Spektrumintelligenz im Chip

Interferenzfreies Wireless LAN

30. August 2010, 6:00 Uhr | Axel Föry, Architekturverantwortlicher Borderless Network DACH bei Cisco

WLANs kommen verstärkt in geschäftskritischen Bereichen zum Einsatz. Umso gravierender können die Folgen störender Funksignale sein. Interferenzbedingte Schwankungen der Performance und Verfügbarkeit lassen sich jedoch vermeiden. Zum Beispiel, wenn Funktionen zur Spektrumanalyse einschließlich der Lokalisierung fremder Signalquellen unmittelbar im Access Point implementiert sind.

Solange Wireless LAN lediglich als drahtloser Web- und E-Mail-Zugang in Flughäfen oder
Konferenzräumen dient, sind interferenzbedingte Performance-Einbrüche und auch ein kurzzeitiger
Verbindungsausfall eventuell noch hinnehmbar. Jedenfalls stellen Interferenzen – also die
Überlagerung unterschiedlicher Wellen – die Nutzung dort noch nicht grundsätzlich in Frage.
Verstärkt jedoch dringen WLANs in unternehmenskritische Anwendungsbereiche vor – auch deshalb, weil
der aktuelle Standard IEEE 802.11n Stream-Bandbreiten von bis zu 150 MBit/s zur Verfü-gung
stellt.

In vielen Krankenhäusern etwa sorgen WLANs schon heute für einen mobilen Klinik-Workflow, bei
dem elektronische Patientenakten inklusive der Laborwerte und Röntgenbilder unmittelbar am
Krankenbett einsehbar sind. Oder in der Automobilindustrie: Dort sind drahtlose Netzwerksegmente
vielerorts Basis für Logistikszenarien, die Material und Teile "just-in-time" bis direkt zum
Montagepunkt bringen. Viele kleinere Startups verlassen sich inzwischen komplett auf ein Wireless
LAN – allein schon, um den Zeitverlust und baulichen Aufwand einer kostspieligen Festverkabelung zu
umgehen. Spätestens in solchen Situationen bedrohen elektromagnetische Interferenzen die Stabilität
geschäftskritischer Prozesse, wobei Anwendungen zur drahtlosen Sprach- und Videokommunikation
besonders interferenzempfindlich reagieren. Kein Wunder also, dass die Sicherung von Verfügbarkeit
und Performance im Wireless LAN weit oben auf der Agenda vieler IT-Verantwortlicher steht.

Wurzel allen Übels

Interferenzen entstehen generell durch additive Überlagerung von Wellen. Je nach
Phasenverschiebung handelt es sich entweder um eine Amplitudenverstärkung (zwei positive oder zwei
negative Amplitudenwerte) oder eine Abschwächung (positiver plus negativer Wert). Wenn sich zwei
Schwingungen am selben Ort lediglich im Vorzeichen unterschieden, aber im absoluten
Amplitudenbetrag und in der Wellenlänge übereinstimmen, kommt es an dieser Stelle zur
Totalauslöschung des Signals. Dass es bei IEEE 802.11 so häufig zu unerwünschten Interferenzen
kommt, liegt zum einen daran, dass WLAN das lizenzfreie 2,4- beziehungsweise 5-GHz-Band nutzt.
Zweifellos hat die Lizenzfreiheit die WLAN-Ausbreitung in den letzten zehn Jahren gefördert, doch
steht dieser Frequenzbereich dafür nicht exklusiv zur Verfügung. Eine Mikrowelle im Nachbarbüro,
ein schnurloses Analogtelefon oder das Funknetz vom Geschoss darüber – all dies genügt, um ein
Wireless LAN wenigstens zeitweise in die Knie zu zwingen. Zum anderen entstehen Interferenzen aber
auch WLAN-intern – zum Beispiel, wenn mehrere Clients über denselben Frequenzkanal kommunizieren.
Im 2,4-GHz-Band spielen zudem Randüberlappungen der 20 MHz breiten Frequenzkanäle eine Rolle.

Signalanalyse: Hardware versus Software

Traditionelle WLAN-Chips sind für Spektrumanalysen kaum geeignet. Ihre ursprüngliche Aufgabe war
allein das Senden und Empfangen von WLAN-Signalen. IEEE-802.11-fremde Signalquellen erkennen sie
nicht. Bestenfalls lassen sich Energiewerte und zeitlicher Rahmen irregulärer
Amplitudenschwankungen ermitteln. Um welchen Modulationstyp es sich jedoch handelt, von wo und aus
welchem Kanal das Störsignal kommt oder ob es gar mehrere Störsender gibt – darüber stellen
herkömmliche Access-Point-(AP-)?Prozessoren keinerlei Aussagen bereit.

Informationen mit hinreichender Tiefe und Vollständigkeit sind bisher nur über separate
Experten-Tools zugänglich. Funktechnische Vermessungen werden mit derartigen Lösungen meist
sporadisch vorgenommen. Fremde Signalquellen sind also nur zu erfassen, wenn sie zur gegebenen Zeit
auch tatsächlich eingeschaltet sind.

