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Free Cooling beim Werkzeughersteller Leitz

Punktgenaue Kühlung halbiert Energiekosten

In seinem neuen Rechenzentrum setzt der Präzisionswerkzeughersteller Leitz eine neuartige Softwarelösung ein, die das Server-Management mit der Infrastrukturüberwachung vernetzt. Damit passt Leitz die Kühlung seiner Rechenzentren kontinuierlich an ihre tatsächliche Auslastung an. Kombiniert mit einer Free-Cooling-Anlage haben sich bereits im ersten Jahr die Energiekosten halbiert.

Autor:Michael Nicolai/dp Michael Nicolai leitet das Produkt-Management IT-Klimatisierung bei Rittal in Herborn. • 26.2.2009 • ca. 4:00 Min

Leitz fertigt seit 1876 Präzisionswerkzeuge zur Holz- und Kunststoffbearbeitung und verfügt über
neun Produktions- und 34 Vertriebsgesellschaften sowie gut 200 Servicestationen. Laut Edgar
Strommer, verantwortlich für die technische EDV bei Leitz in Oberkochen, sollten beim Bau des neuen
Rechenzentrums neben der Verfügbarkeit vor allem die Nachhaltigkeit und Energieeffizienz im
Mittelpunkt stehen. Denn bis zu 50 Prozent des Energieverbrauchs eines Rechenzentrums entfallen auf
die IT-Infrastruktur, davon allein 25 Prozent auf die Klimatisierung.

Da auf den Servern in der Regel geschäftskritische Dienste laufen, dimensionieren
IT-Verantwortliche die Klimasysteme ihrer Rechenzentren oft großzügig, um auch bei Volllast noch
einen Puffer zu haben, der eine ausreichende Kühlung der Server garantiert. Ein Abgleich zwischen
der tatsächlichen Last, die ein Server fährt, und der dazu nötigen Kühlleistung erfolgt nicht, was
das System energetisch ineffizient macht. "Gerade rücken lässt sich diese Schieflage durch eine
intelligente Kältezufuhr, die immer nur dort kühlt, wo Wärme tatsächlich entsteht: dicht am
Server-Rack", erklärt Edgar Strommer.

Server-Last mit Kühlung verknüpfen

Gemeinsam mit Leitz hat Rittal, Anbieter von IT-Infrastrukturen, daher im Rahmen eines
Pilotprojekts ein neues Steuerungskonzept für die Kühlung entwickelt: Im Rechenzentrum in
Oberkochen sind die Server mit der Klimatisierung so vernetzt, dass das System die Kühlleistung
punktgenau nur dahin liefert, wo Server diese für einen sicheren Betrieb benötigen. Die optimale
Verteilung der Kühlleistung berechnet eine Management-Software. Sie integriert das
Server-Management mit der Steuerung und Überwachung von Schrank-, Stromversorgungs- und
Klimatechnik und kombiniert die Messdaten aus dem Klimasystem mit den Temperaturwerten sowie der
Stromaufnahme der Server. Diese sind mit RFID-Chips ausgestattet, sodass das System die genaue Lage
jedes Servers im Rack kennt. Die Lösung basiert auf einem Prototypen der Software Rizone, die
Rittal und Microsoft zur Cebit 2009 erstmals der Öffentlichkeit vorstellen.

Prototyp für Rittal und Microsoft

Das gemeinsam entwickelte Management-Pack verknüpft die Rittal-Überwachungslösung für die
IT-Infrastruktur (Server-Schränke, Klimatisierung, Stromverteilung und -versorgung) mit dem
Microsoft System Center Operations Manager und erlaubt so eine umfassende Steuerung des
Rechenzentrums.

Damit lassen sich in einer virtuellen Server-Umgebung Anwendungen beispielsweise nachts oder am
Wochenende auf wenige Schränke konzentrieren. So müssen Klimatisierung und unterbrechungsfreie
Stromversorgungen während dieser Zeit nur für die ausgewählten Bereiche zur Verfügung stehen.

