Justiz in Baden-Württemberg und IBM forcieren KI
Das Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg und IBM gehen eine strategische KI-Innovationspartnerschaft ein. Gemeinsam sollen KI-Projekte in der Justiz auf Basis der IBM-Watsonx-Technik realisiert werden.

Das Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg und IBM gehen eine strategische KI-Innovationspartnerschaft ein. Gemeinsam sollen KI-Projekte in der Justiz auf Basis der IBM-Watsonx-Technik realisiert werden. Zudem unterstützt IBM bei der Konzeption, Architektur und Umsetzung von verschiedenen KI-Anwendungsfällen in der Justiz. Ziel der Zusammenarbeit ist es, den breiten Einsatz von KI in der Justiz durch Innovation und digitale Souveränität gestützt auf Open Source und offenen Architekturen zu ermöglichen.
Langjährige Zusammenarbeit
Bereits seit dem Jahr 2022 arbeiteten das Justizministerium Baden-Württemberg und IBM im Bereich der KI-Projekte erfolgreich zusammen, so eine IBM-Mitteilung. Das Justizministerium Baden-Württemberg habe frühzeitig eine führende Rolle für die verantwortungsvolle Nutzung von KI in der Justiz in Deutschland eingenommen - gestützt durch die technische Expertise und Innovationskraft von IBM.
Im April 2025 hat sich IBM in einem offenen Vergabeverfahren durchgesetzt und den Zuschlag für einen mehrjährigen Technologie- und Servicerahmenvertrag erhalten. Das Justizministerium Baden-Württemberg und IBM können auf dieser Basis die erfolgreiche Zusammenarbeit fortsetzen.
Das Besondere sei der ganzheitliche Plattformgedanke der Watsonx-Technik. Im Mittelpunkt stehen Wahlfreiheit, Transparenz sowie die Kontrolle über Daten und den Betrieb. Genau dafür stehe die Partnerschaft – basierend auf offenen Architekturen, On-Premises-Optionen und der Möglichkeit, Modelle nachvollziehbar selbst zu trainieren und zu betreiben. So können in kurzer Zeit mit mehreren Entwicklungszyklen praxisnahe und nutzerzentrierte Anwendungen entwickelt werden. Die Anwendungen laufen im KI-Cluster des Rechenzentrums der Landesoberbehörde IT Baden-Württemberg (BITBW), dem zentralen IT-Dienstleister für die Landesverwaltung des Landes Baden-Württemberg.
Strategische KI-Innovationspartnerschaft
Die Kooperationsvereinbarung ergänze die bestehende vertragliche Zusammenarbeit um den Aspekt einer strategischen KI-Innovationspartnerschaft.
Kern der Partnerschaft ist ein strukturierter KI-Innovationsprozess. Dieser umfasst den regelmäßigen Austausch über aktuelle KI-Trends und technologische Neuerungen. Darüber hinaus werden innovative Anwendungsfälle für KI definiert, entwickelt und erprobt, um die Position der Partner als Impulsgeber im Bereich KI in der Justiz weiter zu stärken. Auf diesem Wege sollen systematisch neue technologische Entwicklungen und Erfahrungen der IBM in die Weiterentwicklung von KI in der Justiz und in die gemeinsame Projektarbeit eingebracht werden.
Die Ministerin der Justiz und für Migration Marion Gentges sagte dazu: „Als Justiz Baden-Württemberg wollen wir die Potentiale von KI umfassend erschließen. Durch den Einsatz von KI können wir die Erfassung und Strukturierung großer Datenmengen effizienter gestalten und beschleunigen. Darüber hinaus ermöglicht die Automatisierung von Routineaufgaben eine erhebliche Entlastung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sodass sie sich auf ihre Kernkompetenzen und - Aufgaben konzentrieren können: die eigentliche Rechtsfindung und die persönliche Kommunikation mit den Rechtssuchenden und den Verfahrensbeteiligten. Gleichzeitig gewährleisten wir, dass die Entscheidungshoheit stets unter menschlicher Kontrolle bleibt. In enger Zusammenarbeit mit unserem starken Partner IBM setzen wir diese Ziele mit einer leistungsstarken und zugleich vertrauenswürdigen KI-Lösung um, die unsere Justiz auf dem Weg in die digitale Zukunft begleitet.“
Realisierung verschiedener KI-Anwendungsfälle
Bei der Realisierung verschiedener KI-Anwendungsfälle wird auf bestehenden Pilotprojekten aufgesetzt. Zudem will man neue KI-Anwendungsfälle erarbeiten und schrittweise produktiv einsetzen. Grundlage ist das Fachverständnis der Anwenderinnen und Anwender der Justizpraxis in allen Laufbahnen über die Prozesse in der Justiz und die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den KI-Entwicklungsteams der IBM.
