Brandschutz für Server-Räume

Gaslöschung unter der Lupe

20. August 2012, 6:00 Uhr | Marcel Mager und Dr. Florian Irrek/jos, Fachverantwortlicher für Gaslöschtechnik bei VdS. Dr. Florian Irrek betreut die VdS-Software für hydraulische Berechnungen von Gaslöschanlagen.

Alle fünf Minuten brennt es in deutschen Unternehmen. Die Gesamtschäden für Betriebe lagen im Jahr 2010 bei fast zwei Milliarden Euro, meldet der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Typische Auslöser von Bränden sind Defekte in der Elektrik.

Zur Entstehung beispielsweise eines Schwelbrandes genügt es bereits, dass ein winziges Kabelstück innerhalb eines Computers durchbrennt. Werden Brände nicht schon im Entstehungsstadium erkannt und sofort effektiv bekämpft, können neben Flammen, Hitze oder hochgiftigem Rauch auch die bei den IT-typischen Schwelbränden entstehenden Pyrolysegase die Technik im Umkreis zerstören. Da Unternehmen wie Institutionen heute in fast allen Bereichen IT-gestützte Prozesse nutzen, legt ein Brand im Server-Raum der Firma die gesamte Leistungserbringung schnell über einen langen Zeitraum hinweg lahm. Selbst loyale Kunden müssen dann zwangsweise den Anbieter wechseln. US-Studien zufolge müssen 75 Prozent der von einem Großbrand betroffenen Unternehmen in die Insolvenz gehen - nicht wegen der meist versicherten reinen Brandzerstörungen, sondern aufgrund solcher Folgeschäden.

In IT-gespickten Räumen fallen Löschwasserschäden meist noch extremer aus als Brandverwüstungen. Eine typische Folge von Wasserkontakt sind Kurzschlüsse und daraus resultierende Datenverluste. Die Folgen solcher Zerstörungen sind nicht nur an Börsenplätzen oder bei sicherheitsrelevanten Diensten (Notrufe etc.) kaum abzusehen. Gaslöschanlagen dagegen löschen rückstandsfrei. Das Gas dringt dabei in jeden Winkel des Raums ein, auch in Bereiche, die Wassertropfen aufgrund der Schwerkraft nicht erreichen können. Oft kann ein IT-Raum nach einem schnell erstickten Brand direkt weiter in Betrieb gehen, sobald gelüftet wurde.

Die ersten Untersuchungen über die Löscheigenschaften von CO2 stammen aus dem 18. Jahrhundert. 1929 ging die erste CO2-Feuerlöschanlage in Deutschland in Betrieb. Die personengefährdenden Eigen-schaften von CO2 führten später zur Entwicklung humanverträglicherer Löschgase. Ab den Fünfzigern waren Halone (FCKW, halogenierte Kohlenwasserstoffe, die Feuer löschen können, bevor ihre Konzentration Gesundheitsschäden hervorruft) das "Maß der Dinge" - bis in den Siebzigern erkannt wurde, dass diese Klasse von Molekülen die Ozonschicht schädigt. Als Folge rüsteten die Betreiber in Deutschland bis zum 1.1.1994 sämtliche stationär installierten Halonanlagen um oder entfernten sie.

Derzeit nutzen die Anlagen hierzulande hauptsächlich folgende Löschgase: Argon, Stickstoff, CO2, die so genannten Inertgase (chemisch träge Gase) und deren Gemische sowie HFC-227ea, FK-5-1-12 und HFC-23 als halogenierte Kohlenwasserstoffe oder auch kurz chemische Löschgase. Bei all diesen Löschgasen handelt es sich um farblose, elektrisch nicht leitende Gase, die nach korrekter Anwendung keine Rückstände hinterlassen. Um Personenschäden zu vermeiden, sind CO2 und oft auch die Inertgase odoriert, also mit Geruchsstoffen versetzt. Dadurch können Menschen diese sonst geruchlosen Gase direkt wahrnehmen.

Die Löschwirkung der verschiedenen Gase beruht auf drei verschiedenen Mechanismen. Dies ist zum einen die mehr oder weniger starke Verringerung des Sauerstoffanteils der Raumluft, zum anderen die Aufnahme von Reaktionswärme durch die Löschgasmoleküle (spezifische Wärmekapazität). Bei den chemischen Löschgasen beruht die Wirkung im Wesentlichen auf dem Zerfall der Gasmoleküle in Flammen und an heißen Oberflächen. Die Zerfallsprodukte (Fluorwasserstoff etc.) beeinflussen den Ablauf der Verbrennungsreaktionen.

