Swissbit stärkt globales Security-Geschäft mit neuer Strategie
Auf Basis eines Hintergrundgesprächs mit connect professional zeichnet sich ab: Swissbit richtet seine Security-Unit neu aus. Mit Hendrik Flierman und einem anstehenden Führungswechsel setzt das Unternehmen auf Hardware-Souveränität, Channel-Ausbau und internationale Märkte – enger verzahnt als je zuvor.
Als Hendrik Flierman im September seine neue Rolle bei Swissbit antrat, stand dahinter ein bewusster Schritt: Nach über 20 Jahren bei G Data öffnete sich für ihn die Chance, noch einmal eine neue Perspektive einzunehmen. „Wenn du einen vernünftigen Wechsel machen möchtest, dann ist jetzt die Zeit“, beschreibt er seinen Entscheidungsprozess. Zugleich räumt er ein, dass der Abschied aus einem Gründer-geführten Unternehmen emotional herausfordernd war: „Es hat ein paar Wochen gedauert, bis man diese Nabelschnur durchgeschnitten hat.“
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Swissbit verfolgt parallel eine klare Agenda. Das Unternehmen wurde 2001 als Management-Buy-Out von Siemens Halbleiter in der Schweiz gegründet, kommt historisch aus dem Bereich industrieller Speichermedien und verfügt in Berlin über eine eigene Fab mit hoher Fertigungstiefe. Auf dieser Basis baut Swissbit seine Security-Aktivitäten strategisch aus. Dabei positioniert sich Swissbit in einer Nische, die lange vernachlässigt wurde: der sicheren Schnittstelle zwischen IT- und OT-Welt. In Zeiten strengerer EU-Regulatorik und wachsender geopolitischer Unsicherheit gewinnt genau dieses Segment rasant an Bedeutung.
Zudem differenziert sich Swissbit klar vom Wettbewerb: Kaum ein Anbieter kombiniert Fertigung in Deutschland, tiefes Security-Engineering und industrielle Robustheit so konsequent wie Swissbit. Genau diese Kombination ist Grundlage der neuen Security-Strategie – und einer der Gründe, weshalb Flierman den Wechsel als „spannende Herausforderung“ beschreibt.
Breiter aufgestellt: Security als strategische Säule
Was Flierman an Swissbit reizte, ist die Kombination aus Produktion in Deutschland, hoher Fertigungstiefe und einem Security-Portfolio, das weit über klassische Authentifizierungsgeräte hinausgeht. Swissbit sei, so Flierman, kein Massenspeicherhersteller à la Seagate oder Western Digital, sondern entwickele spezialisierte Speichermedien und Hardware-Security-Module für Industrie, IoT und Behörden.
Besonders die Verbindung aus IT- und OT-Security sieht der Sales Director als Stärke: „Diese Welten hängen zusammen – aber sie werden nie richtig verheiratet.“ Mit Produkten wie dem „iShield Key“, einer hardwarebasierten FIDO2-Lösung, will Swissbit genau diese Lücke schließen. Hardware-Tokens seien ein effektiver Hebel gegen Social Engineering und Passwortmissbrauch: „Mit so einem Token kann ich das sofort eliminieren.“
Außerdem bietet der Stick im Gegensatz zu vielen Wettbewerbern deutlich mehr Anwendungsszenarien. „Wir haben nicht nur die Zwei-Faktor-Authentifizierung. Der iShield Key 2 lässt sich gleichzeitig auch für Access Control nutzen und unterstützt dafür mehrere Protokolle wie MIFARE oder HID Seos – damit kann man ihn für Schließsysteme, Zeiterfassung oder Secure Printing einsetzen.“ Dass Swissbit die Hardware selbst produziert, sorgt zusätzlich für Vertrauen. Viele Partner seien überrascht, „dass es überhaupt eine Firma gibt, die so etwas in Deutschland fertigt“.
Damit adressiert Swissbit nicht nur Corporate-IT, sondern auch Industriekunden, Behörden sowie stark regulierte Branchen. Die Relevanz wächst: NIS2, DORA, der Cyber Resilience Act und BSI-Vorgaben erhöhen den Druck auf Unternehmen, identitätsbezogene Prozesse technisch und regulatorisch abzusichern. Besonders dort, wo OT- und IT-Welten aufeinandertreffen – etwa in Energie, Gesundheit, Produktion oder kritischen Infrastrukturen – wird Hardware zum zentralen Baustein zukünftiger Sicherheitsarchitekturen.
