Seit mehreren Jahren geht es bei WLAN-Systemen immer auch um den IEEE-Standard 802.11n. Mit ihm verändert sich die gesamte Netzwerkarchitektur - nicht nur die der kabellosen Netze. IT-Verantwortliche müssen also umdenken. Die endgültige Verabschiedung der bedeutenden WLAN-Norm im September dieses Jahres war den meisten Medien nur eine Randnotiz wert. Grund ist aber nicht eine mangelnde Würdigung, die Industrie hat vielmehr in Zusammenarbeit mit der Wi-Fi Alliance eine so umfassende und stimmige Vorarbeit geleistet, dass bereits getätigte Investitionen in die neue Technik nicht mehr in Frage gestellt sind.
Wer sich dieser Tage nach WLAN-Systemen umsieht, wird möglicherweise bereits eine Veränderung
bei der Titulierung der Spezifikationsreferenz beobachten. Überraschungen gab es bei der
Verabschiedung des 802.11n-Standards in seiner finalen Version nicht. Ein paar neu in den Standard
aufgenommene Funktionen dürften aber langfristig zu verbesserter Leistungsfähigkeit von
802.11n-Netzwerken führen. Darunter sind etwa die parallele Übertragung mehrerer räumlich
getrennter Datenströme, die Zusammenführung von Datenpaketen (A-MPDU – Aggregate MAC Protocol Data
Unit), die Multiantennentechnik Space Time Block Coding (STBC) und optimiertes Kanal-Handling –
speziell beim Zusammenspiel im 2,4-GHz-Band. Diese Funktionen sind durchweg nicht neu und auch
schon bei vielen 11n-Draft-2-Produkten implementiert – ihre Standardisierung sichert aber die
bestmögliche Zusammenarbeit der Lösungen unterschiedlicher Hersteller. Beispiel A-MPDU: Jedes
Datenpaket, das ein 802.11-Gerät überträgt, schleppt eine beträchtliche Datenmenge an
Verwaltungslast mit sich herum. Dazu gehören Header auf Funkebene, Paketfelder für den
Medienzugriff, Leerfelder zwischen den Paketen und die Bestätigung von übertragenen Paketen (ACK).
Mit A-MPDU werden mehrere Datenpakete in einen größeren Rahmen gruppiert. Nachdem die
Management-Informationen jedoch nur einmal pro Frame zu übertragen sind, verbessert sich das
Verhältnis von Nutz- zu Gesamtlast erheblich. Auf diese Weise steigt letztlich auch der
Gesamtdurchsatz. Bereits mit dem 802.11e-Standard (Sprache und Multimedia über WLAN) wurden
entsprechende Verfahren eingeführt. Während dort auch Alternativen erlaubt waren, zurrt der
11n-Standard das A-MPDU-Verfahren fest.
Erste Hersteller haben bereits Produkte für den finalen Standard auf den Markt gebracht, und
die Wi-Fi-Organisation hat ihren Zertifizierungsprozess auf die neue Situation angepasst.
Hersteller können nun auch die erwähnten Zusatzfunktionen auf Interoperabilität mit den Produkten
anderer Hersteller testen lassen. Für Nutzer wichtig zu wissen: Es gibt keinen Grund zur Hektik.
Wer bestehende 802.11n-Draft-2-Installationen erweitern möchte, kann dies problemlos ohne Änderung
der bereits betriebenen Geräte tun, das heißt, 802.11n-Draft-2- (Wi-Fi-zertifiziert auf der Basis
von Draft 2.0) und Final-n-Produkte sind gemeinsam lauffähig. Nachdem gravierende Änderungen wie
versprochen und erwartet ausblieben (formal läuft "Draft 2" als minimal reduziertes Subset zu
Final-n), erhalten alle 802.11n-Draft-2-zertifizierten Produkte nun automatisch auch das "-Finaln"
-Zertifikat.
Mittelfristig ist jedoch ein Firmware-Update der älteren Produkte auf Final-n zu empfehlen.