Die Zerfallsprodukte sind toxische und chemisch aggressive Gase. Wie die Rauchgase auch stellen sie eine potenzielle Personengefährdung sowie eine Gefährdung für Sachwerte dar, allerdings bleibt die Konzentration der Zerfallsprodukte bei korrekter Anwendung unbedenklich: Um die negativen Auswirkungen zu begrenzen, muss das Löschgas in sehr kurzer Zeit in den Schutzbereich geflutet werden, sodass die Löschung mit Flutungsende vollzogen ist und keine weiteren Zerfallsprodukte entstehen.

Ein wichtiger Punkt - auch bei Gaslöschanlagen - ist der Personenschutz. Dabei sind die mindestens einmal jährlich durchzuführenden Schulungen des betroffenen Personals hervorzuheben, um den korrekten Umgang mit der durch das Löschmittel einhergehenden Gefahr sicherzustellen. So sind zum Beispiel Zugänge zu Bereichen, die mit einer Gaslöschanlage geschützt sind, grundsätzlich mit entsprechenden Warnzeichen zu versehen. Gaslöschvorgänge müssen stets durch akustische und optische Alarme angezeigt sein. Außerdem hat eine Flutung mit mindestens zehn Sekunden Verzögerung nach der Alarmierung zu erfolgen.

Nach der Detektion eines Brandes im Löschbereich (ein Raum-, eine teilumschlossene oder offene Einrichtung) steuert das System die Gaslöschanlage an, und diese reichert daraufhin die Raumluft mit Löschgas in einer löschwirksamen Konzentration an. Diese Löschgaskonzentration muss in IT-Räumen grundsätzlich über einen Zeitraum von mindestens zehn Minuten bestehen, um ein Wiederaufflammen des Feuers (Rückzündung) zu verhindern.

Um die Funktionsfähigkeit der Anlagen sicherzustellen, nahmen Betreiber in der Vergangenheit häufig eine aufwändige Vollflutung vor. Die Anlage löste dazu gezielt aus, und Techniker maßen die Löschgaskonzentrationen. Das Löschgas ist nach einer solchen Prozedur natürlich teuer zu ersetzen. Seit vielen Jahren bietet VdS als günstige Alternative einen so genannten "Door-Fan-Test" an. Bei dieser Prüfmethode ist ein Ventilator in die Tür des Löschbereiches eingebaut. Durch Messung des Volumenstroms und des dadurch im Raum aufgebauten Überdrucks lässt sich die Leckagefläche der Raumhülle ermitteln. Auf Basis dieser Leckagefläche und der Eigenschaften von Raum und Löschgas können die Techniker eine Untergrenze für die zu erwartende Haltezeit errechnen.

Die Löschanlage besteht in der Regel aus Vorratsbehältern mit den zugehörigen Ventilen und Rückflussverhinderern, Einrichtungen zur Inhaltsüberwachung der Behälter sowie eines Verteilerrohrnetzes mit geeignet angeordneten Löschdüsen (Raum, Decke, Doppelboden, Einhausungen). Die Löschdüsen und das Rohrnetz müssen geeignet dimensioniert sein, damit sich das Gas innerhalb der spezifisch vorgegebenen Flutzeit verteilen lässt.

Die Branderkennung der Anlage erfolgt meist durch automatische Melder, die beispielsweise auf Rauchpartikel in der Raumluft ansprechen und üblicherweise an der Decke oder in der Nähe des Brandrisikos montiert sind. Da Brandgase durch ihre Eigenhitze bedingt immer aufsteigen, können deckenmontierte Rauchmelder in vielen Fällen eine schnelle und zuverlässige Alarmierung gewährleisten. In IT-Räumen herrschen jedoch infolge der notwendigen Lüftung und Kühlung der energieintensiven Geräte stets starke Luftbewegungen und -verwirbelungen vor, wodurch sich der Rauch nicht unter der Decke sammeln kann, sondern über den gesamten Raum verdünnt auftritt.

Deckenmelder erkennen daher in solchen Umgebungen Entstehungsbrände sehr spät, weshalb IT-Räume üblicherweise durch eine zweite Melderreihe im Doppelbodenbereich abgesichert sind. Alternativ kommen auch Rauchansaugsysteme zum Einsatz, die über zusätzliche Rohrleitungen Luft aus einem größeren Raumbereich ansaugen und einem Detektor zuführen. Zusätzliche Anforderungen für die Löschanlage können bezüglich Kalt- oder Warmgangeinhausungen gelten, um der homogenen Löschmittelverteilung auch innerhalb dieser neu geschaffenen "Raum in Raum"-Konstruktionen gerecht zu werden.

