Datacenter-Infrastruktur-Management (DCIM) gehört zu den derzeitigen Hype-Themen im RZ-Umfeld. Im LANline-Gespräch erklärt Sander Kaempfer, Business Development Manager bei Panduit, worauf RZ-Betreiber bei Auswahl und Implemen-tierung einer Lösung achten sollten.
LANline: Herr Kaempfer, wie beurteilen Sie den Markt für DCIM-Lösungen im Moment?
Kaempfer: Diese Frage muss ich etwas ausführlicher beantworten. Die aktuelle Diskussion zum Thema DCIM zeigt sich nämlich überlagert von den unterschiedlichen Definitionen und Leistungsbeschreibungen der verschiedenen Anbieter, die versuchen, den Markt von den Alleinstellungsmerkmalen ihres jeweiligen Angebots zu überzeugen. Dadurch wird der tatsächliche Nutzen von DCIM-Lösungen nur unzureichend klar, was zu Verwirrung im Markt, Frustration und geringer Verbreitung führt. Panduit hat sich entschieden, der DCIM-Definition zu folgen, wie sie Gartner beschreibt. Ich zitiere: "Werkzeuge zum Rechenzentrums-Infrastruktur-Management überwachen, messen, verwalten und/oder kontrollieren die Nutzung und den Energieverbrauch des gesamten IT-Equipments wie Server, Storage und Netzwerk-Switches sowie der Facility-Infrastruktur-Komponenten wie Stromverteiler und Computerraum-Klima- geräte im Rechenzentrum." Wie diese Definition zeigt, berührt DCIM alle Punkte der Facility-Infrastruktur, wo sie helfen kann, Ressourcen wie Stromversorgung und Kühlung zu überwachen, zu verwalten und zu steuern, und des IT-Stacks, wo sie bei der Überwachung und Verfolgung von Assets und Connectivity unterstützen und die Arbeitsabläufe beschleunigen kann. DCIM schließt damit die Lücke zwischen Facility und IT, um eine nahtlose Konvergenz zwischen physischer und logischer Infrastruktur sicherzustellen.
DCIM berührt alle Punkte der Infrastruktur
LANline: Gibt es dann Ihrer Meinung nach heute überhaupt schon Produkte, die eine umfassende Lösung darstellen und nicht nur Einzelsegmente abdecken?
Kaempfer: Im Lauf der vergangenen Jahre haben viele Anbieter erfolgreich individuelle Einzellösungen für bestimmte DCIM-Herausforderungen wie etwa für Kühlung oder Strom-Management auf dem Markt positioniert. Allerdings können viele kleinere Unternehmen oft nicht mit größeren All-inclusive-Anbietern konkurrieren, die bereits ein hohe Marktdurchdringung und ein breiteres Unternehmensportfolio haben. Einige dieser kleineren Anbieter sind gescheitert oder wurden von größeren Unternehmen aufgekauft, um deren Portfolio zu erweitern.
LANline: Dies hat Konsequenzen für den Markt.
Kaempfer: Das stimmt. Es führt zu zwei unterschiedlichen Entwicklungen. Zum einen haben viele große DCIM-Anbieter heute Insellösungen zu umfassenden Paketen zusammengefasst, die teuer und komplex sein können und bei denen der Kunde oft mehr bezahlt, als er tatsächlich braucht oder haben möchte. Diejenigen, die in solche Lösungen investieren, sind oft frustriert von der langwierigen Implementierung, die 18 bis 24 Monate dauern kann und der kein nachweisbarer ROI zugrunde liegt. Oft führt das zur kompletten Einstellung des DCIM-Projekts. Auf der anderen Seite werden fragmentierte Einzellösungen ohne Interoperabilität implementiert, sodass es dem Anwender überlassen bleibt, grundverschiedene Systeme und Prozesse zu unterstützen.
LANline: Was raten Sie?
Kaempfer: Aus eigener Erfahrung können wir sagen, dass die Verwendung von bewährten Einzellösungen es ermöglicht, die Fähigkeiten eines DCIMs schneller und effizienter zu nutzen als die Entwicklung proprietärer Lösungen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt jedoch darin, diese Einzellösungen so anbieten zu können, dass sie unabhängig voneinander spezifische Herausforderungen adressieren, sich gleichzeitig aber auch leicht integrieren lassen, um einen ganzheitlichen Mehrwert für das gesamte Rechenzentrum zu schaffen.
