 Verkehrsstrafen zurückgezogen. Allerdings passierte das dort nicht aus Solidarität mit den überführten Verkehrssündern, sondern ging vielmehr auf eine Infektion zahlreicher Radarkameras mit Wannacry zurück. Offenbar liefen die Kameras mit einer Windows-Variante, die vom Systembetreiber nicht mit den notwendigen Sicherheitsupdates versorgt worden war. Dem gehörnten deutschen Systemhauschef kommt ein schrecklicher Verdacht: Es wird doch nicht sein australisches Pendant die Kameras in unendlicher Weitsicht auf einem unsicheren Betriebssystem belassen haben, um ungestört seiner Freude am Fahren nachgehen zu können? So viel moralische Verdorbenheit wäre bei einer ehemaligen Strafkolonie ja allemal vorstellbar.
Doch halt! Proklamieren nicht auch staatliche Stellen IT-Sicherheitslücken als Voraussetzung, um die Sicherheit der Bundesbürger bewahren zu können? Wäre das Aufspielen von unsicheren Software-Lösungen auf die IT der lokalen Polizeibehörde nicht vor allem ein Dienst an Staat und Gesellschaft? Winkt nicht vielleicht sogar ein Bundesverdienstkreuz, das auch den Kühlergrill seines PS-Boliden schmuckvoll verzieren würde? Grüne Wellen und nicht zugestellte Strafzettel wären bei so viel Anerkennung zwar nur Beiwerk, aber einem geschenkten Gaul … Voller Vorfreude zückt der Systemhauschef sein Handy und wählt die 110. Es gilt, einen neuen Kunden zu gewinnen.