Virtuelles Hosting, Cloud Computing und Co.

Alternative zum eigenen RZ

30. August 2010, 6:00 Uhr | Jens Leuchters, Country Manager in Deutschland und Geschäftsführer in Österreich bei Interoute

Die Unternehmens-IT beherrscht seit einiger Zeit souverän ein Thema: Cloud Computing. Virtualisierung und Cloud Computing gehörten auf der letzten CeBIT zu den Trendthemen, und auch im Sommer 2010 vergeht keine Woche, in der nicht ein Anbieter von IT-Lösungen sein Cloud-Portfolio entdeckt oder ausbaut. Die immer optimistischer werdenden Prognosen der Analysten legen den Schluss nahe, dass die Unternehmen - trotz mancher Sicherheitsbedenken - ihre Skepsis nach und nach verlieren.

Die Analysten überschlagen sich förmlich mit Prognosen zur goldenen Zukunft von Cloud Computing.
Die Gartner Group erwartet, so aktuelle Zahlen, dass in diesem Jahr damit 55 Milliarden Euro
umgesetzt werden. Die weltweiten Umsätze mit Cloud Computing würden demnach im Vergleich zum
Vorjahr um 16,6 Prozent wachsen. Die Marktforscher von IDC errechnen für 2013 indes ein geringeres
globales Volumen von 44,2 Milliarden US-Dollar, was aktuell 35,8 Milliarden Euro entspräche. Das
deutsche Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Techconsult sieht die Dienste aus der Wolke in
Deutschland ebenfalls auf einem steilen Wachstumspfad. Hier sollen die Umsätze von 285 Millionen
Euro im Jahr 2009 auf prognostizierte 564 Millionen Euro im Jahr 2011 steigen.

Ein Grund für diese stark differierenden Umsatzerwartungen bei den weltweiten Zahlen ist sicher,
dass sich Analysten ganz allgemein auf unterschiedliche Datengrundlagen stützen. Beim Thema Cloud
Computing fällt aber viel mehr ins Gewicht, dass die Begrifflichkeiten und Abgrenzungen in diesem
vergleichsweise jungen Markt nicht wirklich klar sind. Cloud Computing wird häufig gleichgesetzt
mit den Angeboten von Amazon, Google und Salesforce. Doch dies greift zu kurz. Die Angebote dieser
Firmen lassen sich unter den Oberbegriff Public Cloud zusammenfassen. Es gibt aber auch noch die
Private Cloud und Kombinationen unterschiedlicher Cloud-Elemente.

Virtualisierung und Cloud Computing

Cloud Computing bezeichnet den Ansatz, Rechenkapazitäten, Datenspeicher und Anwendungen über das
Internet und nicht mehr nur auf dem lokalen Rechner zur Verfügung zu stellen. Dienste werden nach
tatsächlicher Nutzung abgerechnet, und die eigene Datenverarbeitung ist für bestimmte Aufgaben
ausgelagert – in Teilen oder sogar vollständig. Die Aufgaben sind also von den physischen
Gegebenheiten wie Servern, Software auf den Servern und ähnlichem getrennt.

Eine der wesentlichen technischen Grundlagen für Cloud Computing ist die Virtualisierung der IT.
Auf dieser Ebene sind die logischen Server- und Speichersysteme definiert, über die später
Cloud-Dienste arbeiten. Diese Systeme können sich über zahlreiche physische Geräte erstrecken.
Neben der Virtualisierung ist die ständige Verfügbarkeit die zweite Grundvoraussetzung für die IT
in der Wolke.

Unternehmen setzen schon seit längerem auf Virtualisierung, um die Auslastung der
Client-Server-Infrastrukturen sowie die Effizienz und Verfügbarkeit der Ressourcen und Anwendungen
zu verbessern, und auch, um Kosten bei der physischen IT-Infrastruktur und dem IT-Management zu
senken. Virtualisierte IT-Umgebungen lassen sich sowohl im Rechenzentrum eines Unternehmens als
auch in dem seines Dienstleisters betreiben. Als eine Einstiegslösung gelten häufig virtuelle
Server.