Oft lassen sich dadurch höhere Performance und bessere Stabilität erzielen. In vielen Fällen muss
der Nutzer oder Administrator dafür nicht einmal selbst aktiv werden, Hersteller laden zum Teil die
neue Firmware im Rahmen ihrer regelmäßigen Online-Update-Zyklen automatisch auf ihre Access Points
(APs). Wo manuelle Updates erforderlich sind, ist davon auszugehen, dass die betreffenden
Hersteller im Lauf der nächsten Monate mit einer neuen Firmware auf den Markt kommen. "Mit der
Ratifizierung des Standards sind nun letzte offene Fragen beseitigt, und Unternehmen haben
entsprechende Planungs- und Investitionssicherheit", so Mike Lange, Director Customer Service,
Business Development and Product Marketing bei D-Link. "Wir sind davon überzeugt, dass Firmen
künftig verstärkt auf IEEE-802.11n-Komponenten setzen und der Technologie damit zum endgültigen
Durchbruch verhelfen." Für Neuinstallationen ist zu empfehlen, auf die explizite Zertifizierung für
den finalen Standard zu achten.
Migration zu 802.11n
Wer den Zeitpunkt der finalen Standardisierung nutzen und nun von älteren
11a/b/g/h-Installationen auf 11n wechseln will, für den gibt es nach wie vor einige kritische
Punkte zu beachten. Dazu zählen speziell der vergleichsweise hohe Stromverbrauch, das komplexe
Antennendesign und die Unterstützung sowohl für 2,4 GHz als auch für 5 GHz. Eine komplette Ablösung
aller a/b/g/h-Geräte durch solche nach dem 11n-Standard ist sicher nur selten wirtschaftlich
sinnvoll. Für eine gewisse Übergangszeit haben es daher viele Unternehmen mit einer heterogenen
Umgebung zu tun. Dies impliziert aber auch, dass sich in dieser Phase die hohen Übertragungsraten
von 802.11n (das Gros der Produkte bietet derzeit brutto 300 MBit/s, einige kommen bereits auf 600
MBit/s, und realisierbar sind unter Ausreizung aller standardisierten Parameter bis über 1 GBit/s)
nicht erreichen lassen, bevor 802.11n nicht flächendeckend im Unternehmen eingeführt ist.
Ein besonderes Augenmerk ist auf die 802.11n-APs zu richten: Je nach Zahl der Antennen (bis
4×4) und Funkmodule samt Signalprozessoren benötigen sie mehr Strom als frühere AP-Generationen.
Problematisch kann dies vor allem in Switch-Umgebungen werden, die noch auf dem älteren
Power-over-Ethernet-(PoE-)Standard 802.3af basieren. Die entsprechenden Switch-Ports liefern hier
nominell maximal 15,4 Watt an die Endgeräte. Für viele der derzeit am Markt befindlichen 11n-APs
reicht dies aus, aber mit zunehmender Leistung steigt auch der Stromverbrauch. Wer für die Zukunft
auf Nummer sicher gehen will, wird über kurz oder lang nicht umhinkommen, seine
Switch-Infrastruktur auf den neueren Standard PoE+ (IEEE 802.3at) aufzurüsten. Mit 30 Watt je Port
ist das Thema dann sicher für die nächsten Jahre gegessen.
Es geht aber auch kostengünstiger: So bieten einige Hersteller an ihren 802.11n-APs
Funktionen für ein intelligentes Energie-Management. Voraussetzung dafür ist eine permanente
Messung des aktuellen Strombedarfs. Als Maßnahme bei Engpässen könnte die AP-Steuerung einen
eventuell ungenutzten GbE-Port abschalten. Wenn dies nicht reicht, müsste der Übertragungsmodus auf
ein niedrigeres Niveau gefahren werden. Einige Anbieter statten ihre APs gleich mit zwei PoE-Ports
aus, die dementsprechend aus zwei Switch-Ports ihren Strom ziehen können. Diese Variante hat noch
einen Nebeneffekt, der sich für bessere Verfügbarkeit nutzen lässt: Verbindet der Anwender die
AP-Ports mit PoE-Anschlüssen unterschiedlicher Switches, schafft er gleichzeitig Redundanz der
Stromquellen. Unabhängig davon sollten APs auch einen direkten Netzteilanschluss haben, zumindest
wenn geplant ist, sie in einer vermaschten Architektur (also ohne Anbindung über ein
Ethernet-Kabel) einzusetzen.