Gleichzeitig rücken neue Märkte ins Blickfeld: Von Polizeidrohnen bis hin zu industriellen Steuerungen kommen bereits Secure-Element-Speicherkarten zum Einsatz. Für die kommenden Jahre nimmt Swissbit verstärkt Military- und Aerospace-Szenarien in den Fokus. Ein Segment, das aufgrund geopolitischer Entwicklungen und strenger Sicherheitsanforderungen erheblich wächst.
Channel weiter gedacht – und global
Der Übergang vom Direktvertrieb zu einem internationalen Channel-Modell ist eine der größten Veränderungen für Flierman. „Es ist schon anders. Bei G Data habe ich direktes Geschäft gemacht, jetzt ist es klassisch Distribution“, sagt er. Swissbit baut dafür ein neues Partnerökosystem auf – inklusive Schulungen, neuer Partnerverträge, technischer Enablement-Formate und einer für den Channel optimierten Webpräsenz.
Flierman bringt dafür ein großes Netzwerk aus seiner bisherigen Tätigkeit mit. Dennoch sei vieles neu: „Es gibt Reseller, die wirklich tief im Identity Management unterwegs sind – das machen nicht alle Systemhäuser.“ Aktuell arbeitet Swissbit im Bereich seiner Authentifizierungslösungen unter anderem mit Allnet, Infinigate und Sysob zusammen. Zudem kooperiert das Unternehmen mit spezialisierten Distributoren für seine Lösungen im Segment Technische Sicherheitseinrichtungen (TSE) zur manipulationssicheren Aufzeichnung von Kassendaten. Rund 200 Channel-Partner will Swissbit im kommenden Jahr gewinnen – ein deutlicher Ausbau gegenüber heute. Auch das interne Team wächst: von heute rund zehn Mitarbeitenden auf geplante 25.
Gleichzeitig passen sich interne Strukturen an. Der Security-Bereich bildet eine eigene Säule, arbeitet aber eng mit der Speicherseite zusammen. „Wir haben zwei Welten, die unterschiedlich funktionieren, aber Synergien bieten. Die Swissbit lässt mir da absolut freie Hand.“
Auch eine neue Erkenntnis für Flierman: Die internationale Distributionslandschaft zeigt dabei deutliche kulturelle Unterschiede. „In Deutschland sind wir sehr konservativ und zahlengetrieben“, sagt Flierman. „Die Asiaten rennen gerne mit wehenden Fahnen los, und in den USA ist Marketing entscheidend.“ Entsprechend differenziert geht Swissbit bei seiner Markterschließung vor: erst DACH festigen, dann Südeuropa, später Middle East und Asien – jeweils mit den passenden Distributionspartnern.
Ein weiterer Schlüssel für Swissbits Sichtbarkeit sind Messen – nicht nur die it-sa, sondern auch die RSAC in San Francisco sowie branchenspezifische Industrie-, Fiskal-, Drohnen- und Hotelgewerbeformate. Für Flierman bedeutet das: „Jede Woche zwei bis drei Tage unterwegs“ – und genau das entspricht seinem Wunsch, wieder internationaler zu arbeiten.
Neue Führung, neue Impulse
Zum Jahreswechsel 2026 übernimmt Dr. Stefan Hofschen die Rolle des CEO. Der ehemalige Chef der Bundesdruckerei bringt jahrzehntelange Erfahrung aus Halbleiter-, Chipkarten- und Security-Märkten mit. Für Flierman ist das ein wichtiges Signal: „Ich denke schon, dass das neue Impulse bringen wird. Er kennt beide Welten und bringt ein spannendes Netzwerk mit.“
Der bisherige CEO Silvio Muschter wechselt als Group CTO in eine technologisch ausgerichtete Rolle – ein Schritt, der die technologische Weiterentwicklung bündeln soll. Besonders die Security-Sparte dürfte davon profitieren, da Themen wie Post-Quantum-Kryptografie oder die engere Verzahnung von Speicher- und Security-Technologien künftig an Bedeutung gewinnen.
Swissbit setzt damit ein klares Zeichen: Das Unternehmen will nicht nur wachsen, sondern sich über seine Rolle als Spezialist für industrielle Speicherlösungen hinaus als führender europäischer Anbieter für sichere Hardware und Identitätsmanagement etablieren. „Wir wollen strategisch neue Zukunftsmärkte aufmachen und sind schon jetzt deutlich umtriebiger, als viele im Markt vermuten“, betont Flierman zum Abschluss des Gesprächs.