Derzeit lagern Unternehmen IT-Infrastrukturen und Daten noch häufiger in ein klassisches
dediziertes Hosting aus. Die Nachfrage nach virtuellem Hosting nimmt aber zu. Auf dem Weg zum
virtuellen Rechenzentrum gibt es einige Abstufungen vom Hosting mit virtuellen Elementen bis hin
zum dedizierten virtuellen Hosting, was der Enterprise Cloud, die eine Variante der Private Cloud
ist, entspricht.

Dediziertes Hosting mit ersten virtualisierten Elementen: Bei diesem Ansatz stellt der
Dienstleister einem Kunden die Server-Infrastruktur dediziert zur Verfügung. Die Größe der
Implementierung variiert von einem dedizierten Server am unteren Ende bis zu sehr komplexen
Managed-Hosting-Lösungen. Ein Beispiel: Ein Automobilhersteller startet eine neue Werbekampagne und
erwartet kurze Lastspitzen auf der Website. Dann bietet eine zusätzliche virtuelle Instanz für
einen zeitlich begrenzten Zeitraum die Sicherheit, dass die Infrastruktur einer plötzlich erhöhten
Nachfrage stand hält.

Gemeinsam genutzte virtuelle Umgebung (shared virtual): In diesem Modell verkaufen
Hosting-Provider virtuelle Bereiche der Server-Infrastruktur wie individuelle virtuelle Instanzen
oder logische Partitionen an mehrere Kunden einer gemeinsam genutzten Infrastruktur. Dies kann ein
geclusterter Server mit einer Lastverteilung sein, die sich auf die Hardwarekomponenten stützt.
Einsatzbeispiele sind wenig frequentierte Web-Seiten oder kleinere Installationen wie ein
Download-Server, der ein Frontend bereitstellt und auf eine Quelle verlinkt.

Dediziertes virtuelles Hosting (dedicated virtual): Dabei stellt der Provider einem einzigen
Kunden vollständige Server-Strukturen zur Verfügung. Dabei kann es sich um einen virtuellen Server,
Blade Server oder auch eine geclusterte Server-Plattform handeln. Der Kunde behält die Kontrolle
über seine IT-Ressourcen. In diesem Fall lassen sich ganze Systemlandschaften aufbauen und darauf
Infrastrukturen betreiben. Diese Enterprise Cloud genannte Umgebung eignet sich für Unternehmen,
die mit schwankendem Nutzerverhalten konfrontiert sind. Ein Beispiel hierzu findet sich im Kasten
auf Seite 20.

Geografisch verteiltes virtuelles Hosting: Hier sind in geografisch weit voneinander entfernten
Rechenzentren die IT-Infrastrukturen an jedem Standort voll redundant ausgelegt. Fällt eine
virtuelle Maschine am ersten Standort aus, dann übernimmt die andere virtuelle Maschine am zweiten
Standort unmittelbar nach dem Ausfall den Betrieb der virtuellen Umgebung. Die Funktionalität
ähnelt stark dem Managed Hosting auf einem dedizierten Server, das Bezahlmodell ist jedoch oft
nutzungsabhängig und flexibel kündbar.

Abgrenzung von Public Cloud und Enterprise Cloud

Die genannten Hosting-Modelle stellen allesamt Virtualisierungsumgebungen dar, die zur
Enterprise Cloud hinführen oder bereits schon eine Enterprise Cloud bilden. Sie grenzt sich in
Hinblick auf Verfügbarkeit und Sicherheit klar von der Public Cloud ab. Die Public Cloud bietet
eine öffentliche Infrastruktur, die sie einer großen Zahl von Firmen zum Beispiel als virtuelle
Server, die diese mieten können, zur Verfügung stellt. Dies macht beispielsweise Amazon mit seiner
Infrastruktur-Cloud EC2 so. Der Amazon-Kunde nutzt den Service nur bedarfsweise, muss sich keine
Gedanken über Prozessorlast und Speicherbedarf machen – und zahlt nur für die tatsächliche
Nutzung. Zweite wichtige Variante von Cloud-Services sind Web-basierende Dienste mit Schnittstellen
oder Entwicklungsplattformen. Erwähnt werden sollte hier der Vollständigkeit halber eine dritte
Variante, die in Richtung Software as a Service geht. Dabei stellt ein Unternehmen im Mietmodell zu
einem monatlichen Preis seine Software über die Cloud zur Verfügung.

