IEEE 1901: Broadband over Powerline

Intelligente Netze für Smart Homes

2. April 2012, 6:00 Uhr | Jean-Philippe Faure/pf, Vorsitzender der IEEE-1901-Arbeitsgruppe sowie CEO des französischen Unternehmens Progilon.

Intelligente Netze und intelligentere Infrastrukturen für Gebäude sind seit Langem ein Thema - sowohl für Unternehmen als auch für Privathaushalte. Die Lösungsansätze kamen bislang allerdings nur sehr langsam voran. Ein wichtiger Schritt zum angestrebten Ziel "Smart Home" beziehungsweise "Smart Grid" wäre die großflächige Etablierung von Broadband over Powerline (BPL). Die Ratifizierung des Standards für BPL, IEEE 1901, hat Ende 2010 die Weichen für die schnelle Datenübertragung über Stromleitungen gestellt.

Die Standardisierung für Broadband over Powerline bietet die Grundlage für eine grünere, robustere und kostengünstigere Alternative zu den klassischen Techniken für die Installation von Breitband-Datennetzen in Gebäuden sowie für die Überbrückung der „letzten Meile“. Damit präsentiert sich BPL als eine Schlüsseltechnik für eine Vielzahl von Anwendungen – einschließlich intelligenter Energienetze und LANs.
 
Mithilfe eines Daten-Modems, das ein Trägersignal von weniger als 100 MHz erzeugt, können IEEE-1901-konforme Produkte Daten von 500 MBit/s über Standard-Stromleitungen übertragen, gleichgültig welche Spannung diese Leitungen besitzen. Die Datenrate reicht aus, um beispielsweise Videoinformationen zu übertragen, und übertrifft die Datenraten der meisten drahtlosen Netzwerktechniken. Die Übertragungsdistanzen von IEEE-1901-konformem BPL übersteigen diejenigen drahtloser Alternativen bei weitem. Geräte, die dem Standard entsprechen, bieten Reichweiten von bis zu eineinhalb Kilometern. Zusätzlich lassen sich Leistungsverstärker installieren, um die Übertragungsdistanzen für Smart-Grid-Anwendungen um mehrere Kilometer zu erweitern.
 
Hybride Netzwerkarchitekturen mit BPL
 
Die Etablierung einer stabilen und standardisierten BPL-Technik bietet die Möglichkeit, eine neue, leistungsfähige und kostengünstigere Hybrid-Netzwerkarchitektur einzuführen, in der sich unterschiedliche Techniken wie Glasfaserleitungen, Powerline und WLAN kombinieren lassen – mit ihren jeweiligen spezifischen Vorteilen. Drahtlose Netzwerke sollten besonders dort zum Einsatz kommen, wo sie schon immer am sinnvollsten waren: auf den letzten Metern zwischen dem Access Point und Endgeräten wie PC, TV oder Handy. Glasfaserleitungen müssen nicht mehr durch Wände von Häusern, Geschäften und Schulen gezogen werden, sondern dienen ausschließlich dazu, um Highspeed-Verbindungen vom Hauptverteiler des Providers bis zum Hausanschluss herzustellen.
 
Die Datenraten von bis zu 500 MBit/s und die Reichweite von 1.500 Metern mit IEEE-1901-BPL-konformen Geräten über dieselben Stromleitungen, die zur Stromversorgung von Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen oder Privathaushalten dienen, eröffnen viele neue Anwendungsmöglichkeiten. Jede Steckdose lässt sich damit gleichzeitig auch als Netzwerkknoten nutzen und kann grundlegende Techniken von „Smart Grid“ unterstützen. Zum Beispiel ist es möglich, das Stromnetz zur Gebäudeautomation zu nutzen, um Licht oder elektrische Geräte zu steuern – und dies ohne zusätzliche Infrastruktur. Zudem kann auch der heimische Computer über Powerline-Ethernet-Adapter das vorhandene Stromnetz nutzen, um mit peripheren Geräten sowie mit dem Home Entertainment zu kommunizieren. Damit lassen sich Daten ohne die Verwendung weiterer Netzwerkkabel austauschen – beispielsweise für Anwendungen wie High-Definition-(HD-)Video-Streaming, IP-Spiele, vereinfachte Bild- und Tonverteilung, aber auch für erweiterte Heimsicherheitssysteme. 
 
