Klimakonzepte, Konsolidierung, Virtualisierung - solche "grüne" Techniken trotzen dem Rotstift, selbst in Zeiten schwacher Konjunktur. Ein genauer Blick aber offenbart: Hinter einem ökologischen Engagement stecken meist nur ökonomische Interessen.
Green-IT bleibt – ungeachtet der wirtschaftlich angespannten Situation und knapper Budgets – ein
hoch populäres Thema für deutsche EDV-Verantwortliche. Kein Wunder: Allein in Deutschland floss im
vergangenen Jahr Strom im Wert von 1,1 Milliarden Euro durch die Leitungen der Rechenzentren. Nach
Berechnungen des Borderstep-Instituts für Innovation und Nachhaltigkeit entspricht diese Menge der
Versorgung durch vier mittelgroße Kohlekraftwerke. Häufig aber fehlt es Verantwortlichen
hinsichtlich des Stromverbrauchs und der Wärmeentwicklung in Rechenzentren an verwertbaren
Informationen, um eine Umsetzung von energieeffizienten Strategien voranzutreiben. So brachte
kürzlich eine Studie des Marktforschungsinstituts Experton Group ein erschreckendes Ergebnis ans
Licht: 85 von 100 befragten IT-Verantwortlichen kennen den Energieverbrauch ihrer EDV nicht.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch eine weitere Erkenntnis der Analysten, wonach nur
wenige Unternehmen ein separates Budget für die Reduktion des CO2-Ausstoßes ihrer Rechenzentren zur
Verfügung stellen. Allen Statistiken zum Trotz engagieren sich immer mehr Unternehmen für
umweltfreundliche IT-Strategien – dies allerdings in erster Linie aus rein pragmatischen Gründen.
Mit anderen Worten: Nicht die Umwelt, sondern handfeste ökonomische Interessen sind die Treiber für
Virtualisierung, Konsolidierung und modernisierte Klimatechniken.
Dreh- und Angelpunkt eines Engagements zugunsten energieeffizienter IT-Umgebungen bildet in
der Regel eine systematische Inventur des vorhandenen Equipments, des aktuellen Stromverbrauchs und
der Wärmeentwicklung im Rechenzentrum. Wichtig hierbei: Berechnungen sollten auf Werten des
gesamten Unternehmens basieren und nicht ausschließlich die IT berücksichtigen. Oft steckt in
anderen Unternehmensbereichen Potenzial für Einsparungen, das sich erst mit Hilfe des
Rechenzentrums sichtbar machen lässt. Im Rahmen dieser Bestandsaufnahme sollte der CO2-Ausstoß der
unterschiedlichen Unternehmensbereiche gemessen und konkrete Maßnahmen zur Reduktion definiert
werden. Doch auch nach der Implementierung entsprechender Technologien gehört das permanente
Monitoring der CO2-Werte zu den Standardpflichten des IT-Managements.
Erst nach dieser Bestandsaufnahme kann eine Entwicklung neuer Konzepte zur Konsolidierung und
Virtualisierung der IT-Infrastruktur erfolgen. Dazu gehört es, die auf dem Markt erhältliche
Hardware zu evaluieren. Etliche Hersteller stellen mittlerweile Prozessoren mit energieeffizientem
Verbrauch zur Verfügung, gleiches gilt für Anbieter von Arbeitsspeicher. Darüber hinaus sollten
Lüfter, Netzteile und vor allem unterbrechungsfreie Stromversorgungen (USVs) auf ihren
Energieverbrauch in die Berechnungen mit einbezogen werden. Im Rahmen der Modernisierung kommt der
richtigen Kühlung des Rechenzentrums eine doppelte – und, physikalisch betrachtet, fast
widersprüchliche – Bedeutung zu: Einerseits sollten Klimageräte für eine möglichst effiziente
Kühlung sorgen, andererseits aber dürfen sie möglichst wenig Energie verbrauchen. Gleichzeitig aber
steigen die Anforderungen an die Klimatisierung durch hohe Leistungsdichten mit moderner
Blade-Server-Technik sowie durch räumlich eng positionierte Server-Racks. Zur Lösung dieser
Probleme haben sich in den vergangenen Jahren Klimakonzepte per Wasserkühlung direkt am Rack oder
sogar an den Prozessoren etabliert. Zu den weiteren Möglichkeiten energieeffizienter
Rechenzentrumsstrategien gehört die Nutzung der Abwärme. Das Prinzip: IT-Verantwortliche
evaluieren, ob sich die Abwärme der Systeme sinnvoll für andere Zwecke verwenden lässt – etwa für
die Aufbereitung von Warmwasser, für die Beheizung von Büroräumen im Winter oder aber per
Einspeisung in öffentliche Fernwärmenetze.
Hinsichtlich der Einführung von Virtualisierungstechnologien gilt es, neben Faktoren wie
Wärmeentwicklung vor allem auf die Auslastung der Hardware zu achten. Die Gretchenfrage lautet: Wie
muss eine Maschine ausgelastet werden und welcher Energieverbrauch ergibt sich daraus? Anders
ausgedrückt: Eine Auslastung von 70 Prozent benötigt mehr Energie, als eine Maschine, die mit 30
Prozent ihrer Möglichkeiten arbeitet. Die Konsolidierung von fünf Maschinen in einem System
wiederum drückt den Stromverbrauch und die Wärmeentwicklung erheblich. Hier muss exakt kalkuliert
werden. Ähnliche Überlegungen gelten für die Verkabelung der IT-Struktur. Obwohl heute vornehmlich
Lichtwellenleiter bei der Verkabelung neuer Rechenzentren zum Einsatz kommen, müssen auch
diesbezüglich exakte Informationen über die existierende Verkabelungsstruktur zugrunde liegen. Denn
oft stecken in den Unterböden historisch gewachsener Rechenzentren Verkabelungen, die sich aus
Platzgründen nicht ohne weiteres austauschen lassen. Häufig wurden im Laufe der Jahre neue
Kupferkabel in den Unterboden eingezogen, ohne dass veraltete Leitungen zuvor entfernt wurden.
Gleichzeitig sorgen die vollen Kabelschächte für zusätzliche Probleme bei der Kühlung – vor allem
bei Doppelbodenkonstruktionen, in denen dadurch die Luftzirkulation gehemmt wird. Hinzu kommt, dass
eine Umstellung auf Lichtwellenleiter sauber geführte Trassen und dadurch verbundene Biegeradien
voraussetzt. Dies erschwert in erster Linie bei schlecht dokumentierten IT-Verhältnissen die
Umstellung auf moderne Verkabelungsstrukturen. Fakt ist: Energieeffizientes Computing verlangt von
IT-Entscheidern ein fortwährendes Engagement. Rechenzentrumsleiter sehen sich auch nach der
Modernisierung permanent damit konfrontiert, die IT-Umgebung kontinuierlich an neue Gegebenheiten
anzupassen – erst recht, wenn zusätzliche Systeme implementiert oder alte Rechner entfernt werden
und sich damit die Wärmeentwicklung und der Energieverbrauch im Rechenzentrum verändern. Zu guter
Letzt sollten alle Lebensphasen eines Produkts wie Produktion, Recycling und Entsorgung in das
Gesamtkonzept einer energieeffizienten und somit profitablen und umweltfreundlichen
Rechenzentrumsplanung einfließen.
Falk Wieland ist Rechenzentrumsleiter bei Operational Services.