Im Gegensatz zu SDN versuchen Vyatta oder Cumulus nicht die Architektur der vorhandenen IP-Netzwerke zu ändern, sondern nur deren Ausprägung. Da die Funktionalitäten der Software-Router identisch mit denen "echter" Geräte ist, müssen auch keine neuen Standards entwickelt werden. Vorsichtige Markanalysen zeigen, dass die Software-Router für mehr als die Hälfte des Router-Markts genügend Funktionen bereitstellen würden und somit für einen erheblichen Preisdruck auf die realen Router und deren Hersteller ausüben könnten.
Die gleiche Server-/Software-Entwicklung, die den Software-Router zugrunde liegt, sorgt bei den Netzbetreibern auf den höheren Schichten für einen preiswerten Umstieg von teuren Appliances auf Standard-Server. Die Network-Function-Virtualization-Initiative (NFV) bewegt sich zielstrebig in diese Richtung. Der Open-Source-Riese Red Hat arbeitet bereits zusammen mit 6Wind, an den Spezifikationen für NFV, damit in naher Zukunft ein netzoptimiertes Serverbetriebssystem Wirklichkeit wird.
Software-Routing in Kombination mit einem software-basierten virtuellen Hosting hat somit das Potenzial die gesamte IT-Branche nachhaltig zu wandeln. Wenn die Server schnell genug und die richtigen Chips in Server-Schnittstellen verbaut sind, wird es möglich, dass die Vernetzung als Funktion von einem oder mehreren virtuellen Maschinen in Cloud-Servern bereitgestellt wird. Auch ist es möglich, dass eine SDN-ähnliche zentrale Netzsteuerung in die Server/Router einzieht und selbst Daylight könnte als eine Plattform für weitere Entwicklung dienen. Dies würde jedoch einige Bedenken bei Cisco, einem der wichtigsten Sponsoren des Daylight-Projekts, auslösen.
Natürlich sind noch nicht alle Fragen bei den Software-Routern/Servern gelöst und müssen auf dem Weg zur Marktreife noch erarbeitet werden. Eines der großen Themen ist die Zuverlässigkeit dieser Produkte unter dem Aspekt der MTBF (Mean time between Failure). Die bisher im Markt verfügbaren Router/Switches arbeiten in der Regel zuverlässiger als Server. Die Befürworter des Modells der Software-seitigen Vernetzung argumentieren, dass eine Redundanz auf unterschiedlichste Arten realisiert werden kann. Sie weisen jedoch darauf hin, dass Zuverlässigkeit und Failover nicht gleichbedeutend damit ist, ob ein Gerät oder eine Funktion versagt. Insbesondere dann, wenn ein Ausfall eines Systems eine Neukonfiguration der Router erfordert. Daher bleibt es abzuwarten, wie ein Hochverfügbarkeits-Software-Routing-System aussehen wird und welche „anderen“ Funktionen es zu bieten hat.
Fazit
Wir müssen sicher noch einen langen Weg gehen, bevor wir sagen können, dass die traditionellen Router zu einer aussterbenden Art gehören und die klassischen Router-Anbieter vom Markt verschwinden werden. Wir werden jedoch an dem Punkt angelangen, an dem die technischen Verbesserungen in den Server-/Software-Technologien zum echten Wettbewerb für klassische Router werden. Cisco und die anderen Hersteller haben sicherlich diesen Trend auf sich zukommen gesehen und sind sicherlich dabei sich "erneut zu erfinden". Daher sind die Prognosen über das kommenden Ende der „alten“ Netzwerkgarde übertrieben und verfrüht.