Aus der Sicht von Unternehmen zählen unter anderem Enterprise-Services wie „Digital Signage“ oder Triple-Play-Kommunikation zu den wichtigsten Aspekten von BPL.
 
Jede Steckdose als potenzieller Netzknoten
 
Im Vergleich zu einigen proprietären Übertragungstechniken über das Stromnetz unterstützt der BPL-Standard IEEE 1901 die bestehenden IP-Netzwerkprotokolle und ist auch zu IPv6 kompatibel. Damit entwickelt sich jede Steckdose zu einem potenziellen Netzknoten. Und im Gegensatz zu Wireless-Techniken erweist sich die BPL-Technik nach IEEE 1901 als praktisch immun gegen Interferenzen und RF-Barrieren (Radio Frequency) wie dicke Wände, Feuerschutztüren, etc. Desweiteren soll die Standarderweiterung IEEE 1901.2 in einem nächsten Schritt die Datenübertragung über das Stromnetz im Smart Grid etwa zum Fernauslesen von Verbrauchszählern für Strom, Gas oder Wasser und für Vernetzung bei der Heimautomation definieren.
 
Da die Kosten für BPL-Installationen sehr gering sind – im Wesentlichen der Betrag für ein entsprechendes Modem – bieten sie sich auch als preisgünstige Inhouse-„Verlängerung“ für alle FTTx-Zugänge an. Für die Glasfasertechnik hat die Erschließung innerhalb von Gebäuden oder Grundstücken schon immer eine große finanzielle Herausforderung dargestellt. Letztlich kann IEEE 1901 BPL – ungewöhnlich für einen noch nicht allzu lange ratifizierten Standard – bereits auf eine bemerkenswert entwickelte Implementierungsinfrastruktur verweisen, einschließlich diverser Test- und Zertifizierungsprogramme, die die Hersteller häufig in Anspruch nehmen und die eine wachsende Zahl neuer Produkte nach sich ziehen.
 
Interoperabilität dank Standardisierung
 
Bereits seit Jahrzehnten ist die Verbreitung von Informationen über Stromleitungen als vielversprechende Technik im Gespräch. Jedoch sorgte bislang das RF-Rauschen in der Leitung für erhebliche Probleme. Hinzu kamen vor allem eingeschränkte Bandbreiten, verschiedene Netz-Spannungswerte und weitere Charakteristika bei der Übertragung, die sich von Region zu Region stark unterscheiden können. Auch die Weitergabe von Dateninformationen über Transformatoren hinweg, die zur Spannungsregulierung zum Einsatz kommen, stellte lange Zeit ein erhebliches Hindernis für Powerline-Techniken dar.
 
All diese früheren Probleme haben sich im Rahmen der IEEE-1901-Standardisierung überwinden lassen. Der Erfolg beruht auf der Entwicklung fortschrittlicher Modulationsverfahren und -algorithmen sowie auf der Verfügbarkeit von High-Performance-ICs, die die Wavelet-OFDM-basierenden Algorithmen des Standards in Echtzeit ausführen können.
 
Zudem sorgt ein international anerkannter Standard jetzt für die wichtige Interoperabilität zwischen Geräten unterschiedlicher Hersteller. Die IEEE-1901-BPL-Arbeitsgruppe hat dazu auch Anforderungen der Produktdesigner und Hersteller an die Interoperabilitätsbedingungen berücksichtigt – beispielsweise mit einer Koexistenzspezifikation innerhalb des Standards.
 
Auch Konzepte von Smart-Grid-Techniken sind bei der Entwicklung des Standards mit eingeflossen. Obwohl die Dateninformationen etwa zum Stromverbrauch von einzelnen Haushalten oder Unternehmen nur einen kleinen Anteil an der Netzauslastung und den Bandbreitenanforderungen ausmachen, kumulieren sie aus der Perspektive von Energieversorgern zu einer ernstzunehmenden Datenflut, die eine Breitbandverbindung wie IEEE 1901 mit 500 MBit/s erfordert.
 