LANline: Das erfordert jedoch eine ausreichende Vorarbeit beim Anwender.
Kaempfer: Kunden, die erwägen, eine DCIM-Lösung einzusetzen, sollten zunächst klar definieren, welche Ziele und Vorgaben sie damit erreichen wollen, um davon ausgehend zu planen. Wenn es beispielsweise das Hauptziel des Anwenders ist es, sein Rechenzentrum kosteneffizient zu kühlen, dann sollte er sich darauf konzentrieren, diese Herausforderung anzugehen. Man braucht nicht unbedingt eine allumfassende Lösung, sondern eine, die darauf abzielt, die Aufgabenstellung so schnell und effizient wie möglich umzusetzen. Dadurch kann man sehr schnell den tatsächlichen ROI aufzeigen, um weitere Investitionen in DCIM-Komponenten beurteilen und rechtfertigen zu können. Wir bezeichnen dies als DCIM-Maturity-Model-Ansatz, der es Kunden ermöglicht, die gewünschte Funktionalität auf kurze Sicht zu realisieren und langfristig eine Roadmap zu entwickeln, die die Intelligenz der DCIM-Implementierung in den Bereichen Stromversorgung, Kühlung, Konnektivität und Asset-Management im Laufe der Zeit steigert, und zwar abgestimmt auf die Rechenzentrumsstrategie des Anwenders.
LANline: Gibt es bereits Standards für das Zusammenspiel verschiedener DCIM-Teillösungen?
Kaempfer: Weil DCIM sich aus einer Reihe von Funktionen und Bereichen entwickelt hat, gibt es keine spezifischen Standards für DCIM per se. Es gibt natürlich sehr viele unterschiedliche Geräte und Systeme, die SNMP sowie andere Protokolle wie BACnet und Modbus nutzen, um Informationen zwischen verschiedenen Systemen zu teilen.
LANline: Wie beurteilen Sie die Fähigkeit und den Willen der DCIM-Anbieter, solche Standards zu schaffen?
Kaempfer: Die Bemühungen zur Einführung eines Standards, wie die jüngste Diskussion über einen automati-sierten Infrastruktur-Management-Standard (AIM) nach ISO/IEC18598, der alle Veränderungen im physischen Netzwerk verfolgen und überwachen soll, sind derzeit im Vorschlagsstadium. Viele Unternehmen propagieren aber weiterhin ihre eigenen proprietären Schnittstellen. Einige tun dies mit der Absicht, ihre Plattformarchitektur als führende Option zu etablieren. Andere benutzen anstelle einer Standardarchitektur die Technologien, mit denen sie sich am besten auskennen, oder die am besten dazu geeignet sind, um mit Legacy-Technologien integriert zu werden.
LANline: Gibt es zumindest die Möglichkeit, Messsensoren herstellerübergreifend zu verwenden?
Kaempfer: Dies ist ein potenzielles Problem für Anwender mit einem Best-of-Breed-Ansatz, die Lösungen verschiedener Anbieter nutzen. Ein Best-of-Breed-Ansatz kann zwar spezifische Funktionen besser abdecken, die Komplexität der Integration und Pflege dieser Lösungen kann sich jedoch negativ auf die Implemen-tierungsgeschwindigkeit, den präzisen Austausch von Daten oder andere Problembereiche auswirken. Oft haben Anbieter dieser Systeme ihre spezifische Einzellösungen für kleinere Unternehmen entwickelt und nicht für die Anforderungen von größeren Organisationen, sodass weitere Schwierigkeiten bei der Integration auftauchen können. Dies kann nicht nur Auswirkungen auf die Software, sondern auch auf die Hardware haben. Man könnte nun annehmen, dass sich Messsensoren relativ universell in verschiedenen DCIM-Plattformen nutzen lassen. In der Realität unterscheiden sich diese jedoch stark, ob im Formfaktor, zum Beispiel verdrahtete oder drahtlose Sensoren, oder bei den erhobenen Daten. Dies erschwert die Integration zwischen verschiedenen Anbietern weiter.
LANline: Wie sollen Anwender darauf reagieren?