Beispielsweise wurde bei den Oberlandesgerichten Stuttgart und Karlsruhe im Rahmen eines OberLandesGerichts-Assistenten (OLGA) die Bearbeitung von Massenverfahren im Bereich der sogenannten Dieselklagen durch KI-gestützte Fallkategorisierung beschleunigt. Hierbei werden Parameter aus umfangreichen Schriftsätzen extrahiert und in passenden Verfahrenskategorien einsortiert, um die Bearbeitung zu erleichtern.
Mit Justiz-Anonymisierung (JANO) wurde eine Lösung geschaffen, in der veröffentlichte Entscheidungen nicht mehr mühsam manuell anonymisiert werden müssen, sondern personenbezogene Daten durch KI automatisch erkannt werden und geeignete Pseudonyme zur Ersetzung vorgeschlagen werden. Das Projekt wurde gemeinsam mit der Justiz Hessen realisiert. Die Pilotierung von JANO ist abgeschlossen und derzeit wird der anstehende Rollout vorbereitet.
In einer frühen Projektphase befindet sich der Anwendungsfall Intelligente Aktenfilterung (INTAKT). INTAKT hat zum Ziel, aus einer umfangreichen Verfahrensakte diejenigen Informationen herauszufiltern, die benötigt werden, um eine bestimmte gerichtliche oder staatsanwaltschaftliche Aufgabe zu erledigen. Dies ist insbesondere für sogenannte Nebenverfahren relevant, wie beispielsweise die Abrechnung der Prozesskosten. Die Informationen sollen durch INTAKT nicht nur markiert, sondern perspektivisch inhaltlich aufbereitet und in einer weiteren Ausbaustufe weiterverarbeitet werden.
In nächster Zeit sollen weitere Anwendungsfälle, beispielsweise zu KI-Governance, gemeinsam entwickelt und umgesetzt werden.
David Faller, Geschäftsführer des deutschen IBM Forschungs- und Entwicklungszentrums in Böblingen, sagte: „Gerade in der Justiz mit ihren text- und dokumentenbasierten Abläufen bietet die KI ein enormes Beschleunigungspotential. Wir freuen uns, die bestehende, vertrauensvolle Zusammenarbeit mit unserer langjährigen, internationalen Expertise weiter zu unterstützen und auszubauen, damit KI in der Justizverwaltung in Baden-Württemberg ein integraler Bestandteil wird.“
Justiz Baden-Württemberg
Rund 20.000 Beschäftigte an 152 Gerichtsstandorten in der ordentlichen Gerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten, 19 Staatsanwaltschaften sowie 22 Einrichtungen des Justizvollzugs in ganz Baden-Württemberg sollen eine bürgernahe und leistungsfähige Justiz sicherstellen. Die baden-württembergische Justiz habe bereits große Erfolge in der Digitalisierung erreicht und will diesen Weg konsequent weiterverfolgen. Die Einführung der elektronischen Akte soll bis Ende 2025 flächendeckend abgeschlossen sein.
Prozessparteien reichen ihre Schriftsätze weit überwiegend elektronisch ein. Damit stehen die Daten in allen Gerichtsverfahren in digitaler Form zur Verfügung. Im Bereich der Künstlichen Intelligenz hat die Justiz nach eigenen Angaben bereits früh in den Pilotprojekten die Möglichkeiten von KI erprobt. In der Bund-Länder-übergreifenden Zusammenarbeit hat Baden-Württemberg den Vorsitz im Gremium „AG KI“ inne. Das Justizministerium war federführend zuständig für die Erarbeitung einer gemeinsamen KI-Strategie der Justiz, die im April 2025 veröffentlicht wurde, und für die Konzeption und Errichtung einer KI-Plattform.