Darüber hinaus stellt die Unterstützung dezentraler Energieerzeugung und -einspeisung (etwa durch Photovoltaik) eine erhebliche Herausforderung für intelligente Stromnetze der Zukunft dar – einschließlich der lokalen Energiespeicherung. IEEE-1901-konformes BPL ermöglicht Echtzeit-Management von Zwei-Wege-Strom, um Erzeugung und Verbrauch von Energie auszubalancieren. Darüber hinaus bietet der IEEE-1901-BPL-Standard ein sicheres Netzwerk, das unter Einbeziehung moderner Verschlüsselung und anderer Techniken die Datensicherheit gewährleistet, die beispielsweise für die Übermittlung von Rechnungs- und Kreditkarteninformationen unerlässlich ist.
 
Draht zum Energielieferanten
 
Die Kommunikation zwischen Haushaltsgeräten und Energielieferanten sowie anderen Infrastrukturbereichen spielt bei der intelligenten Vernetzung eine besondere Rolle. Sie ist es, die das intelligente Zuhause (Smart Home) realisiert und den entscheidenden Beitrag zum Smart Grid leistet. Denn intelligente Heime bergen durch die entsprechenden Kommunikationsmöglichkeiten ein erhebliches Energiesparpotenzial – in ihrer Haustechnik und Energiegewinnung sowie deren Überwachungsfunktionen. Mit dem Ausbau des Smart Grids lassen sich diese Konzepte erweitern: Energieversorger könnten beispielsweise ihr Angebot anpassen, um eine gleichmäßiger verteilte Energieversorgung zu ermöglichen und Spitzenlasten, so genannte Peaks, zu vermeiden. Steuern ließe sich dies durch vergünstigte Strompreise außerhalb der „Stoßzeiten“. Die Funktionstüchtigkeit solcher Techniken demonstriert übrigens auch ein intelligent vernetztes Testhaus, das die Organisation HD-PLC Alliance in Zusammenarbeit mit Panasonic in Japan realisiert hat (Link Video unter Link).
 
Anhand von realen Erfahrungsberichten von Herstellern haben seit 2005 über 90 Organisationen an der Entwicklung des IEEE-1901-BPL-Standards gearbeitet. Es sind bereits viele IEEE-1901-basierende Produkte im Einsatz und am Markt verfügbar. Mittlerweile bieten mehr als 30 Unternehmen IEEE-1901-kompatible Produkte an, die von der HD-PLC Alliance (www.hd-plc.org/modules/products/) oder der Homeplug Powerline Alliance (www.homeplug.org/certified_products) zertifiziert sind.
 
Die Powerline-Networking-Technik bietet eine Reihe attraktiver Optionen für das intelligente Heim von morgen und unterstützt dabei auch die Immobilienentwicklung in vielen Märkten. Flexibilität und universelle Verfügbarkeit in der bestehenden Netzinfrastruktur sind nur einige wenige wesentliche Aspekte, die die Standardisierung der Powerline-Technik mit sich bringt. BPL lässt sich in allen Umgebungen mit üblichen Netzspannungen einsetzen, um beispielsweise Videodaten über größere Entfernungen zu übertragen oder um drahtlose Netzwerke in Privatwohnungen und Unternehmen ans Internet anzubinden. Darüber hinaus verfügt BPL nach IEEE 1901 über die nötigen Datensicherheitsmerkmale, um eine ganze Reihe von Anwendungen im Smart Grid zu ermöglichen.

In Japan hat die HD-PLC Alliance in Zusammenarbeit mit Panasonic ein Testhaus für intelligente Gebäudevernetzung realisiert. Den Grundriss und die einzelnen Funktionen zeigt die Schemagrafik im rechten Bild. Bild: HD-PLC Alliance

Übergreifende Standards von Technikverbänden und Standardisierungsorganisationen wie der IEEE Standards Association bilden die Basis für Smart Homes und Smart Grid. Bild: IEEE SA

In Japan hat die HD-PLC Alliance in Zusammenarbeit mit Panasonic ein Testhaus für intelligente Gebäudevernetzung realisiert. Den Grundriss und die einzelnen Funktionen zeigt die Schemagrafik im rechten Bild. Bild: HD-PLC Alliance
LANline.

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