Vergleich der Varianten von Kühlsystemen

Moderne RZ-Kühlung im Jahr 2013

8. August 2013, 6:00 Uhr | Carrie Higbie/jos, Global Director Data Center Solutions and Services bei Siemon.

Bereits vor einigen Jahren prognostizierten viele Experten, dass die Gerätedichte in Rechenzentren immens zunehmen und sich daraus ein entsprechend hoher Bedarf an Energie und Kühlung ergeben werde. Heute sehen sich RZ-Verantwortliche mit genau dieser Tatsache konfrontiert. Das Problem: Es gibt nicht die eine umfassende Lösung, die den gesamten Kühlbedarf abdeckt.Mitunter ist es nicht einmal für die Fläche eines einzigen RZ ausreichend, mit einem Kühlsystem zu arbeiten, sondern notwendig, verschiedene Kühlmethoden parallel einzusetzen. Der Markt bietet unzählige Lösungen. Um die richtige Auswahl treffen zu können, ist es wichtig, zu verstehen, wie jede einzelne Technik funktioniert. Dazu ist ein Einblick in die verschiedenen Kühlsysteme nötig, außerdem in die gängigsten Methoden und Entwicklungstrends. Vor der Entscheidung für eine oder mehrere Kühlmethoden ist es ratsam, sich über die Gesamtheit der verschiedenen Faktoren zu informieren, die im Schrank und im RZ als Ganzes eine Rolle spielen.   Gerätelast und Kühlbedarf Bedingt durch eine Reihe verschiedener Faktoren sind viele Rechenzentren selbst heute noch für weniger als 5 kW pro Schrank ausgelegt. Einer dieser Faktoren ist das umfangreiche Angebot hochentwickelter Produkte im Bereich der Klimatechnik. Die Konstrukteure haben bei deren Wirkprinzip ganze Arbeit geleistet. Ein weiterer Faktor ist der stetig wachsende Colocation-Markt. Der unterschiedliche Energiebedarf einer Colocation-Fläche ist für einen Mieter schon schwer zu managen, noch schwieriger wird es, wenn sich mehrere Mieter den selben Raum teilen. Spezifikationen für Colocation-Einrichtungen setzen deshalb oft einen Festwert für den Stromverbrauch an, um das Management der Kühlung in dieser dynamischen Umgebung zu vereinfachen. Die Frage Stromversorgungskapazität ist generell ein heikles Thema, sowohl innerhalb der Colocation-Einrichtung als auch vom Standpunkt des Stromversorgers aus, und dahin gehend, wie viel Strom die Systeme liefern können und die die Stromversorgungseinrichtung des RZ unterstützen kann. Hinzu kommen äußere Faktoren, die ihrerseits die Menge an Aktivtechnik in einem Schrank begrenzen. Ganz wesentlich ist die Gewichtsbelastung des Doppelbodens. Bei der Planung einer neuen oder nachgerüsteten Kühlung ist deshalb genauestens auf die Schranklast zu achten. Selbst wenn es möglich ist, einen Schrank mit 12 kW zu versorgen, der Doppelboden jedoch mit dem Gewicht überlastet ist, ist das unnützer Aufwand und verschwendete Kapazität. Für eine Verlustleistung über 5 kW sind in den letzten Jahren weitere Alternativen zur Kühlung entstanden. Selbst bei Rechenzentren mit herkömmlichen passiven Doppelbodensystemen erhöht sich oft der Kühlbedarf in einzelnen Bereichen des RZ, so zum Beispiel in der Mittelreihe der Blade-Server, in einem High Performance Cluster (HPC) oder in dem Moment, wenn ein aktiver Kühlungsbereich bereitzustellen ist, der die passive Kühlung ergänzt.   