Ein Beispiel für eine Public Cloud ist das Artikelarchiv der New York Times (NYT). Die Aufgabe,
also das Speichern eines Artikels als PDF-Datei und das Bereitstellen dieser Datei für den
jeweiligen Leser wird in der Public Cloud von Amazon erledigt. Die NYT benötigt nur für diese
spezielle Aufgabe Rechenleistung von Amazon und zahlt dementsprechend nur von Fall zu Fall. Dies
macht den Charme der Public Cloud aus: das Bereitstellen von Rechenleistung bei wechselnden Lasten
für unterschiedliche Kunden auf einer Plattform. Eine geschäftskritische Anwendung wie das
Redaktionssystem der New York Times wäre für eine Public Cloud eher nicht geeignet. Denn dort kommt
es darauf an, dass die Infrastruktur ausfallsicher, hochverfügbar und hochsicher ist. Da auch die
tägliche Last auf der IT-Umgebung vorhersehbar ist, ergibt ein Abrechnungssystem pro Aufgabe wenig
Sinn. Hier handelt es sich zudem nicht um eine einzelne Aufgabe, die automatisiert erledigt werden
kann, sondern um eine komplexe IT-Umgebung mit einer Vielzahl von Aufgaben. Zur größeren Gewissheit
über den Aufenthaltsort der Daten sollte der IT-Abteilung der NYT auch der Standort des
Rechenzentrums bekannt sein. Dies leistet die Enterprise Cloud, nicht die Public Cloud.

Was viele Unternehmen zögern lässt, geschäftskritische Informationen in die Public Cloud
auszulagern, sind also drei Aspekte. Einmal können sie nicht sicher sein, dass die Umgebungen
wirklich hochverfügbar und ausfallsicher sind. Zweitens erfahren sie nicht, auf welchen Servern und
in welchem Land, sich die Daten physisch befinden. Und drittens ist offen, ob die
Cloud-Infrastrukturen in den Rechenzentren gegenseitig abgesichert sind. Unternehmen müssen aber
Gewissheit darüber haben, dass ihre diese Informationen sicher sind – oder auch wissen, was
passiert, wenn das Angebot ausfällt. Denn ein Ausfall könnte nicht nur die Kommunikation, sondern
ganze Geschäfts- oder Produktionsprozesse stoppen, was verheerende Folgen nach sich ziehen
würde.

Für Geschäftskritisches gut geeignet: Enterprise Cloud

Die Grundidee, über Virtualisierung Rechenkapazitäten, Daten und Anwendungen in eine "Wolke"
auszulagern, ist bei Public und Enterprise Cloud dieselbe. Die Enterprise Cloud bietet aber gerade
die Sicherheit, die Public Clouds oft vermissen lassen. Sie ist eben nicht außerhalb des Zugriffs
des Unternehmens, das Daten dorthin auslagert. Dies liegt daran, dass bei diesem Cloud-Ansatz eine
dedizierte virtuelle Umgebung geschaffen wird, also ein Hosting auf definierten und bekannten
Servern oder Server-Farmen. Die Enterprise Cloud kann sich sowohl im Unternehmen selbst als auch im
Rechenzentrum eines externen Dienstleisters befinden.