Kaempfer: Die beste Möglichkeit, Kompatibilität sicherzustellen, ist auf eine vollständig integrierte Lösung von einem Anbieter zu setzen, der über ausgewiesene Expertise verfügt und validierte End-to-End-Produkte hat, die die gesamten RZ-Infrastruktur unterstützen. Die Benutzung von Produkten, die so entworfen und hergestellt sind, dass sie optimal zusammenarbeiten, sichert die bestmögliche Interoperabilität und Performance im Rechenzentrum. Dies hilft Organisationen auch, schneller und einfacher zu agieren, indem Design-, Einkaufs-, und Implementierungszyklen schrumpfen.
LANline: Welche sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Punkte, die ein RZ-Betreiber beachten sollte?
Kaempfer: Die größte und am weitesten verbreitete Herausforderung, die wir im Moment sehen, ist die Notwendigkeit, Rechenzentrumskapazitäten zu maximieren und diese Kapazitäten so effizient wie möglich zu verwalten. Rechenzentrumsbetreiber stehen immer wieder vor der Herausforderung, stetig wachsenden Anforderungen an die Unterstützung von Geschäftsprozessen und die Verarbeitung immer größerer Datenmengen gerecht zu werden. Gleichzeitig sollen die Ausgaben stabil bleiben oder sogar gesenkt werden. Die Herausforderung besteht daher oft darin, die Nutzung der vorhandenen Rechenzentrumskapazitäten zu maximieren oder Möglichkeiten zu identifizieren, Kapazitäten zurückzugewinnen. Es gibt verschiedene Wege, dies zu erreichen.
LANline: Nämlich?
Abdichtung verbessern
Kaempfer: Der offensichtlichste Ansatz für RZ-Manager besteht darin, in Containment-Lösungen, Luftabdichtung, Ducting oder andere Lösungen zu investieren, die helfen, Warm- und Kaltgänge besser zu separieren. Optimierte Energieeffizienz und Kapazitätsauslastung beginnt typischerweise mit verbesserter Abdichtung. Auch kleine Luftlecks in einem Schrank wirken sich auf die Energieeffizienz im Rechenzentrum aus, unabhängig von der Wärmebelastung. Undichte Bereiche ermöglichen Warmluftrückzirkulation, wodurch die interne Kühlung der IT-Komponenten stärker arbeiten muss und so mehr Energie verbraucht. Dadurch wird die Ausnutzung pro Schrank limitiert, was wiederum die Energie-und Kühlungskapazitäten negativ beeinflusst. Eine wirksame Wärme-Containment-Lösung kann höhere Sollwerte im RZ ermöglichen und den Energieverbrauch des Kühlsystems um bis zu 40 Prozent zu reduzieren.
LANline: Welche Rolle spielt dabei das Datacenter-Infrastructure-Management?
Kaempfer: Die DCIM-Lösung im Rechenzentrumsbetrieb liefert mehr spezifische, umsetzbare Informationen dazu, wie und wo man Verbesserungen vornehmen kann. Durch die Überwachung und Messung von Strom, Kühlung, Raumnutzung sowie Asset und Connectivity-Tracking gibt DCIM eine klare Übersicht über die tatsächliche Nutzung der zugewiesenen Ressourcen in einem Schrank oder Raum und hilft, sehr spezifische Verbesserungsmöglichkeiten zu lokalisieren, die sonst oft nicht sichtbar sind. Man kann beispielsweise Schränke identifizieren, die eine maximale Energieauslastung haben, aber große Reserven bei Platz und Kühlung. Dieses Ungleichgewicht stellt ungenutzte Kapazitäten dar. Dort besteht die Chance, neu zu verteilen oder leistungshungrige Geräte in einem anderen Schrank unterzubringen, der über reichlich Energiekapazität verfügt, aber voll ausgelastet ist in Bezug auf Platz und Kühlung. So kommt eine bessere Balance zwischen verschiedenen Schränken zustande. Setzt man eine effektive DCIM-Lösung ein, dann vereinfacht das System diese Umverteilung durch eine schnelle Identifizierung der optimalen Platzierungsstelle, zudem durch eine Automatisierung des Arbeitsablaufs und die Dokumentation des neuen Asset-Standorts sowie Connectivity-Informationen in Echtzeit.
LANline: Herr Kaempfer, vielen Dank für das Gespräch.
Der Autor auf LANline.de: jschroeper