Alternativen zur passiven Kühlung Neben der genannten passiven Kühlung sind Optionen mit Schornstein (Chimney) erhältlich, die im Mittel 12 kW pro Schrank unterstützen. Diese Methode wirkt wie eine Warmgangeinhausung auf der Schrankebene. Die Warmluft fließt zur Wärmeabführung zur Ansaugöffnung der Vorrichtungen. Als nächste Variante kommt eine Warmgang-/Kaltgangeinhausung infrage. Bei der Warmgangeinhausung erfolgt die Kühlung entweder mit Inrow-Geräten direkt in der Schrankreihe, oder eine spezielle Luftstromführung leitet die Warmluft ab. Bei der Luftstromführung konnt dann ein ähnliches Wirkprinzip wie bei einem Schornstein zu Einsatz. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die Wärme vom gesamten Warmgang anstatt von jedem einzelnen Schrank in die abgehängte Decke abfließt. Bei der Kaltgangeinhausung ist der kalte Bereich derart abgeschottet, dass die Luft an der Vorderseite der Schränke höher aufsteigen kann. Die heiße Raumluft wird dann von den Klimageräten eingesaugt. Die Präferenzen und Ansichten, welche Variante - ob Warmgang- oder Kaltgangeinhausung - nun die günstigste ist, sind geteilt, und die Befürwortern der verschiedenen Methoden diskutieren durchaus kontrovers. Liegt die Verlustleistung pro Schrank noch höher, schaffen Wärmetauscher an der rückseitigen Schranktür Abhilfe. Sie bieten eine weitere Möglichkeit der Kühlung, die die Wärme sehr nahe am Entstehungsort abführt. Rückwandtüren können passiv oder aktiv sein (ergänzt durch Lüfter). Solche Systeme sind in der Lage, eine Kapazität von über 30 kW pro Schrank zu bewältigen. Die verschiedenen Varianten dieser Methode unterscheiden sich im verwendeten Flüssigkeitstyp, der Viskosität, der Art und dem geforderten Grad der Wärmeableitung. Wasser leitet Wärme etwa 3.400 Mal stärker ab als Luft. Wo eine Versorgung mit Kühlwasser nicht gegeben ist, arbeiten die Systeme zum Teil mit Glykol oder anderen Kühlmitteln. Das Prinzip ist vergleichbar mit dem Kühler im Auto.   Flüssigkühlung Ist der Kühlbedarf am Entstehungsort der Wärme extrem groß, gibt es noch die Möglichkeit der Flüssigkeitskühlung des Prozessors. Im ersten Moment mag die Vorstellung von Flüssigkeiten in unmittelbarer Nähe eines Prozessors recht abwegig erscheinen, doch in Wahrheit ist es ein sehr altes Prinzip, das die Hersteller heute neu aufgreifen. In den Anfangsjahren der Computertechnik erfolgte die Kühlung bekanntlich auch auf diese Weise. Manche Systeme sind mit Wasser gekühlt, andere wiederum verwenden verschiedene Kühlmittel und neuerdings auch Pflanzenöl. Server und Racks sind dazu komplett mit Öl befüllt. Denjenigen, die sich bei der Vorstellung von fließendem Wasser oder Kühlmittel in ihrem RZ unwohl fühlen, sei versichert, dass es sich kaum von der üblichen Wasserinstallation unterscheidet. Bei sorgfältig durchgeführter Arbeit sollte definitiv nichts tropfen, es sei denn, andere Faktoren verursachen Korrosion. Qualitativ hochwertige Teile, sachgemäß installiert, bieten einen zuverlässigen und leckfreien Betrieb. Es handelt sich in der Regel um einen geschlossenen Kreislauf, und diese Systeme führen nur geringe Mengen Wasser. Darüber hinaus sind die Anschlüsse auf ein Vielfaches der Durchflussmenge getestet. Eine andere Alternative ist die freie Luftkühlung, doch selbst dabei ist Equipment zur Klimatisierung und Umwälzung der Luft nötig. Zu Jahreszeiten allerdings, wenn die Außentemperaturen niedriger sind als die benötigte Lufttemperatur, kann "Freiluft" sehr wohl dazu dienen, die Temperatur im RZ zu senken. Bei den wasserbasierenden Economiser-Systemen ist das Prinzip recht ähnlich, einzig dass dort Wasser das bevorzugte Kühlmittel ist und die Außentemperaturen das Wasser auf natürliche Weise abkühlen. Durch die Möglichkeit, entweder Luft oder Wasser zu nutzen und dabei ohne viel Aufwand nur die Luft umwälzen zu müssen, verspricht diese Methode große Einsparungen und einen schnellen Return on Investment.   