Stehen Investoren, die Systemhäuser kaufen wollen, wirklich vor einem leer gefegten Markt? Oder ist es nicht eher umgekehrt? Ein Vergleich zu Betongold drängt sich auf.
Editorial
Gibt es tatsächlich zu wenige Inhaber von IT-Häusern, die Kasse machen wollen und Investoren daher in einem Verkäufermarkt auf viel zu wenig Angebote treffen, wie Mike Bergmann feststellt? Aus der Bechtle-Vorstandetage heißt es dazu übrigens regelmäßig: Die Verkaufsprospekte der M&A-Berater würden sich in Neckarsulm zu einem Berg stapeln, die Preisvorstellungen seien indes utopisch hoch, sagen die Schwaben. Also doch keine Spur von mangelnden Angeboten. Es prallen Extreme aufeinander zwischen Verkäufermarkt und Anbietermarkt.
Fakt ist: Wer als großes Systemhaus eine expansive Wachstumsstrategie verfolgt, muss schon allein wegen akutem Mangel an IT-Spezialisten zu Akquisitionen greifen. Da ist es als Käufer gut, nicht allzu sehr den Mangel an Übernahmekandidaten zu beklagen und damit die Preisphantasie der Verkäufer in die Höhe zu treiben. Ängste zu schüren und dem mittelständischen Mitbewerber zu signalisieren, er sei angesichts der rasanten Transformation des IT-Dienstleistungsmarkts nur an der Seite eines »#zukunftsstark« aufgestellten Riesen (siehe Bechtles Twitter-Hashtag) bestens aufgehoben, kann da nicht schaden. Systemhäuser könnten sich »glücklich schätzen, unter das Bechtle-Dach aufgenommen zu werden«, sagte einmal passend dazu Bechtle-Bereichsvorstand Axel Feldhoff in einer CRN-Diskussion.
Tatsache ist auch: M&A-Berater wollen das Beste für ihre Klientel (und ihre Provisionen) herausholen, einer Verknappung des Angebots das Wort zu reden, gehört praktisch zum Handwerk.
Vielleicht ist es so wie beim Betongold: Es gibt genügend Schrottimmobilien in strukturschwachen Regionen, die keiner haben will. Die Perlen in bester Lage sind indes rar und haben ihren Preis. Ob sie es wert sind, ist übrigens nicht allein eine Frage des Gelds.
Martin Fryba
CRN-Chefredakteur