Um die Schutzziele von Gaslöschanlagen sicherzustellen, ist es auch erforderlich, die Abtrennungen des Raumes gegenüber seiner Umgebung so auszulegen, dass sie ein Brand im Schutzbereich oder andere Einwirkungen sie nicht zerstört. Weiter muss das System Türen, Tore und sonstige Öffnungen vor Flutungsbeginn schließen und Lüftungsanlagen abschalten.

Optimal wäre ein absolut gasdichter Raum. Das Einbringen des Löschgases erzeugt jedoch einen Überdruck, der ohne entsprechende Entlastungsöffnungen zu Schäden an der Raumumfassung führen kann. Bei allen Gaslöschanlagen - unabhängig vom eingesetzten Löschgas - sind deshalb Entlastungsöffnungen vom Löschbereich ins Freie erforderlich. VdS-Prüfer haben schon mehrfach erlebt, dass ansonsten ganze Wände versetzt und Türen aufgedrückt oder gar komplett aus ihrer Verankerung gerissen wurden. Eine korrekt ausgelegte Druckentlastungsöffnung bezieht sich stets auf den maximal auftretenden Massenstrom - diese Information liefert beispielsweise die VdS-Software zur Auslegung von Gaslöschanlagen.

Gaslöschanlagen können nur dann Menschenleben, Technik und Gebäude retten, wenn sich die für die Löschung erforderliche Gaskonzentration, die so genannte Löschkonzentration, im Löschbereich aufbauen und ausreichend lange aufrechterhalten lässt. Die Kenntnis der für die verschiedenen Anwendungsfälle erforderlichen Löschkonzentration ist somit eine wesentliche Grundlage für jede Auslegung einer Gaslöschanlage. Die Löschkonzentration ist in Versuchen für die verschiedenen Brandstoffe und Löschgase zu ermitteln: Sie ist für jeden Brandstoff verschieden, aber auch für jedes Löschgas. Zur Ermittlung finden in den Laboren des VdS-Instituts international genormte Versuche statt. Zum einen gibt es einen Eins-zu-Eins-Versuch, den Raumbrandversuch, zum anderen dessen Miniaturabbild, die Cup-Burner-Prüfeinrichtung - auch hier ist VdS mit seinen Laboren Ansprechpartner und ausführende Institution.

Hydraulische Berechnung

Für die richtlinienkonforme Berechnung der Löschgasmengen, vor allem aber für die Auslegung der Rohr, Düsen- und Drosseldurchmesser, hat der VdS für die Errichter von Löschanlagen eine eigene Software zur hydraulischen Berechnung von Gaslöschanlagen im Angebot.

Infolge der komplexen Anforderungen bei der Planung, Installation und Instandhaltung dieser Technik kann es an vielen Stellen zu sicherheitsrelevanten Mängeln kommen, wie zum Beispiel zu Fehlern bei den hydraulischen Auslegungen, bei der Bemessung der Löschmittelmenge oder bei der Anordnung von Brandmeldetechnik oder Düsen. Es können Montagefehler auftreten, an der Löschanlage, aber auch an der Raumumfassung. Die gerade in IT-Umgebungen zahlreichen Kabeldurchführungen nach außen müssen gasdicht sein. Nicht zuletzt kommen häufig auch organisatorische Mängel vor, die etwa die Fluchttüren und -wege betreffen oder die regelmäßige Schulung allen im Löschbereich tätigen Personals.

Die Erstprüfung einer Gaslöschanlage sowie die Wiederholungsprüfungen sollten aus diesem Grund durch einen unabhängigen Sachverständigen erfolgen, um sicherzustellen, dass die Anlage auch tatsächlich Menschenleben, Güter sowie möglicherweise den gesamten Standort retten kann. Der Sachverständige stellt fest, ob die Anlage richtlinienkonform geplant und errichtet wurde und ob sie sich in einem betriebsbereiten und sicheren Zustand befindet.

Für die Versicherer ist der Prüfbericht die Grundlage für die Ermittlung des Schutzwerts einer Gaslöschanlage und letztlich der Versicherungsprämie, für den Betreiber dokumentiert der Prüfbericht die Qualität der installierten Anlage

Die Kenntnis der für die verschiedenen Anwendungsfälle erforderlichen Löschkonzentration ist eine wesentliche Grundlage für jede Auslegung einer Gaslöschanlage.
LANline.

Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Lampertz GmbH & Co. KG

Matchmaker+