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Messtechnik

Daten dort, wo sie gebraucht werden

Autor:Autorin: Diana Künstler • 22.3.2022 • ca. 5:05 Min

Inhalt
  1. Am Puls der Netzwerktransformation
  2. Daten dort, wo sie gebraucht werden

Das Thema Bandbreite sei allerdings nur ein Trend am Markt. Ein weiterer: das Thema Edge-Datencenter. „Die Mega-Datencenter von Facebook, Google, Amazon, Microsoft & Co.  werden weiterhin ausgebaut, aber zusätzlich werden kleinere Datencenter an den Rand des Netzwerks gebaut.“ Zum einen, um die großen Datencenter zu entlasten. Zum anderen, um die Antwortzeiten zu verkürzen. Zwar habe man mit 5G eine höhere Bandbreite, erklärt Peerlings, der maßgebliche Unterschied im Vergleich zu 4G und 3G seien jedoch die verschiedenen Netzwerkschichten (Network Slices). So gebe es eine Schicht mit sehr hoher Bandbreite, zum Beispiel für Videoübertragung mit besserer Auflösung. Die zweite Netzwerkschicht erlaube Anwendungen, die wesentlich kürzere Antwortzeiten benötigen, wie autonomes Fahren. Und eine weitere Netzwerkschicht biete sich für massive Konnektivität an. „Dadurch werden die gesamten Netzwerke völlig umgebaut werden müssen“, resümiert Joachim Peerlings. „Das ist kein evolutionärer Schritt wie bei dem von 3G auf 4G. Vielmehr hat man mehr Geschäftsmodelle, die in Zukunft realisiert werden können. Und dafür braucht man ein komplett anderes Netzwerk.“ Das bedeute jedoch auch, dass die drahtgebundenen Datencenter näher an den Endkunden und an das Endgerät heranrücken müssten.

Wie solch eine Netzwerktransformation aussehen kann, verdeutlicht Peerlings am Beispiel Datencenter: „Hier gibt es kleine, streichholzgroße Transmitter, aus denen eine Glasfaser herauskommt. Um hier von 100 auf 400 Gigabit/s zu kommen, müssen völlig andere Modulationsverfahren verwendet werden.“ Das heißt, eine traditionelle Übertragungstechnologie, in der nur Nullen und Einsen übertragen werden, kann nicht mehr genutzt werden. Stattdessen hat man beim Übertragungsverfahren auf die Pulsamplitudenmodulation gesetzt. „Das ist natürlich eine komplett andere Architektur, die fundamental anders aufgesetzt ist“, bekräftigt Peerlings. „Früher war das noch über eine analoge Schaltung möglich. Heutzutage ist das komplett digitalisiert. Das heißt, in jedem 400-Gig-Transceiver gibt es einen Digital-Analog-Wandler und Analog-Digital-Wandler, die jetzt digital diese Signale prozessieren. Das sieht aus wie ein kleiner evolutionärer Schritt von 100 auf 400 Gigabit. In Wirklichkeit ist die ganze Technologie völlig geändert worden. Und damit gehen wahnsinnige Herausforderung für unsere Kunden einher, überhaupt diese Technologien zu entwickeln – und eben auch testbar zu machen.“

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Expertise fürs Neuland

Momentan sei ihm, so Peerlings auf Nachfrage, keine Technologie bekannt, die Keysight nicht testen könne. Schließlich müsse man den Kunden stets eine Generation voraus sein. So treibe nicht nur der Kunde Keysight voran, sondern oft auch umgekehrt. „Manchmal ist das auch so ein bisschen ein Henne-Ei-Problem“, gibt der Keysight-Chef zu bedenken. „Hat man das Testequipment nicht, kann man die Dinge nicht entwickeln. Wenn man nicht entwickelt, weiß man nicht, wie man testen muss. Oft kommen Firmen auf uns zu, die sagen, sie haben eine Technologie entwickelt, die aussieht, als hätte sie viel Potenzial. Sie wissen aber nicht, wie sie das messen können. Und da kommen wir halt ins Spiel, um überhaupt die Charakterisierung dieser Komponenten zu machen“, erläutert Peerlings. Oft sei dies Neuland. „Doch wir sind da schon so gut, dass wir eigentlich alles, was heute in der Entwicklung steckt, auch testen können.“

