Umgang mit industrietauglichen Komponenten

Industrial Ethernet mit 10 GBit/s

30. August 2010, 6:00 Uhr | Dipl.-Wirt.-Ing. Bernd Horrmeyer, Fachreferent für industrielle Netzwerkverkabelung bei Phoenix Contact in Blomberg

Maschinen und Anlagen nutzen heute zur Kommunikation der Teilnehmer untereinander meist Ethernet mit 100 MBit/s. Kameras zur Qualitätsinspektion, Server zur Dokumentation von Qualitätsdaten sowie Scanner zur Identifizierung von Bauteilen fordern mehr. Häufig ist auch eine Kommunikation mit der Fabriksteuerung gefragt. Datenübertragungsraten von 1 GBit/s sind heute Standard, und bald können schon 10 GBit/s notwendig sein.

Klassische Feldbusse und generische Verkabelung können die geforderte Aufgabe nicht erfüllen.
Nötig ist vielmehr eine neue Ebene zwischen diesen Netzwerken. Für automatisierungstechnische
Aufgabenstellungen unterliegt dieses Netzwerk den gleichen schwierigen Umgebungsbedingungen wie die
Feldbuskommunikation. Die Komponenten müssen den mechanischen Einflüssen sowie der hohen
elektromagnetischen Belastung gewachsen sein. Nur für diesen Einsatzbereich konzipierte Produkte
übertragen die Daten dagegen zuverlässig.

Durchgängiger Leitungs-Querschnitt

Die Spannungsunterschiede zwischen den Signalen sind bei 1 GBit- und 10 GBit-Ethernet gemäß IEEE
802.3 minimal, und geringe Störungen können den Informationsgehalt reduzieren (Bild 2). Die IEEE
geht von Störungen aus, die für das Büroumfeld gelten. Störungen im Industrieumfeld sind meist
extremer, dort sind passende Schutzmaßnahmen gefordert. Umso wichtiger sind geschirmte Komponenten,
die dem Standard Kategorie 6A entsprechen. Maßstab für die Schirmqualität ist die
Kopplungsdämpfung, die einen Wert von 80dB erreichen sollte. Dadurch wird auch die Trennklasse d
nach EN 50174-2 erreicht, sodass Kommunikationsleitungen fast ohne Abstand zu Leistungsleitungen
verlegbar sind.

Bei der generischen Verkabelung mit ihrer Referenz-Implementation wird die Channel-Länge von 100
m mit einem starren System von Horizontal- und Patch-Leitungen erreicht. Im Industriebereich kommen
für verschiedene Teilstrecken Leitungen von unterschiedlicher Qualität und mit unterschiedlichen
Querschnitten zum Einsatz. Das Modell der Referenzimplementierung reicht an dieser Stelle nicht
aus. Mit Hilfe eines Formelwerks ist zu überprüfen, ob die Übertragungsstrecke die für den Channel
geforderten Werte einhält. Diese Methode ist aufwändig und unflexibel. Will man darauf verzichten,
muss man im gesamten Channel eine Horizontalleitung mit AWG 24 verlegen.

Diese Betrachtungen gelten für 20° C. Höhere Temperaturen – wie sie für den
Industriebereich typisch sind – lassen sich rechnerisch ebenfalls berücksichtigen. So kann ein
Channel aus mehreren Teilabschnitten mit unterschiedlichen Temperaturprofilen berechnet werden.
Auch hier erübrigt sich die Berechnung, wenn durchgängig ein Querschnitt von AWG 22 existiert.

Genau so wichtig wie die Leitungen sind die Steckverbinder. Für Leitungen mit dem Querschnitt
AWG 24 oder AWG 22 sind spezielle Ausführungen erforderlich. In der Industrie sind Leitungen meist
als Meterware verlegt. Dann müssen die Steckverbinder einfach und ohne Spezialwerkzeug
anzuschließen sein und eine durchdachte Leiterführung umfassen, die automatisch die
Datenübertragungsqualität einhält. Beispiele sind die Schnellanschlusstechniken Quickon und
Piercecon von Phoenix Contact, die eine hochwertige Beschaltung gemäß den Anforderungen der
Kategorie 6A erlauben. Die industriell übliche Konfektionierung von Steckverbindern im Feld ist
also auch für 10GBit-Ethernet möglich. Dies ist ein entscheidender Vorteil, denn ein Umdenken in
Planung und Installation lässt sich so vermeiden.

Steckverbinder müssen komfortabel bleiben

Grob einteilen lassen sich Steckverbinderklassen nach ihrem Einsatz im Schaltschrank oder im
Feld. Im ersten Fall ist das gewohnte RJ45-Steckgesicht bis hin zu Kategorie 6A verwendbar. Eine
besonders gute allseitige Abschirmung ist notwendig, um die EMV-Einflüsse benachbarter Geräte wie
Frequenzumrichter zu minimieren. Damit Gase nicht zur Korrosion an den Kontakten führen, sind
hochwertige Oberflächen erforderlich. Sie verhindern Korrosionen und damit einen schleichenden
Alterungsprozess, der über höhere Übergangswiderstände zu einem Ausfall der Verbindung führen kann.
Gängige Patch-Leitungen aus dem Büroumfeld erfüllen langfristig nicht die
Zuverlässigkeitsanforderungen im industriellen Einsatz. Für den Praxiseinsatz im Feld haben sich
RJ45-Steckverbinder mit einem speziellen Schutzgehäuse sowie M12-Steckverbinder auf dem Markt
etabliert. Auch dabei ist – mit den neuen M12-Steckern gemäß IEC 61076-2-109 (International
Electrotechnical Commission) wie mit RJ45-Steckern – Kategorie 6A bereits möglich.

Fazit

Anspruchsvolle Aufgaben, die den erweiterten Einsatz von Automatisierungs-Technik erfordern,
können bereits heute auf zukunftssichere Verkabelungslösungen zurückgreifen. 10 Gigabit Ethernet
lässt sich über Channel der Klasse EA mit Kat.6A-Komponenten industriegerecht übertragen. Zusammen
mit durchdachten industrietauglichen Komponenten werden Planung und Installation so zur
Routine.

Verkabelungsnormen

Die passive Infrastruktur von Feldbussystemen ist in der Norm IEC 61918 beschrieben. Die
spezifischen Aspekte der einzelnen Feldbus-Systeme sind darüber hinaus in der Normenreihe IEC
61784-5-x dokumentiert. Dabei steht das "x" für ein spezifisches Feldbussystem. So ist zum Beispiel
die passive Netzwerk-Infrastruktur für Interbus in der IEC 61784-5-6 dokumentiert.

Die kommunikationstechnische Infrastruktur von Gebäuden – mit ihren Anwendungen ISDN-Telefonie
und Ethernet – basiert auf der generischen Verkabelung. Struktur und Qualität der Komponenten sind
in der Norm ISO/IEC 11801 beschrieben. Für Industriegebäude wurde ergänzend die Norm ISO/IEC 24702
entwickelt, die spezifischen Bedingungen im Industriebereich wie zum Beispiel Temperatur- und
Umwelteinflüsse betrachtet.

Cat, Channel und Class

Die Normen ISO/IEC 11801 und 24702 verstehen den Channel als die gesamte Verkabelungsstrecke
zwischen zwei aktiven Geräten. Die verschiedenen Qualitätsstufen werden mit Class (Klasse) und die
zugehörige Komponentenqualitäten mit Cat (Kategorie) bezeichnet. Zu den Unterschieden von Kategorie
6A und Cat.6A siehe auch den Artikel auf Seite 36.


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