LANline: Wie schätzen Sie das Zusammenspiel von digitalen und Präsenz-Events für die mittelfristige Zukunft grundsätzlich ein?
Gansen: Wichtig ist es, den Teilnehmern – gleichgültig ob digital oder live – ein möglichst reibungsloses, immersives Erlebnis zu bieten. Wir haben beispielsweise letztes Jahr die Vertiv XR App veröffentlicht, mit der Nutzer unser Portfolio von zuhause aus erleben können. Sollte also beispielsweise eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter auf der Messe ein Produkt von uns sehen, das sie oder er mit den Kollegen in der Zentrale teilen und diskutieren will, müssen sich diese nur die App herunterladen und können auch aus der Ferne Feedback geben.
LANline: Hat das RZ-Umfeld eine Sonderrolle inne, oder spielt sich das Messe-geschehen wie in anderen Branchen ab?
Gansen: Die Frage, ob die Rechenzentrumsbranche eine Sonderrolle einnimmt, ist nicht mit ja und nein zu beantworten. Denn generell laufen die Messen und Events bei uns natürlich sehr ähnlich zu dem ab, was auch in anderen Branchen üblich ist. Wir kochen am Ende auch nur mit Wasser. Der Unterschied liegt darin, wie relevant die Rechenzentrumsbranche für unsere Gesellschaft geworden ist. Deswegen sind für uns Events und Messen umso wichtiger, um uns zu vernetzen und die Herausforderungen von Morgen schon heute im Kollektiv zu betrachten und zu diskutieren.
LANline: Wie beeinflusst die derzeitige Situation die weitere Entwicklung? Ist die RZ-Branche überhaupt ausreichend „agil“?
Gansen: Supply-Chain-Herausforderungen, Fachkräftemangel etc. – all das sind natürlich Themen, mit denen sich jeder Anbieter, Hersteller und Anwender auseinandersetzen muss. Und bisher geht die Branche sehr souverän mit all diesen Herausforderungen um, beweist eine große Resilienz und entwickelt weiterhin innovative Lösungen. Unser generelles Problem in der Branche liegt aber woanders. Peter Lambrecht (Vice President Sales Key Accounts and Solutions for Vertiv in EMEA, d.Red) meinte auf der DCW Frankfurt, dass die Leute außerhalb der RZ-Branche gar nicht wissen, was wir genau machen. Wenn ich mich heute auf die Straße stelle und frage, was Rechenzentren sind, haben 90 Prozent keine wirkliche Ahnung, und der Großteil vom Rest konnotiert Rechenzentren eher negativ – egal, ob es jetzt um Datenschutz oder Nachhaltigkeit geht.
LANline: Das klingt aber nach einem grundsätzlichen Problem.
Gansen: Das stimmt. Gar nicht oder negativ im Bewusstsein der Bevölkerung zu sein, ist grade für eine gesellschaftsrelevante Branche wie unsere ein großes Problem, wenn es darum geht, die eben genannten Herausforderungen zu meistern. Umso wichtiger ist, dass sich die Hauptakteure der Rechenzentrumsbranche zusammenschließen und die Herausforderungen gemeinsam angehen. Wir bei Vertiv setzen dazu auf Partnerschaften mit namenhaften Organisationen wie der SDIA, EUDCA und RISE. Die Ergebnisse unserer Bemühungen und gestiegenen Investitionen in Forschung und Entwicklung kann man dann in Produkten und Lösungen wie dem Dynamic Grid Support für USV-Systeme, Innovationen im Bereich Kühlung und Konzepte für das Abwärme-Management sehen. Green Mountain in Norwegen nutzt beim DC1-Stavanger auch Vertiv-Lösungen, um ein Rechenzentrum zu betreiben, in dem mit der Abwärme sogar Hummerzucht betrieben wird. Aber auch in Deutschland gibt es großartige Anwendungsfälle.
LANline: Können Sie Beispiele nennen?
Gansen: JH-Computers nutzt beispielsweise Vertiv-Liebert-DCD-Wärmetauscher, um sein Rechenzentrum optimal zu kühlen. Dadurch lässt sich nicht nur die Grundfläche auf 250 Quadratmeter reduzieren, wo bei herkömmlichen Kühlformen gut 1.500 bis 2.000 Quadratmeter nötig gewesen wären. Durch den nahezu geschlossenen Kreislauf inklusive eigenem Blockheizkraftwerk nutzt man auch die Abwärme sinnvoll, um Heizungen in der Region mit Wärme zu versorgen. Wenn also die richtigen Personen zusammenkommen und innovative Ziele und Visionen verfolgen, entstehen dadurch großartige Erfolge – für die Beteiligten, aber auch für uns als Gesellschaft. Daher ist es ebenso wichtig, sich auf den Events miteinander zu vernetzen und in den Austausch zu kommen. Nur so können wir das Innovationsmomentum, das wir aktuell in der Rechenzentrumsbranche erleben, auch aufrechterhalten und unsere Erfolge dann auch greifbarer für die breite Bevölkerungsmasse machen.
LANline: Herr Gansen, herzlichen Dank für das Gespräch.