Damit das auch so bleibt, ist der Hersteller zum einen in zahlreichen Standardisierungsgremien vertreten. „Wir helfen dabei, die Standards zu formulieren“, ergänzt der Keysight-Geschäftsführer. Sobald diese stünden, setze Keysight sie in Automatisierungssoftware um. Für den Kunden laufe somit alles „per Knopfdruck“ ab. „Alles, was relevant ist für den Test ihrer Endprodukte, läuft automatisiert in der Software ab. Die sagt dann am Ende, ob das Modul oder Bauteil standardkonform ist.“ Zudem sei es unabdingbar auch deshalb in den Standards präsent zu sein, weil es da auch Zertifizierungen für das Testequipment gebe. Zum anderen sichert und erweitert sich Keysight über wohldurchdachte, gezielte Zukäufe das entsprechende Know-how und die Expertise für zukunftsträchtige Bereiche. Um nur einige Beispiele zu nennen:

  • Im Juni 2015 gab Keysight bekannt, dass es das britische Unternehmen Anite PLC im Wert von 607 Millionen Dollar übernehmen würde. Anite ist ein Anbieter von Test- und Messsoftware für den internationalen Mobilfunkmarkt. Er bietet Test-, Mess-, Optimierungs- und Analysesysteme auf der Grundlage seiner proprietären Software- und Hardwareprodukte.
  • Im Jahr 2017 übernahm Keysight Ixia für rund 1,6 Milliarden US-Dollar. Insbesondere Hersteller von Netzwerkkomponenten, Dienst-anbieter, Unternehmen und Regierungsbehörden nutzen Ixias führende Test- und Simulationsplattformen für den Entwurf und die Validierung einer breiten Palette von drahtgebundenen, WLAN und 3G/4G Netzwerkgeräten und Netzwerken.
  • Im August 2017 kaufte Keysight für 60 Millionen US-Dollar das deutsche Technologieunternehmen Scienlab Test Solutions zu, um seine Position in der Elektroautomobilindustrie auszubauen.
  • Im Juli 2018 erwarb Keysight eine Tochtergesellschaft der Thales Group, Thales Calibration Services in Melbourne, Australien. Das Unternehmen ist spezialisiert auf Dimensions-, Druck-, Masse- und Temperaturmesstechnik für die Verteidigungs-, Handels-, Medizin-, Petrochemie- und Pharmaindustrie.
  • Im Juni 2020 übernahm Keysight die Firma Eggplant, ein Software-Test- und Überwachungsunternehmen, für 330 Millionen US-Dollar von der Carlyle Group.

Bei den Zukäufen gehe man laut Peerlings vorsichtig und bedacht vor. „Wir versuchen jetzt nicht alles zu akquirieren, um dann ein Portfoliomanagement zu machen. Wir wollen diese Firmen integrieren und die Synergien nutzen.“ Die Übernahmen vor allem im Softwarebereich seien deshalb erfolgt, weil man die Expertise organisch so schnell nicht hätte aufbauen können. Dank der Ixia-Übernahme beispielsweise könne man nun nicht mehr nur das physikalische, sondern auch das Protokoll-Layer in den Testformen abdecken. „Man sieht auch bei den neuen Technologien, dass diese Grenzen zwischen den verschiedenen Layern (physikalisch, Protokoll, Applikation) zunehmend verwischen und man einen ganzheitlichen Blick braucht“, führt Keysight-Geschäftsführer Peerlings weiter aus. „Das wächst eigentlich immer mehr zusammen, weil einfach die Performance der Technologien so an ihre Grenze getrieben wird. Für uns ist es daher entscheidend, dass wir unsere Kunden von den frühen Ideen über die Komplettlösung bis zur Herstellung begleiten können.“