Systeme des Microsoft-Vorstands waren nicht Vista-tauglich

Interne E-Mails dokumentieren das Einführungs-Chaos von Vista

29. Februar 2008, 13:41 Uhr |

Nachdem ein US-Gericht soeben eine Sammelklage gegen Microsoft zugelassen hat, in der es um den umstrittenen "Vista-fähig" Aufkleber geht, wurden jetzt interne Microsoft-E-Mails veröffentlicht, die die Kläger bei Gericht eingereicht hatten. An Hand dieser Dokumente wird deutlich, dass Microsoft um die Probleme der Hardwarekompatibilität und Leistung wusste, und nur aus Gefälligkeit gegenüber Intel die Systeme mit dem veralteten 915-Chipset als Vista-tauglich eingestuft hat.

Das Bundesgericht in Seattle, das den Klagen vieler Vista-Kunden wegen dem irreführenden "
Vista-fähig" Aufkleber jüngst den Status einer Sammelklage gewährt hat, hat jetzt eine Fülle
interessanter E-Mails veröffentlicht, die zu dieser Entscheidung geführt haben.

Die E-Mails stammen aus dem Frühjahr 2007 und darin diskutieren Microsoft-Topmanager über die
Kompatibilitätsprobleme von Vista und über die für Vista unzureichende Leistung vieler im Markt
befindlicher Hardwaresysteme.

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So schrieb beispielsweise Board-Mitglied Jon Shirley an Steve Ballmer, dass er versucht habe,
einen seiner Computer auf Vista aufzurüsten und dabei feststellen musste, dass es sogar
Kompatibilitätsprobleme mit zwei MSN-Programmen gibt. Einen zweiten Computer konnte er nicht
upgraden, weil es für die angeschlossene Peripherie keine Treiber gab. Auch
Microsoft-Vorstandsmitglied Mike Nash beschwerte sich darüber, dass nach der Vista-Umstellung sein
2100 Dollar teurer PC "zu nichts anderem mehr nutzbar sei, als zum Empfang und Senden von E-Mails"
.

Diese Beschwerden führten zu einer ausführlichen Stellungnahme des damaligen Windows-Chefs Steve
Sinofsky. In einer langen E-Mail an Steve Ballmer bestätigt er, dass es zu wenig Zeit zum Testen
gab. Auch sein eigener Home-PC konnte unter Vista nicht die angeschlossene Peripherie erkennen. Die
erforderlichen Treiber für seinen All-in-One Brother-Drucker musste er sich schließlich selbst bei
Brother beschaffen, denn dort waren sie früher verfügbar als bei Microsoft. Auch für Microsofts
eigene Hardware, wie den Fingerabdruck-Scanner oder den MCE-Extender, gab es keine funktionierenden
Treiber.

Sinofsky erläutert in seiner E-Mail auch, wie es dazu kam, dass eine viel zu schwache Hardware
als "Vista-tauglich" deklariert wurde. "Intels 945-Chipset ist wirklich die allerunterste
Leistungsgrenze, doch der 915-Satz ist nicht einmal Aero-kompatibel. Trotzdem haben wir haben ihn
als Vista-tauglich deklariert – ich glaube nicht, dass das eine gute Entscheidung war", schrieb er
an Ballmer.

Microsoft-Vorstand John Kalkman war in diesem Punkt noch konkreter. In seiner E-Mail an den
damaligen OEM-Betreuer Scott Di Valerio schrieb er unter anderem: "Wir haben die unterste
Leistungsgrenze nur deshalb auf Intels 915-Chipsatz abgesenkt, damit Intel seine Quartalszahlen
erreichen kann", bestätigte er. Doch mit dieser Entscheidung habe man viele PC-Hersteller
verärgert. Diese hofften damals, dass eine höhere Vista-Untergrenze den Absatz von teureren
Systemen fördern würde.

Die großen Händler haben die Konfusion und die Klagen der Konsumenten schon frühzeitig
vorhergesehen. Wal-Mart hatte sich schriftlich sowohl an Microsoft als auch an HP gewandt und darin
gefordert, dass es zwei Aufkleber geben soll: "Vista Home Basic geeignet" und "Vista-fähig". Doch
darauf habe es seitens Microsoft keine Reaktionen gegeben. Nur intern bestätigte der für den Handel
zuständige Vice-President Steve Schiro in einer E-Mail, dass "die Klagen von Wal-Mart sich mit dem
Feedback der weltweiten Einzelhändler decken".

Inzwischen hat Microsoft zu den vom Gericht veröffentlichten E-Mails Stellung bezogen. Darin
heißt es, dass "die E-Mails nur einen kleinen Ausschnitt aus den Diskussionen und den Maßnahmen zur
Einführung der ?Vista-fähig-Kampagne? darstellen". Insbesondere würden die E-Mails keinen
Aufschluss über die umfangreiche Trainingsprogramme geben, in denen Hersteller, Händler und
Analysten auf die Details dieser Maßnahme hingewiesen wurden. Diese Details bestanden vor allem
darin, den Betroffenen klar zu machen, dass Vista-fähig sich nur auf die Basis-Version ohne Aero
und andere Features bezieht.

Harald Weiss/CZ/pk


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