Die Grundlagen für das System waren bereits entwickelt, als sich die Planungen für das
Leitz-Rechenzentrum Ende 2006 konkretisierten. Allerdings lagen noch keine Daten aus der Praxis
vor. Für die Entwicklung des Algorithmus, der die Kühlung bei Leitz regelt, sammelten die
Entwickler zunächst ein halbes Jahr lang Daten: alle 30 Sekunden 15 relevante Messwerte. Diese
liefen im Leitstand von Rittal in Herborn zusammen, von wo aus das Pilotprojekt auch gesteuert und
optimiert wurde. Heute sind die aktiven Kühlkomponenten bei Leitz weitgehend automatisiert, und die
Software passt die Kühlung permanent an die Server-Last an. Für die Sicherheit sorgt ein
hierarchisches Alarmsystem : Sollten Probleme im Kühlkreislauf auftreten, werden die Administratoren
bei Leitz in mehreren Eskalationsstufen per E-Mail über Abweichungen vom Regelbetrieb
informiert.

Auf den Punkt gekühlt

Auch bei der Erzeugung und Verteilung der Kühlleistung stand die Energieeffizienz im
Mittelpunkt. Anders als bei herkömmlichen Systemen zur Rechenzentrumsklimatisierung kühlen im
Leitz-Rechenzentrum in Oberkochen spezielle Kühlmodule (Liquid Cooling Packages) von Rittal nicht
den kompletten Raum, sondern klimatisieren die IT-Anlagen punktuell. Sie sind unmittelbar neben den
Server-Schränken aufgestellt. Selbst extrem hohe Wärmelasten im Rack werden so ohne Umwege
aufgefangen.

Da die Liquid Cooling Packages über einen separaten, geschlossenen Kühlkreislauf hermetisch von
den zu kühlenden Server-Schränken getrennt sind, kann ausgeschlossen werden, dass Kühlwasser in die
Schränke eindringt.

Free Cooling bis +19 °C Außentemperatur

Für die Erzeugung des Kaltwassers nutzt Leitz ein Free-Cooling-System, also die kühlere
Außenluft, die über weite Teile des Jahres kostengünstig vorhanden ist. Für deren Einsatz ist
normalerweise eine Temperaturdifferenz zwischen Außenluft und Kaltwasser von fünf Kelvin nötig. Der
Luft-/Wasser-Wärmetauscher bei Leitz ist jedoch 40 Prozent leistungsfähiger als andere
Free-Cooling-Systeme und benötigt nur einen Temperaturabstand von 2,5 Kelvin. Im Verbund mit den
Kühlmodulen ist diese Lösung besonders effizient. Der Kühlkreislauf bei Leitz kann mit bis zu 21 °C
Wassertemperatur und das Free-Cooling-System bis zu Außentemperaturen von +19 °C betrieben werden.
Eine herkömmliche Raumklimatisierung mit Luft-/Wasser-Wärmetauscher benötigt dagegen
Wassertemperaturen von 15 °C.

Redundanzen

Über die intelligente Vernetzung der einzelnen Komponenten lassen sich auch die für die
garantierte Verfügbarkeit notwendigen Redundanzen im Kühlkreislauf effizienter auslasten. Leitz
arbeitet zum Beispiel bei den Wasserpumpen mit einer "laufenden Redundanz": Der Kühlkreislauf wird
mit zwei Pumpen betrieben, die gemeinsam 2.000 Liter Kaltwasser bewegen. Fällt eine der beiden
Pumpen aus, kühlt das System das Wasser entsprechend weiter ab und fängt so die reduzierte
Pumpleistung auf, ohne dass der Betrieb unterbrochen wird. Das funktioniert auch bei einer höheren
Auslastung der Server, die so klimatisch abgefangen werden kann.

Messbare Kostenvorteile

Mit der Kombination aus freier Kühlung, LCPs und der intelligenten Überwachung und Steuerung von
Servern und Infrastruktur hat Leitz seine Ziele für ein nachhaltiges und wirtschaftliches
Rechenzentrum erfüllt. Durch die eingesparten Energiekosten amortisiert sich die Investition in
zwei Jahren. "Unsere Energiekosten für diesen Bereich haben sich seit Inbetriebnahme des
Rechenzentrums im April 2008 mehr als halbiert", zieht Edgar Strommer Bilanz. Dabei reduzierte sich
laut Strommer der Stromverbrauch von rund 23 Kilowattstunden auf heute fünf. Gleichzeitig
verlängern sich durch die neue Anlage auch die Wartungszyklen etwa um den Faktor 2,5. Dank des
modularen Kühlkonzepts kann Leitz sein Rechenzentrum flexibel erweitern und spart dadurch auch
künftig Investitionen.