Rechenzentren im Aufschwung: Ursache sind nicht die Hyperscaler
Nach dem Rückzug mehrerer Hyperscaler Anfang 2025 verzeichnet der deutsche Rechenzentrumsmarkt eine verstärkte Nachfrage durch KI-Start-ups und spezialisierte Branchenanwender. Diese Entwicklung führt zu einer Diversifizierung der Kundengruppen, begünstigt regionale Verschiebungen und eröffnet mittelständischen Betreibern neue Marktchancen.
Nach dem Rückzug großer Hyperscaler Anfang 2025, die mehrere geplante Projekte gestoppt oder verschoben haben, hat der deutsche Rechenzentrumsmarkt eine interessante Wendung erlebt. Junge lokale KI-Unternehmen, aber auch andere Kunden aus Bereichen wie High-Performance-Computing, Life Sciences und Industrie 4.0 nutzen die frei geworden Flächen und Kapazitäten, die ursprünglich für Tech-Giganten vorgesehen waren, schnell für sich. Nicht nur einzelne Racks oder kleinere Mietflächen, sondern teilweise komplette, bereits geplante oder im Bau befindliche Hyperscale-Einheiten, wechselten so den Nutzer.
Dieser schnelle Nachvermietungsprozess zeigt, dass die Nachfrage nach leistungsfähiger Rechenzentrumsinfrastruktur in Deutschland weiterhin hoch ist und dass sich der Kundenkreis zunehmend diversifiziert.
Diversifizierung der Endkundenstruktur
Die neue Dynamik im Markt führt zu einer spürbaren Veränderung in der Endkundenstruktur. Während in den vergangenen Jahren vor allem wenige, sehr große Hyperscaler den Markt dominierten, verteilt sich die Nachfrage nun auf ein breiteres Spektrum von Nutzern.
Insbesondere KI-Start-ups mit hohem Rechenleistungsbedarf treten als ernstzunehmende Rechenzentrumsmieter auf. Sie nutzen die Chance, kurzfristig in bereits geplante oder im Bau befindliche Rechenzentren einzuziehen, ohne dabei selbst langwierige Genehmigungs- und Bauprozesse durchlaufen zu müssen. Für Betreiber bedeutet dies eine geringere Abhängigkeit von einzelnen Großkunden und eine stabilere Auslastung.
Dies ist eine Chance, die Resilienz des Sektors zu erhöhen. Eine breitere Kundenbasis kann konjunkturelle Schwankungen besser abfedern und ermöglicht es Betreibern, flexibler auf technologische Trends zu reagieren.
Regionale Verschiebung
Parallel zur Veränderung der Kundenstruktur ist eine geografische Verschiebung zu beobachten. Frankfurt gilt zwar weiterhin als der Hotspot der deutschen Rechenzentrumslandschaft, doch die Verfügbarkeit von Strom und geeigneten Flächen in der Region ist zunehmend eingeschränkt.
Dies führt dazu, dass Betreiber und Kunden verstärkt auf alternative Standorte ausweichen. Städte wie Berlin, München, Hamburg gewinnen ebenso an Bedeutung wie das erweiterte Umland Frankfurts. Ausschlaggebend hierfür sind nicht nur niedrigere Grundstückspreise, sondern vor allem die Verfügbarkeit von Netzanschlusskapazitäten.
Für KI-Workloads, bei denen die Anforderungen an Latenzzeiten geringer sind, ist diese Standortflexibilität ein klarer Vorteil. Auch internationale Trends bestätigen diesen Shift: In vielen Märkten verlagern sich Rechenzentrumsprojekte zunehmend in Regionen mit günstigerer Energieversorgung und besserer Flächenverfügbarkeit.
Chancen für mittelgroße Betreiber und spezialisierte Anbieter
Die veränderte Marktlage eröffnet neue Chancen für mittelgroße Betreiber und spezialisierte Anbieter. Gefragt sind individuelle Lösungen.
Während Hyperscaler-Projekte oft auf maximale Skalierung und Standardisierung setzen, können kleinere und mittelgroße Betreiber flexibler auf individuelle Kundenanforderungen reagieren. Gerade KI-Start-ups benötigen häufig maßgeschneiderte Lösungen, etwa hybride Kühlkonzepte, spezielle Sicherheitsanforderungen oder modulare Erweiterungsmöglichkeiten. Anbieter, die hier schnell und kundenorientiert agieren, können sich als attraktive Alternative zu den etablierten Playern positionieren.
Darüber hinaus profitieren Betreiber, die frühzeitig in energieeffiziente Technologien und nachhaltige Stromversorgung investieren. Angesichts steigender regulatorischer Anforderungen kann dies ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein.
Technologische Anpassungen und Kühlkonzepte
Technologisch zeigt sich ein Trend zu hybriden Kühlstrategien. Während noch vor einem Jahr vollständige Flüssigkühlung („Liquid Cooling“) als die neue Zukunftstechnologie beschworen wurde, setzen viele Betreiber inzwischen auf Mischformen aus Flüssig- und Luftkühlung, um flexibler auf verschiedene Kundenanforderungen reagieren zu können.
Diese Flexibilität erlaubt es, die Betriebskosten zu optimieren und auf unterschiedliche Leistungsdichten innerhalb eines Rechenzentrums zu reagieren. Für KI-Workloads mit hoher Abwärmeentwicklung ist dies besonders relevant.
Prognose: KI und Cloud als Wachstumstreiber
Die mittelfristige Prognose für den deutschen Rechenzentrumsmarkt bleibt positiv. Aktuelle Studien von Bitkom und CBRE erwarten bis 2030 in Deutschland eine weiterwachsende Nachfrage von Rechenzentrumsflächen, getrieben durch den anhaltenden Cloud-Boom, den Ausbau von 5G/6G-Netzen und den massiven Rechenleistungsbedarf von KI-Anwendungen.
KI-Start-ups und spezialisierte Cloud-Anbieter werden dabei eine immer wichtigere Rolle spielen. Ihre Anforderungen an Flexibilität, Energieeffizienz und schnelle Bereitstellung dürften den Markt nachhaltig prägen. Allerdings wird der Wettbewerb um geeignete Standorte mit ausreichender Stromversorgung zunehmen.
Für Betreiber bedeutet dies, dass strategische Standortwahl, Investitionen in modulare Bauweisen und die Integration nachhaltiger Energiekonzepte zu Schlüsselfaktoren für ihren langfristigen Erfolg werden.