Knoten in der Masche
Vermaschte WLAN-Infrastrukturen, die teilweise oder ganz auf ein verkabeltes Backbone
verzichten, sind bisher im Unternehmensumfeld noch kaum verbreitet. Gleichwohl sehen viele Experten
hier auf der Basis von 802.11n ein riesiges Potenzial. Dass es gut funktioniert, beweisen bislang
Hersteller, die WLAN-Lösungen für Zugangs-Provider anbieten. Für die entsprechenden
TK-Dienstleister wäre es viel zu teuer, die APs einzelner Straßenzüge, eines Stadtteils oder gar
einer kompletten Stadt über ein Ethernet-Netzwerk zu verbinden. Das Kostenargument lässt sich aber
sehr gut auch auf Unternehmensinstallationen übertragen: Paradoxerweise ist oft genau die
AP-Verkabelung das Teuerste an einer WLAN-Installation. Gerade in Zeiten knapper Budgets bieten
sich vermaschte WLAN-Infrastrukturen als verlockende Maßnahme zur Reduzierung der Kapitalkosten an.
Wer diesen mit 802.11n unter Performance- und Management-Gesichtspunkten durchaus gut zu
realisierenden Schritt tun will, sollte allerdings wissen, dass er sich damit auf Gedeih und
Verderb an einen Hersteller bindet. Grund sind die entsprechenden Mesh-Protokolle, über die sich
die APs untereinander per Funk ein Backbone aufbauen. Bereits seit 2004 tüfteln die Ingenieure im
IEEE-Gremium an einem Standard, aber "wir sind heute nach wie vor weit von einer Einigung entfernt"
, so Niv Hanigal, Director of Product Management bei Ruckus Wireless. Das Unternehmen hat einen
starken Fokus auf Mesh-Techniken – immerhin die Hälfte seines Umsatzes generiert es mit
WLAN-Lösungen für Provider. Die aktuelle Produktfamilie aus diesem Sektor, eine vollständig
gemanagte Lösung für den drahtlosen Breitbandzugang (Wireless Broadband Access, WBA) will Ruckus
auch in Europa und Deutschland an Carrier und TK-Provider vermarkten – als schnelle, stabile und
kostengünstige Alternative zu Wimax und LTE. Hanival sieht auch mittelfristig keine Chance auf eine
Standardisierung von "802.11s", wie die fertige Spezifikation einmal heißen soll. Die IEEE nennt
derzeit Januar 2011 als geplanten Ratifizierungstermin.
WLAN-Management als Service
Um die Einsparung von Anschaffungskosten beziehungsweise deren Umlage in klar kalkulierbare
Betriebskosten geht es auch bei einem Trend, den WLAN-Unternehmen wie Aruba und Aerohive kürzlich
(nahezu zeitgleich) gesetzt haben: Auslagerung des WLAN-Managements in die "Cloud". Mit "Airwave on
Demand" (AoD) hat Aruba einen Cloud-basierenden Management- und Monitoring-Service für die
Netzwerke großer Unternehmen am Start, der nach dem SaaS-Modell (Software as a Service) vertrieben
wird. Basis für den Service sind virtuelle Instanzen der Aruba "Airwave Wireless Management Suite"
(AWMS), die das Unternehmen in seinem Rechenzentrum hostet. Über ein Web-Interface können
Abonnenten damit ihre WLAN-Konfigurationen überwachen und verändern, Compliance-Berichte erstellen,
Anwender und Wi-Fi-Systeme lokalisieren und Probleme diagnostizieren.