Mehr Temperatur für neue Geräte Geräte neuerer Bauart vertragen wärmere Zuluft und funktionieren dennoch weiter fehlerfrei. Dieser Fakt hat zur Erhöhung der Gerätedichte beigetragen, da nicht vorsorglich zu kühlen ist, um eine einwandfreie Funktion zu gewährleisten und eine Notabschaltung der Geräte wegen Überhitzung zu vermeiden. Virtualisierung hat vielen Unternehmen geholfen, Problemen mit der Kühlung aus dem Wege zu gehen, indem sie ihre Server-Anzahl und damit den Kühlbedarf reduzieren konnten. Andere wiederum haben einen Teil ihrer Server in das weitere Umfeld verlegt oder sich entschlossen, Systeme in Colocation-Einrichtungen auszulagern. Bleibt also nur noch die Frage, welche Variante die beste ist: Die Gerätelast zu kühlen, die Gerätelast zu verringern oder sogar auszulagern und eventuell in die Cloud zu geben? Bei der Entscheidung für die eine oder andere Kühlmethode kommt es immer auf den konkreten Fall an. Eines ist und bleibt jedoch sicher: Es gibt keine Universallösung, die für jeden gleichermaßen passt. Fall die Möglichkeit vorhanden ist, Economiser einzusetzen, haben diese sich als stabil und höchst kosteneffektiv erwiesen. Sie sind wahrscheinlich das beste Beispiel für eine gemischte Umgebung.   Kühlung in verschiedenen Regionen In den einzelnen Regionen der Welt finden unterschiedliche Kühlmethoden Anwendung. In Europa beispielsweise bevorzugen die Betreiber die Kaltgangeinhausung, in Nordamerika dagegen die Warmgangeinhausung mit wasser- und luftbasierenden Economiser-Systemen, wo immer dies möglich ist. Wer als erster auf dem Markt ist, bestimmt mit umfangreichen Werbemaßnahmen weitestgehend darüber, welche der neu aufkommenden Technik sich in der jeweiligen Region durchsetzt. Mit der internationalen Verbreitung versuchen manche Länder die anderen im Gewaltmarsch einzuholen. Die Innovationen in einem Land kommen so mit einiger Sicherheit auch in anderen Gebieten auf den Markt. Die zuständige EU-Kommission sähe es wohl am liebsten, dass alle RZ-Geräte bei 40 °C laufen. Damit würde sich ein Teil der Diskussion erübrigen. Doch so weit ist die Praxis noch nicht. Global gesehen spielt immer noch die traditionelle passive Kühlung die größte Rolle. Die anderen erwähnten Konzepte machen ihr allerdings allmählich den Rang streitig.   Fazit Um herauszufinden, welche Kühlmethode für das jeweilige RZ am besten geeignet ist, sollten Betreiber die Hersteller eingehend zu allen Aspekten befragen. Unternehmen, die bereits Erfahrungen mit der entsprechenden Kühltechnik haben, können ebenfalls detailliert Auskunft geben. Einfach davon auszugehen, dass Altbewährtes auch jetzt noch das Beste ist, wäre ein Trugschluss, denn die Entwicklung geht stetig weiter.

Mittlerweile eine Binsenweisheit: Auch eine geschickt Kabelführung kann die Kühlung unterstützen.

Liegt die Verlustleistung pro Schrank hoch, schaffen Wärmetauscher an der rückseitigen Schranktür Abhilfe. Sie bieten eine weitere Möglichkeit der Kühlung, die die Wärme sehr nahe am Entstehungsort abführt.

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