Während Dr. Horst J. Kayser, Chief Strategy Officer bei Siemens auf der jährlichen Analysten-Konferenz in Boston/USA (8. bis 9. Sept. 2015) am ersten Tag das große Bild für Industrie und Produktion als Ganzes zeichnete, stand am zweiten Tag das Rechenzentrum als Hirn des neuen Industriezeitalters im Mittelpunkt.
Zentrale und wichtigstes Element für die neue Art der industriellen Fertigung sind die Rechenzentren. Dort wird entschieden, wie gut oder schlecht es Firmen gelingt, die Herausforderungen des neuen Industriezeitalters positiv für sich umzusetzen. So sieht es John Kovach, Head of Data Center Solutions bei Siemens. In diesem Sinne „sind Rechenzentren die Fabriken des 21. Jahrhunderts“, wie er in seiner Keynote am zweiten Veranstaltungstag formulierte. Um für die verantwortungsvolle Aufgabe gerüstet zu sein, bedürfe es auch eines neuen Typus Rechenzentrum. Kovach nannte sechs Merkmale, die im Zusammenhang mit der neuen Art Rechenzentrum von entscheidender Bedeutung sind:
– Software als funktionale Grundlage: alle Funktionen Software-definiert, beziehungsweise Software-getrieben
– Energie: deutlich verringerter Verbrauch, Erzeugung je nach Situation unter Zuhilfenahme alternativer Quellen
– Kühlung: optimiertes Management der Luftströme, Überwachung der Hotspots etc.
– Art der Nutzung: Co-Location und Outsourcing immer wichtiger
– IoT: Bewältigung der Datenflut durch Dinge im Internet
– Gebäude meets IT: Facility- und IT-Management wachsen zusammen.
Mit seinen umfassenden Lösungen beispielsweise in den Bereichen Energieverteilung, Brandschutz, Gebäudeautomation, Zugangskontrolle/Einbrucherkennung, Management-Anwendungen und Security sieht Kovach Siemens „einzigartig positioniert, die neuen Anforderungen der Betreiber von Rechenzentren zu bedienen. Siemens unterstützt alles – vom Kraftwerk bis zum Rack, ebenso wie Klima und physische Sicherheit“.
Den Rest des zweiten Tages ging es im Wesentlichen um das Zusammenwachsen von Facility- und IT-Management, respektive um die Siemens DCIM-Software Datacenter Clarity LC (Data Center Infrastructure Management). Sie wurde als schon weit gediehenes Beispiel für eine Brücke zwischen den einst absolut getrennten Management-Bereichen dargestellt. Die Software umfasst unter anderem Tools für Planung und Simulation, Asset-Management und Leistungsüberwachung. Mit ihrer Hilfe sollen sich IT-Komponenten und Gebäudeinfrastruktur planen, überwachen und messen, sowie hinsichtlich Betrieb und Energieverbrauch steuern lassen.
Interessanterweise basiert Clarity auf einer Plattform, die schon seit 30 Jahren auf dem Markt ist: Siemens PLM für das Management von Produktlebenszyklen. „Sie können sich PLM als eine Art extrem ausgereiftes Betriebssystem zum Engineering von Produkten vorstellen, auf dem Clarity LC aufbaut“, so Kovach im Gespräch mit LANline. „Da es von vorne herein über offene APIs verfügte, unterstützen wir mit Clarity LC inzwischen deutlich über 400 proprietäre Protokolle anderer Hersteller und internationale Protokollstandards, über die wir Geräte in unser DCIM integrieren können“.
Kovach bestätigt, dass es mit unabhängigen Standards zur Integration von Facility- und IT-Komponenten noch nicht weit her ist. „Das ist aber vor allem für kleinere DCIM-Anbieter ein Problem“, so Kovach. „Als Großunternehmen haben wir da klare Vorteile, denn für uns rechnet es sich, wenn wir die nötigen Protokolle selbst entwickeln. Zudem verfügen wir über ein umfangreiches Partnernetzwerk, aus dem zusätzlich Protokolle, ebenso wie Zusatzmodule für Clarity LC kommen“. So habe beispielsweise Intel ein Plug-in für Clarity entwickelt, dass es erlaubt, Daten aus Servern, sowie Netzwerk- und Speicherkomponenten in großer Tiefe auszulesen.
Die PLM-Wurzeln in Clarity offenbaren sich naturgemäß in erster Linie in der Asset-Management-Komponente von Clarity. So liefert PLM etwa die Basis für die 3D-Echtzeitdarstellung der Asset-Informationen. Aber auch beispielsweise die in Clarity integrierte CFD-Analysetechnologie (Computational Fluid Dynamics) greift auf verwaltete Assets zurück, um Prognosen hinsichtlich Temperatur und Luftstrom zu treffen. Und auch das Clarity Workflow-Management stützt sich unter anderem auf die Asset-Verwaltung, beispielsweise um zu verfolgen, ob ein geplanter Server-Tausch bereits durchgeführt wurde.
Im Rechenzentrum des neuen Industriezeitalters will Siemens die erste Geige spielen. Die DCIM-Tools des Unternehmens wie CC (Control Center), PM (Power Monitoring) und allen voran Clarity sind dafür der Schlüssel. Nachdem es 2015 bereits zwei neue Releases der Software gegeben hat (V2.1 im Februar und V2.2 im August), ist für 2016 mit V3.0 ein größeres Update geplant, das unter anderem hinsichtlich Facility-/IT-Integration neue Maßstäbe setzen soll.
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