Anders der Ansatzpunkt beispielsweise der "Cleanair"-Technik von Cisco: Diese zielt darauf ab,
die Spektrumanalyse als permanentes Feature auf breiter Front im gesamten Drahtlosnetzwerk zu
verankern. Zu diesem Zweck sind Analysefunktionen als anwendungsspezifischer integrierter
Schaltkreis (ASIC) direkt im Chipset der Access Points implementiert. Aironet 3500 stellt dabei die
erste AP-Serie mit dieser ASIC-Technik dar. Notwendig ist ein Extraschaltkreis, weil
Spektrumanalysen extrem rechenintensiv sind. Dies betrifft zum Beispiel hochauflösende schnelle
Fourier-Transformationen (Fast Fourier Transformation, FFT), die das Spektrum komplexer
Wellenmuster in elementare Schwingungskomponenten zerlegen. Hinzu kommen weitere
Berechnungsverfahren, etwa zur Detektion kurzzeitiger Energieimpulse von Signalen. Auch diese sind
so aufwändig, dass Ergebnisse in Echtzeit nur per ASIC zu erwarten sind.

Die diskreten Signalzerlegungen werden zur weiteren Verarbeitung an eine spezielle DSP-Software
(Digital Signal Processing) weitergereicht. Die Software stellt unter anderem komplexe
Frequenzfilter sowie Modulierungs- und Demodulierungsfunktionen bereit und ist aufgrund des
gleichfalls hohen Rechenaufwands auf einem separaten Chip implementiert. Erst beim finalen
Verarbeitungsschritt kommt ein reines Softwaremodul ins Spiel, das unmittelbar auf der CPU des
Access Points läuft. In diesem Verarbeitungsstadium hat man es nur noch mit aufbereiteten
High-Level-Informationen zu tun. Die Aufteilung der Analyse auf FFT-ASIC und DSP-Chip entlastet die
CPU von jedem Overhead. Spektrumintelligenz geht also nicht auf Kosten der AP-Performance.

Prinzipiell kann Cleanair-Hardware jede Art von Nicht-WLAN-Quellen erkennen. Zurzeit sind 20
Typenklassen hinterlegt. Sollten künftig neue Typen von Störsendern auftauchen, lassen sich diese
durch einfaches Software-Upgrade integrieren. Der Klassifikationsmechanismus kann zwischen zehn
verschiedenen Interferenztypen gleichzeitig unterscheiden. Simultane Klassifizierung ist überall da
von Bedeutung, wo sich viele Störquellen überlagern – zum Beispiel in Wohn- und Geschäftshäusern
von Städten. Oft ist ein Interferenzauslöser zudem flüchtig – die Mikrowelle wird ausgeschaltet
oder ein mobiles Gerät ändert seinen Ort. Der Klassifikationsvorgang muss deshalb schnell genug
sein, um der "Flucht" von Störquellen zuvorkommen zu können. Die derzeitige Geschwindigkeit liegt
bei fünf bis 30 Sekunden, oft auch schneller. Spektrumintelligenz hat noch einen weiteren Aspekt,
nämlich ihre hohe Treffsicherheit und geringe Fehlerkennungsrate. Denn jede falsch detektierte
Phantomquelle löst unnötige Aktivitäten des IT-Personals aus.

In einem Wireless LAN mit integrierter Spektrumintelligenz lassen sich Störquellen mit hoher
Wahrscheinlichkeit von mehreren Access Points erkennen. Würde jeder davon einen eigenen Alarm
erzeugen, wären Administratoren mit unnötig vielen Meldungen konfrontiert. Daher erhalten
detektierte Geräte zunächst eine Pseudo-MAC-Adresse, die auf Attributen der erkannten Sendehardware
basiert. Danach lassen sich die Pseudo-MACs von unterschiedlichen Access Points miteinander
vergleichen. Stimmen ausreichend viele Merkmale überein, werden sie automatisch zusammengefasst –
und nur eine einzige Störmeldung generiert. Die Informationen der verschiedenen Access Points
dienen zudem zur Lokalisierung der Störquelle per Triangulation.

Sicherheitslücken schließen

Mit der Zahl geschäftskritischer Anwendungen im WLAN steigen die Ansprüche an die IT-Security.
Permanent aktive Spektrumintelligenz hilft, sicherheitstechnische Lücken heutiger
Wireless-Intrusion-Detection- und -Prevention-Systeme (WIDS/WIPS) zu schließen. Ein blinder Fleck
sind beispielsweise proprietäre Access Points, die für WIDS nicht identifizierbar sind. Auch auf
der Basis von Standard-WLAN-Technik lassen sich mit vergleichsweise einfachen Mitteln
nichtstandardisierte Kanäle oder Modulationsschemata aktivieren, um das Gerät in ein "Rouge Device"
zu verwandeln. Sicher erkennen lassen sich maskierte und im Nebel der Frequenzen versteckte Geräte
allein durch permanente Spektrumanalyse.

Fazit

Die hardwarebasierende Implementierung von Spektrumintelligenz direkt im Access Point befähigt
ein drahtloses Netzwerk gewissermaßen zur Selbstheilung. Signalquellen, die Interferenzen
verursachen, lassen sich erkennen und je nach Typus durch automatische Kanalwechsel annullieren
oder physisch durch die IT-Verantwortlichen entfernen. Da alle erforderlichen Tools dafür in das
einheitliche Wireless-LAN-Management integrierbar sind, geht steigende Verfügbarkeit mit sinkendem
Aufwand beim Troubleshooting einher.

transfer


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