Eine solche von externen Dienstleistern bereit gestellte Cloud bietet sowohl die Vorteile der
Virtualisierung als auch die Sicherheit und Verfügbarkeit, wie sie die meisten Rechenzentren im
klassischen dedizierten Hosting schon lange aufweisen. Meist gewährleisten ausgefeilte
Sicherheitsmechanismen ein sehr hohes Maß an Schutz vor Attacken von außen und vor unbefugtem
Zugriff.

Wer seine IT oder Teile seiner IT in eine Cloud-Umgebung auslagern will, sollte vorab im Rahmen
eines Konzepts klären, welche Aufgaben und Einsatzgebiete virtualisiert werden sollen. Die
Entscheidung für eine Cloud, die geschlossene Enterprise Cloud oder die gemeinsam genutzte Public
Cloud, sollten die Verantwortlichen erst danach treffen.

Ein Hosting-Dienstleister wie beispielsweise Interoute stellt eine Enterprise Cloud, also eine
dedizierte virtualisierte IT-Umgebung in einem oder mehreren Hochsicherheitsrechenzentren zur
Verfügung, betreibt und managed sie. Public Cloud-Infrastrukturen hingegen bieten eher
anwendungsorientierte, automatisierte Dienste und weniger auf den Kunden zugeschnittene
Rechenzentrumsleistungen. Gerade mittelständische bis große Unternehmen legen aber großen Wert auf
Dienstleister, die über eine umfassende Kompetenz im IT-Service und Infrastrukturbereich
verfügen.

Fazit

Unternehmen, die flexibler ihre IT-Infrastrukturen nutzen wollen, setzen verstärkt auf
Virtualisierung und Cloud Computing. Beim Verlagern wichtiger Daten und Anwendungen in die Cloud
sollten sie aber auf bestmögliche Sicherheit und Verfügbarkeit achten. Daher sollten sie sich sehr
genau überlegen, welcher Cloud sie vertrauen wollen. Für Unternehmen, die nicht einzelne, nur
zeitweise anfallende Aufgaben, sondern wichtige Bereiche ihrer IT auslagern wollen, ist die
Enterprise Cloud der richtige Weg.

Die Enterprise-Cloud in der Praxis

Das international tätige Institut für Marktforschung, Organisationsforschung und Beratung mit
Hauptsitz in London You Gov Psychonomics verzeichnete eine schnelle Zunahme der Kunden und damit
einhergehend der Marktforschungsaufträge. Da dadurch die bisherige dezentrale IT-Infrastruktur an
die Grenzen der Belastbarkeit stieß, suchte man nach einer flexiblen Alternative. Um auch für
weiteres Wachstum in der Zukunft gerüstet zu sein, entschieden sich die IT-Verantwortlichen von You
Gov dazu, eine ausbaufähige Enterprise-Cloud einzuführen. Das Anforderungsprofil umfasste eine
leistungsfähige Backbone-Infrastruktur, geeignet für die Anbindung aller Standorte der
You-Gov-Gruppe, eine sehr hohe Verfügbarkeit der Hardware und der VMware-Umgebung, hohe Sicherheit
der Daten, eine gute Anbindung an verschiedene Backbones, 24×7-Support sowie schnelle Reaktion- und
Wiederherstellung im Störungsfall oder bei Datenverlust – und insbesondere Erfahrung im Hosting
einer virtuellen Infrastruktur auf Grundlage von VMware Virtual Infrastructure. In weniger als zwei
Monaten war die virtuelle Infrastruktur konzipiert und vollständig in Betrieb genommen. Seitdem
hostet Interoute auf fünf Servern die Virtualisierungssoftware Virtual Infrastructure von VMWare,
das Netapp-Storage Speicher- und Sicherungssystem sowie verschiedene Komponenten für ein
SAN-Speichernetz. You Gov hat die avisierten Ziele wie erhöhte Verfügbarkeit und Datensicherheit
sowie die Konsolidierung der IT-Infrastruktur hin zu einer virtuellen Umgebung erreicht. Weitere
positive Ergebnisse sind Kostenersparnisse bei Hardware und Software und vor allem Zeitersparnisse
beim Management der IT.


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